Hinsichtlich der Spielstruktur haben sich 3D Jump & Runs als sehr flexibel erwiesen. Von strikt linearen Pfaden wie in Crash Bandicoot über lineare Spiele mit etwas Spielraum wie Rayman 2, kompakte offene Gebiete a là Banjo-Kazooie bis hin zu komplett offenen Spielwelten wie in Woodle Tree 2 ist die Spannweite enorm. Blue Fire wirft nun ein weiteres Konzept in den Ring: eine durch Fähigkeiten und Schlüssel segmentierte Oberwelt mit Dungeons, die an The Legend of Zelda erinnern.
In Blue Fire schlüpft man in die Rolle von Umbra und muss sich den Weg zur dunklen Königin freikämpfen. Die Geschichte wird über englischsprachige Texteinblendungen erzählt und hält sich weitgehend im Hintergrund. Wer sich für eingestreute Lore-Fetzen, beispielsweise über verstreute Briefe, Aufzeichnungen oder vereinzelte Konversationen mit anderen Spielfiguren freut, findet hierzu einige Gelegenheiten im Spiel, aber wer einfach nur das Spiel spielen möchte, wird durch die Geschichte nur sehr selten behelligt.
Einen großen Teil der Spielzeit verbringt man in der Oberwelt, die man zunächst in einem sehr stark geführten Gebiet erkundet, um sich mit der Steuerung vertraut zu machen, die man allerdings sehr aufmerksam erkunden sollte. Blue Fire setzt nämlich an mehreren Stellen im Spiel voraus, dass man eine recht genaue Vorstellung von der Struktur und den Schauplätzen der Oberwelt hat. Immer wieder bekommt man Fähigkeiten oder Schlüssel, die den Zugang zum nächsten Spielabschnitt erlauben und muss sich dann an die Position der zugehörigen Schranke in der Spielwelt erinnern. Besonders im letzten Spieldrittel, in dem man mehrere Sammelaufgaben parallel erledigen kann, ist eine genaue Kenntnis der Spielwelt beinahe unerlässlich. Verstärkt wird das dadurch, dass die Entwickler auf eine Karte komplett verzichtet haben. In den Dungeons ist das tatsächlich kein Problem, aber in der Oberwelt können Menschen mit wenig ausgeprägtem Orientierungssinn schon einige frustrierende Momente erleben.
In der Oberwelt gibt es Zugänge zu zweierlei Untergebieten. Einerseits gibt es im Hauptspiel insgesamt 16 sogenannte Voids zu entdecken, die spielerisch stark an Super Mario Sunshines Classic-Level erinnern. Diese kurzen Plattform-Herausforderungen prüfen die Geschicklichkeit des Spielers sehr konzentriert und werden nach hinten hinaus auch ziemlich schwierig. Seit einem Update des Spiels haben die Voids allerdings auch einigermaßen großzügige Zwischenspeicher, so dass auch für weniger geübte Spieler möglich sein sollte, jedenfalls einen großen Teil der Voids abzuschließen. Grundsätzlich sind die Voids rein optional, allerdings erhält man in jedem Void ein zusätzliches Herz Lebensenergie und zudem gibt es hier Sammelgegenstände zu holen, die gegen zusätzliche Charm-Plätze eingetauscht werden können – beides sehr wertvolle Upgrades.
Schließlich gibt es auch noch Diungeon zu finden, die sowohl ästhetisch als auch strukturell sehr eng an die The Legend of Zelda-Serie angelehnt sind. Allerdings sollte man hier keine kniffligen Rätsel erwarten, sondern vorrangig verwinkelte Plattform-Aufgaben mit einigen kleinen Kämpfen. Nichtsdestotrotz wird durch Schalter, Schlüssel, Truhen und insbesondere eine neue Fähigkeit in der Mitte des Dungeons dafür gesorgt, dass Zelda-Fans sich hier wie zu Hause fühlen. Spielerisch ist diese Struktur für Jump & Run-Passagen sehr ungewöhnlich, funktioniert aber erstaunlich gut und bringt frischen Wind in das Genre.
Aus mechanischer Sicht steht bei Blue Fire ganz klar die Agilität der Spielfigur im Vordergrund. Von Haus aus kann man nur laufen und springen, schnell lernt man aber den entscheidenden Dash, der einem mehr Airtime gibt und lernt im Laufe des Spiels immer weitere Moves, die sich zu einer ziemlich imposanten Airtime kombinieren lassen. Die Kombination dieser Fähigkeiten wird immer wieder auf clevere Weise geprüft und es ist eine regelrechte Freude, seine Spielfigur in Blue Fire zu steuern.
Keine Begeisterungsstürme löst hingegen das Kampfsystem aus, das neben einfachen Angriffen zwar durch die Plattforming-Fähigkeiten, eine Schildblase und einen Parry ergänzt wird, aber dennoch für sich wenig spielerischen Reiz bietet. Allerdings sollte man auch klar sagen, dass Blue Fire, seinem düsteren Look zum Trotz keinen sonderlichen Wert auf Kämpfe legt. Es gibt zwar eine Reihe von Endgegnerkämpfen, wenn man die Voids erledigt, dürfte man aber in aller Regel reichlich Lebensenergie zur Verfügung haben, um durch die Kämpfe auch bei einigermaßen unachtsamer Vorgehensweise nicht ernsthaft gefährdet zu werden. Die gefährlichsten Gegner sind so in der Tat diejenigen, die die Fortbewegung in der Welt durch eine ungünstige Positionierung und mächtige Fernangriffe stören.
Die Präsentation von Blue Fire beginnt sehr düster, grau und beinahe depressiv, allerdings gibt es im Verlauf des Spiels auch einige farbenfrohere Gegenden. Insbesondere ist hier eine überwachsene Stadt und eine feurige Fabrik zu nennen, die im Zusammenspiel mit dem Comic-Look und einigen Designanlehnungen stark an Zelda-Spiele wie Wind Waker oder Skyward Sword erinnern. Die Musik unterstützt die melancholische Atmosphäre des Spiels auf geeignete Weise, bleibt aber meinem Empfinden nach nicht sonderlich im Ohr. Nahe des ursprünglichen Erscheinungstermins hatte Blue Fire noch einige einschneidende technischen Probleme, was insbesondere Abstürze anbelangt, und auf der Xbox mit der Darstellung in der Abwärtskompatibilität. Beide Probleme wurden mittlerweile behoben und in meinem Durchlauf von ca. elf Stunden habe ich nur einen einzigen Absturz im Spiel erlebt. Allerdings unterstützt Blue Fire das Quick Resume-Feature der Xbox Series X nicht. Das sollte man insbesondere am Ende der Spielsessions wenn man speichert berücksichtigen.
Blue Fire ist ein durchdacht gestaltetes 3D Jump & Run mit interessanten Dungeon-Designs, einer flüssigen und unterhaltsamen Spielmechanik und einer gelungenen Vielfalt an Spielaufgaben. Einzig die Navigation im Spiel ist durch die knappe Kommunikation und das Fehlen einer Karte insbesondere der Oberwelt ein Stolperstein. Spieler mit gutem Orientierungsvermögen werden hiermit keine großen Probleme bekommen, aber wer sich hiermit eher schwertut, bei dem gibt es schon einiges Frustpotenzial bei der Suche nach dem nächsten wichtigen Interaktionspunkt.
Getestet auf Xbox Series X.