Nikoderiko: The Magical World (Review)

Artwork zu Nikoderiko: The Magical World

Die Grenze zwischen inspirierter Hommage und dreister Kopie ist sehr schmal, beinahe ein Tanz auf der Rasierklinge. Die vergangenen Wochen hat nun Nikoderiko: The Magical World einen solchen Takt auf meinem Steam Deck angegeben. Nur knapp zwei Monate, nachdem sich unser Village-Dino ausführlich mit dem 3D-Jump’n’Run für seine TOP 100-Reihe auseinandergesetzt hat, tanze ich nun also auf zwei Rasierklingen. Gemeinsam mit den Mangusten aus Nikoderiko lege ich mehr oder weniger affenstarke Sohlen aufs Parkett. Und im Duett mit der Review meines Redaktions-Kollegen/Freund führen wir dasselbe Stück in verschiedenen Genres auf. Wer sich also nur für das Endergebnis interessiert und den anderen Text bereits kennt: Pech gehabt, auch meine Ampel leuchtet in strahlendem Grün. Auch wenn ich wahrscheinlich ein wenig mehr mit mir gehadert habe, ob “Nik oder Iko” (sorry, das lese ICH immer!) diese Farbe letztlich verdient hätte.

Die magische Spiegelwelt von Nikoderiko

Dies liegt in erster Linie daran, dass genau dieser Tanz auf der Rasierklinge mir beim Spielen von Nikoderiko: The Magical World viel zu offensichtlich war. Denn der namensgebende Nikoderiko erlebt mit seiner Freundin ein Abenteuer, was wir bestens von Nintendo kennen. Allen voran die Titel der Donkey Kong Country Returns-Reihe stehen Pate für das Jump’n’Runs des russischen Studios VEA Games. Und wenn ich Pate sage, dann enorm.

Auf der Jagd nach Grimbald, der den beiden Mangusten ein wertvolles Artefakt vor der Nase weggeschnappt hat, hüpfen, stampfen und sliden wir durch zahlreiche Level voller Buchstaben-Embleme, Glühwürmchen und Fässern. Ganz viele Fässer, egal ob wir darauf fliegen, davon herausgeschossen werden oder am Ende jeden Levels auf ihnen herumtrommeln. Dazu kommen zahlreiche Levelsegmente, in denen ich das Gefühl bekam, diese in einer ähnlichen Form bereits gesehen zu haben. 

Screenshot aus Nikoderiko: The Magical World. Levelsegment, gespielt im Koop, in denen beide Spielfigurenauf einem Reittier unterwegs sind
Die diversen Reittiere waren abwechslungsreich, aber spielerisch eher dünn

Zu Beginn war ich sehr glücklich darüber, denn die DKCR-Spiele sind klasse. Ein neuer Teil darf lieber gestern als morgen erscheinen. Danach flaute es allerdings ab, denn mir fehlte über lange Strecken eine eigene Identität, die sich erst in den letzten Welten mehr und mehr herauskristallisierte. Ihr könnt euch meine Euphorie-Kurve ungefähr so vorstellen: Welt 1 über war ich sehr glücklich, dann stürzte sie in den Bereich der Belanglosigkeit. Dass ich am Ende doch versöhnlich über die oftmals schamlose Spiegelei des affigen Vorbilds hinwegsehen konnte, lag an den zarten Versuchen, eine eigene Identität zu schaffen.

Auf dem Pfade des Beuteldachs

Ich bin kein großer Fan der Crash Bandicoot-Spiele (den ersten und It’s about time gespielt). Das Movement gefällt mir nicht wirklich und vor allem die Leveldesign fand ich großteils entweder grauenhaft langweilig oder extrem unübersichtlich. Wirklich gut gefallen mir da lediglich die 2D-Abschnitte. Besonders das Level Slippery Climb im ersten Crash fand ich hier erwähnenswert gut. In Nikoderiko hingegen ist die Ratio eher umgekehrt. Meistens spiele ich solide 2D-Level à la Donkey Kong, doch hier und da streut sich ein wenig 3D-Flair mit ein. 

Zu Beginn wollte ich diese in meinem Kopf mit Crash vergleichen, gerade weil das erste Highlight eine Fluchtsequenz nach vorne ist. Solche Level finde ich besonders grausam, da ich es nicht ausstehen kann, auf “Vertrauen” in unsichtbare Gegenden hinein zu rennen. Hier hat es ein 2D-Leveldesign leichter, da die Kamera oftmals gut genug postiert ist,  um eine Übersicht “nach vorne” zu gewährleisten. Außer du heißt Sonic und zerschellt mit Lichtgeschwindigkeit an einer Krabbe.

In späteren Welten von Nikoderiko fühlten sich allerdings die 3D-Abschnitte immer individueller an. Allen voran Glimmering Grove hatte ein kurzes Levelsegment, welches organisch wirkte und sich aufgrund von Nikoderikos Movement sehr gut gespielt hat. Schade finde ich, wie penetrant das Lot unterhalb unserer Spielfigur ist, wenn wir in die Luft springen. Aber wahrscheinlich wäre ein Fallschatten beim Lighting der Level und dem Kameraabstand nicht allzu deutlich gewesen.

Gebt mir das N!

Zu wenig von Nikoderiko selbst

Leider sind diese Abschnitte weitestgehend zu kurz gewesen, doch sie haben Nikoderiko das gegeben: eine eigene Identität. Während mich das Leveldesign an nahezu jeder Ecke an das offensichtliche Vorbild erinnert hat, gab es hier einen kleinen Ausreißer ins “Nikoderiko-Selbst”.

Es hilft halt auch in meinen Augen nicht, wenn spielerisch und visuell nahezu alles an Donkey Kong erinnert. Zugleich ja auch David Wise den Score komponiert hat, welcher in meinen Ohren leider viel zu monoton und langweilig klang. Irgendwie hatte Wise es bei Snake Pass besser hinbekommen, seinen Stil durchzuziehen und trotzdem frisch zu wirken.

Doch trotz aller Schamlosigkeit, die Nikoderiko: The Magical World an den Tag legt, um Donkey Kong-Fans zu begeistern, schafft es seine Rolle als Kopie wenigstens sehr gut. Das Platforming fühlt sich direkt und trotz kleinerer Anpassungen gewohnt an. Es fehlte mir persönlich an großen Highlights, wie ich sie beispielsweise alle paar Level in Tropical Freeze serviert bekam, doch das Spielgefühl stimmt, was VEA Games erzeugen wollte. Leider wechselt das Spiel zu selten in seine 3D-Ansichten. Hier lag in meinen Augen das wahre Potenzial, um den Mangusten auf ihrem aufregenden Abenteuer zu wahrem Glanz zu verhelfen. Ein potentieller Nachfolger sollte dies in meinen Augen berücksichtigen, dann ein zweites Mal kopieren wird nicht mehr zum Erfolg führen. Egal wie gut die Kopie im Endeffekt ist.

Donkey Kong auf Steam Deck imitiert. Ein herzlicher Dank geht an Knight’s Peak und VEA Games für die Bereitstellung eines Mustercodes.