
Hellblade: Senua’s Sacrifice ist ein besonderes Spiel. 2017 veröffentlichte Ninja Theory den Fantasy-Actioner in Indie-Eigenregie, um nicht den bösen Klauen eines Publishers verpflichtet zu sein. Um gerade aufgrund dieses Spiels (und einem Portfolio anderer toller Spiele) von Microsofts Amokshoppingtour erwischt zu werden. Das Spiel selber? Von vielen hoch gelobt, aber ebenso mit vielen enttäuschten Stimmen. Typischer Fall von . Für mich? Eines der eindrucksvollsten Erlebnisse der letzten Jahre. Ein Spiel, das ich in Bernstein einschließen wollen würde, sodass es die Äonen überdauert. Undüber die Jahre hinweg hatten findige Leute bei Microsoft und/oder Ninja Theory den Glauben daran, dass sich mit dem Nachfolger Senua’s Saga: Hellblade II doch mit Sicherheit ein ebenso großartiges, konservierungs-würdiges Spiel erschaffen ließe.
Senua’s Saga lädt uns nach Island ein
Fünf Jahre sind nun seit der Ankündigung des Spiels vergangen. Viele Memes über Island, einen Ausstieg des Kreativdirektors Tameem Antoniades sowie eine komplett andere Gaming-Industrie später stellte sich für mich weniger die Frage, ob es “für mich” an den Erstling heranreichen kann. Eher fragte ich mich, wie Ninja Theory bei Senua’s Saga anknüpfen wollte. Denn über die fünf Jahre haben wir sehr wenig von Hellblade II zu Gesicht bekommen – und was wir sahen, hat mich persönlich eher ernüchtert. Dennoch sind nach Flops und zahlreichen Entlassungen bei Microsoft die Stühle auch für Ninja Theory wackeliger geworden. Und wirklich stabiler sehe ich nach meinen knapp sechs Spielstunden auf Island die Positionen im Entwicklerteam leider nicht.

Wie bereits im Vorgänger schlüpfen wir erneut in die virtuelle Haut der keltischen Kriegerin Senua, wieder einmal toll verkörpert von Melina Jürgens. Im ersten Spiel sind wir mit ihr in die Unterwelt Helheim gereist, um die Seele unseres ermordeten Freundes Dillion zu befreien. Auf unserer gemeinsamen, sehr düsteren Reise lernten wir nicht nur seinen Tod akzeptieren, sondern auch die zahlreichen Stimmen in Senuas Kopf. Diese begleiteten sie bereits seit ihrer Kindheit und haben ihr Leben und ihre psychische Gesundheit nachhaltig beeinflusst.
Senua’s Saga: Hellblade II nimmt dies und macht…nichts daraus. Stattdessen verfolgen wir ein Volk von Sklaventreibern, die für den Tod von Dillion verantwortlich waren. Weil erbarmungslose Riesen deren Heimat in eine Hölle auf Erden verwandelt haben, sieht sich Senua allerdings schnell ganz anderen Gefahren ausgesetzt.
Große Rückschritte
Die Geschichte von Senua’s Saga und ihre Charaktere hat mir gar nicht gefallen. Das liegt weniger daran, dass es nicht die empfindlichen Themen des Vorgängers behandelt hat. Es wäre vermessen gewesen, dies noch einmal zu erwarten. Vielmehr wirkt die gesamte Narrative von Hellblade II wie aus dem Setzbaukasten angehender Autor:innen.
“Allein in einem fremden Land, muss sich Senua, unsere aus Helheim zurückgekehrte Heldin, blutrünstigen Draugr, grausamen Riesen und den fiesen Psychospielchen des Huldufólks erwehren! Unerwartete Begleiter unterstützen sie auf ihrer Reise, denn nur sie ist ausgewählt, um das Land und seine Menschen vor dem Bösen zu bewahren.”
Dies wird garniert mit einigen wenigen Funken rund um das Thema psychische Gesundheit (ist ja schließlich ein Nachfolger zu Hellblade!) sowie sehr vielen Kommentaren der Stimmen in Senuas Kopf. Wie ich bereits vor Release befürchtet habe, verkommen diese Stimmen zu einem blanken, akustischen Gimmick. Sie sind allgegenwärtig, beschreiben vielmehr das Geschehen auf die immer gleiche, monotone Art und geben inhaltlich kaum noch Nährwert. Im Gegenteil, im Zusammenspiel mit einer Erzählstimme sowie diversen Monologen und Dialogen äußerer Stimmen, hat Senua’s Saga viel zu viel Laberei zu bieten. Diese klingt zwar akustisch hochwertig, aber inhaltlich ist da kaum etwas vorhanden.
Und zu genau solchem Hintergrundrauschen wie die Stimmen verkommt leider auch die imposante Grafik des Spiels. Kaum ein Titel dieser Generation sah bisher besser aus. Lichteffekte sind toll, die Landschaften wirken photorealistisch. Der Detailreichtum in den Texturen ist wahnsinnig gut und das Motion Capturing sucht seinesgleichen. Doch all das ist nur Schein, wenn Hellblade II weitestgehend aus linearen Kleinstkorridoren besteht oder Dunkelheit und schlechtes Wetter die Sicht bewusst trüben wollen. Es fehlen zudem die Aha-Momente visueller Natur, die uns noch Tage später an das Spiel denken lassen. Geschweige denn Jahre später.
Einmal im Kreis bringt uns zurück an den Anfang
Dazu kommt der gesamte narrative Bogen von Hellblade II. Senua lernte im ersten Teil ihre Stimmen (und den Tod Dillions) zu akzeptieren. Solch eine Lernkurve gibt es hier nicht, stattdessen wird ihre Sichtweise auf die Welt zu einer besonderen Fähigkeit stilisiert, die ihr hilft, die Riesen zu bezwingen. Um dann ganz am Ende doch nochmal eine persönliche Lektion zu erzählen, dass Senua die Dunkelheit in ihr akzeptieren müsse. Kurzer Spoiler für den Erstling: Diese Dunkelheit ist Teil ihrer Misshandlungs-Vergangenheit, kein schönes Thema. Eine seltsame Dopplung der Ereignisse, wie ich finde. Dabei ist das Potenzial an vielen Ecken spürbar, gerade in einzelnen Momenten am Ende. Und mit Melina Jürgens und dem Rest des Casts wäre so viel mehr drin gewesen.

