The Great Ace Attorney Chronicles (Review)

Seit dem ersten Ace Attorney-Spiel auf dem Nintendo DS bin ich ein großer Fan der Reihe rund um Phoenix Wright und Co. Entsprechend traurig war ich darüber, dass uns die Prequel-Duologie um den Great Ace Attorney aus dem Japan des frühen 20. Jahrhunderts vorenthalten geblieben ist. Auf der Nintendo Switch hat Naruhudo allerdings eine zweite Chance erhalten und tatsächlich eine englische Übersetzung – und in den USA sogar eine physische Veröffentlichung – spendiert bekommen. In einer Sammlung gleich beider Teile und aller Downloadinhalte bietet das Spiel das komplette Paket um den Great Ace Attorney.

Wenngleich die beiden Great Ace Attorney-Spiele ursprünglich als separate Spiele erschienen sind, ist es sinnvoll, die beiden Titel wie ein einzelnes Spiel zu behandeln, denn nicht nur, dass sie spielerisch exakt das gleiche System nutzen und sich auch in Präsentation und Charakteren kaum unterscheiden, sie erzählen auch eine einzelne zusammenhängende Geschichte. Wer seinerzeit nur den ersten Great Ace Attorney-Teil gespielt hat, musste auf die Auflösung der vielen offenen Fäden des ersten Teils warten. Umgekehrt ist der zweite Teil ohne Kenntnis des ersten Teils ein wenig verwirrend und viele Rückbezüge gehen dem Spieler leicht durch, so dass gerade die verwobenen Konstellationen der letzten beiden Fälle in Great Ace Attorney 2 ohne Kenntnis des Erstlings schwer nachvollziehbar sein dürften.

In Great Ace Attorney schlüpft man in die Rolle des jungen Jura-Studnten Ryusuke Naruhudo, der zu Beginn in einer brenzlichen Lage ist: Ihm wird der Mord an einem angesehenen Medizinprofessor zur Last gelegt, der aus Großbritannien zu Besuch war. Zu allem Überfluss fällt dieser Mord in eine turbulente diplomatische Zeit, da Japan und Großbritannien zu dieser Zeit eine engere diplomatische Beziehung, gerade in Hinsicht auf den Austausch juristischer Praktiken, aufbauen. Da kommt der Mord zur Unzeit und entsprechend schwierig fällt Naruhudo seine Verteidigung in Zusammenhang mit seinem Freund Asogi – ebenfalls Jurastudent. Am Ende geht in dieser ersten Verhandlung natürlich alles gut – sonst wäre das Spiel auch schnell vorbei – und schon bald findet Naruhudo sich in Großbritannien als Austauschstudent wieder, der auf Grund ungewöhnlicher Umstände sogar gleich als Strafverteidiger zugelassen wird. Zusammen mit dem neu gewonnen Freund Herlock Sholmes geht Naruhudo zahlreichen Morden auf den Grund und verteidigt energisch seine Klienten vor in aller Regel ungerechtfertigten Mordvorwürfen.

Spielerisch teilt sich The Great Ace Attorney in zwei Phasen, die sich je nach Fall, den man spielt, abwechseln. Manche Fälle bestehen allerdings nur aus einer dieser Phasen. Die Rede ist von Ermittlung und Gerichtsverhandlung. Wer die Ace Attorney-Serie bereits kennt, kann diesen Abschnitt überspringen, da sich an diesem generellen Ablauf nichts geändert hat. Bei der Ermittlung besucht man verschiedene Schauplätze des aktuellen Falls, sucht nach Beweismitteln, indem man wie in einem Point & Click Adventure die Umgebung absucht, spricht mit anderen Personen, um Hinweise zu erhalten und zeigt ggf. Beweise vor, um zusätzliche Aussagen zu erhalten. In der Gerichtsverhandlung nimmt man vornehmlich das Kreuzverhör von Zeugen vor – in diesem Spiel oft mehrerer auf einmal. Diese machen eine mehrteilige Aussage und man kann mit Press mehr Informationen erhalten und durch Vorzeigen eines Beweismittels Widersprüche aufdecken.

Neu in den Great Ace Attorney-Spielen sind im Wesentlichen zwei Elemente. In den Erkundungsphasen gibt es gelegentlich ein Schlussfolgerungsspiel mit Herlock Sholmes, in dem der berühmte Detektiv anhand von Indizien im Raum eine großartige, aber alles andere als präzise Schlussfolgerung über ein Schlüsselereignis trifft. Der Spieler muss dann an markierten Punkten aufzeigen, worauf die vorhandenen Indizien stattdessen hinweisen, in aller Regel in dem man ein verwendetes Indiz gegen ein anderes austauscht. In der Gerichtsverhandlung ist das Jurysystem neu.

Die Jury kann an verschiedenen Punkten im Spiel vorzeitig ein Urteil – in aller Regel zu Ungunsten des eigenen Klienten – treffen und der Verteidiger hat dann vor Ende der Verhandlung noch die Möglichkeit, die Argumentation der Geschworenen zu überprüfen und sie umzustimmen. Hierzu legt jedes Geschworene seine Argumentation offen und der Spieler muss diejenigen Argumente, die einander widersprechen gegeneinanderstellen. Gelegentlich muss hier auch mal ein Beweis vorgezeigt werden oder ein Jury-Mitglied durch die Press-Option zu einer modifizierten Aussage bewogen werden.

Die neuen Spielmechaniken haben mir gut gefallen, leider steht und fällt ein Ace Attorney-Spiel schon stark mit der Geschichte, denn im Kern sind die Spiele Visual Novels. Wenngleich der überspannende Gesamtplot durchaus gelungen ist, bin ich von der Geschichte insgesamt sehr enttäuscht. Viele Fälle, besonders im ersten Teil, sind sehr simpel gestrickt, der typische Humor kommt viel zu kurz und das Pacing ist äußerst unangenehm. Immer wieder werden Informationen ausgiebig wiederholt durchgekaut, selbst die guten Fälle werden immer wieder zwischendurch durch zähe Abschnitte langweilig und trotz meiner Serienaffinität hatte ich bei einigen besonders aufgeblasenen Fällen Schwierigkeiten, wachzubleiben. Das ist mir so in Ace Attorney noch nie passiert und es steht auch im drastischen Kontrast zu den schnellen Schlagabtäuschen in den ersten vier Ace Attorney-Spielen.

Dass der erste Teil des Spiels sehr unbefriedigend ist und auch der zweite Teil erst nach einigen Stunden zu sich findet, macht The Great Ace Attorney Chronicles zu einem schwer zu empfehlenden Spiel. Zwar sind die Charaktere gut gelungen und es gibt einige echt starke Momente in der zweiten Hälfte des zweiten Spiels, dort erst einmal hinzugelangen ist aber richtig Arbeit und in meinen Augen zahlt sich diese nicht ausreichend aus, um sich – außer für die größten Fans der Reihe – zu rechtfertigen. Mit insgesamt 65 Stunden Spielzeit, von denen die ersten 40 Stunden sich wie Kaugummi gezogen haben, ist The Great Ace Attorney definitiv zu lang. Schade, denn mit einem guten Editing und etwa der Hälfte der Spieldauer hätte es ein echt guter Vertreter der Reihe sein können.

Getestet auf Nintendo Switch.