Dazu passt es auch, dass Senua’s Saga: Hellblade II auf spielerischer Ebene kaum Fortschritte gemacht hat. Der Gameplayloop besteht aus einem steten Wechsel aus vereinzelten Kämpfen, dem Folgen eines weitestgehend linearen Pfades mit vereinzelten Perspektivrätseln sowie mal mehr, mal weniger interessanten Zwischensequenzen. Letztgenannte sind zwar visuell super, aber…naja, da würde ich mich jetzt wiederholen.
Wenden wir uns erst einmal den Kämpfen zu. Hellblade II wirft uns an einigen Stellen in relativ einfache 1-vs.-1-Kämpfe, in denen wir ausweichen, parieren oder zuschlagen können. Obwohl Ninja Theory das Kampfsystem ein Stück weit verändert hat, bleibt es weiterhin sehr simpel. Angriffe und Verteidigung sind deutlich signalisiert, auch wenn deren Reaktionsfenster mir nicht gänzlich nachvollziehbar erscheinen.
Dies kann uns aber auch egal sein, denn wir haben ja eine Fokusleiste, die sich mit gelungenen Aktionen füllen kann. Sobald wir genug Fokus gesammelt haben, können wir auf Knopfdruck die Zeit im Kampf verlangsamen. Dies bringt prinzipiell jeden Gegner zur Strecke. Und sollten wir nicht genug gelungene Aktionen aneinanderreihen können, gibt es eine Art letzte Chance, die ebenfalls die Zeit verlangsamt. Wirklich anspruchsvoll werden dadurch die Gefechte nie.
Senua’s Saga weiß nicht, was es sein will
Dasselbe betrifft die kleineren Rätselpassagen von Senua’s Saga. Wie im Erstling gibt es kurze Abschnitte, in denen wir Symbole in der freien Natur erkennen müssen. Um diese zu erreichen, gilt es, kleinere Aufgaben zu erledigen, welche unsere Wahrnehmung beeinflussen. Mal eine Fackel hier, da ein Dimensionswechsel – meiner Ansicht nach leider schon zu oft gesehen und spielerisch kaum ausgebaut. Die Rätsel werden komplexer in ihrer Länge, aber nie in ihrer Schwierigkeit. Sehr schade, denn prinzipiell mag ich solche Perspektiv- und Dimensionsspielereien.

Es ist schwer, einem Spiel wie dem ersten Hellblade ein Sequel folgen zu lassen. Aber sicher nicht unmöglich. Was allerdings Senua’s Saga: Hellblade II anbelangt, ist schwer begreiflich, was genau das Spiel eigentlich sein will. Wir haben cineastische Cutscenes, die bombastisch aussehen, aber kaum in Erinnerung bleiben. Wir folgen langen, narrativen Pfaden mit vielen Dia- und Monologen, die über wenig Inhalt verfügen. Kämpfe sehen brachial und wuchtig aus, Rätsel haben nette Ideen, aber in den wenigen Spielstunden geht es kaum tiefer hinein.
Alle Tiefgründigkeit des ersten Teils wurde gegen vereinzelte Sequenzen ausgetauscht und somit der Psycho-Horror drastisch reduziert, obwohl es gerade akustisch die besten Bedingungen hätte. So bleibt am Ende ein Spiel übrig, das zwischen allen Stühlen gleichzeitig schwebt und sich trotz kurzer Dauer gestreckt anfühlt. Senua’s Saga: Hellblade II ist somit ein Nachfolger, den es leider gar nicht gebraucht hätte, weil viel Budget und Potenzial für eine leere Hülle verschwendet wurde.
Mich meinen Ängsten auf Xbox Series X gestellt.