Ebenezer and the Invisible World (Review)

Artwork zu Ebenezer and the Invisible World

Weihnachten ist allgemein als Fest der Liebe bekannt, wo wundersame Dinge geschehen können und Menschen sich zum Besseren wandeln. Die wohl bekannteste Geschichte dieser Art dürfte jeder von uns in irgendeiner Form schon einmal gehört haben. Ob umgeben von fidelen Muppets, in Gestalt eines modernen TV-Magnaten oder ganz klassisch als alter Knacker mit dem Herz am falschen Fleck: Ebenezer Scrooge dürfte den meisten Personen ein Begriff sein. A Christmas Carol von Charles Dickens gehört sicher nicht umsonst zur klassischen Weihnachtsliteratur. Das brasilianische Orbit Studio wagte sich nun daran, die Geschichte des geläuterten Mannes als 2D-Metroidvania weiterzuerzählen. Also auf ins viktorianische London!

Eine Rückkehr zu Ebenezer Scrooge

In Ebenezer and the Invisible World schlüpfen wir in die Rolle des gar nicht so tattrig Mannes, der einst von den drei Geistern der Weihnacht besucht worden ist. Einst ein griesgrämiger Egoist, heute ein herzensguter Mensch, der Geister sehen kann. Eines Tages besucht uns ein ehemaliger Weggefährte von Ebenezer und erbittet uns um Hilfe. Die arbeitende Klasse Londons steht kurz davor, ihre Jobs in der Fabrik und den letzten Rest an Sicherheit zu verlieren. Kurz bevor die Proteste in Gewalt umschlagen können, schreiten wir daher zur Tat und stellen uns den unbarmherzigen Schergen des Fabrikbesitzers entgegen.

Doch wie kann man das Übel an der Wurzel packen? Natürlich ganz klassisch auf Scrooge-Art und den Herren der Fabrik mit dem eigenen Leben konfrontieren! Gemeinsam mit zahlreichen Geistern an unserer Seite machen wir uns daher auf, die Geheimnisse von London und der Familie des Fabrikbesitzers herauszufinden.

Screenshot zu Ebenezer and the Invisible World
Schön ist das Spiel ja

Die Geschichte hat ihren Charme und die Originalstory ist eine nette Blaupause für das Geschehen des Spiels. Allerdings kommt sie auf diese Weise auch ohne echte Höhepunkte und Überraschungen aus, weswegen das Geschehen vor sich dahin plätschert. Besonders schade: Die Figuren haben sehr individuelle Designs, aber ein richtiges Gespür dafür, was für einen Charakter sie haben, bekommt man nur schwer. Im Grunde reden alle gleich mit demselben Ton und anhand der extrem vollen Sprachboxen erkennbar auch sehr ausschweifend. Würde nicht Ebenezer manchmal “Bah, Humbug!” sagen, hätte auch er wenig Individuelles an sich.

Die zahllosen Geister actionreicher Weihnacht

Dabei wäre es sehr einfach, denn das Metroidvania serviert uns eine enorme Palette an individuell gestalteten Geistern. Während wir die Level erkunden, stoßen wir prinzipiell auf drei Arten von Gespenstern, die uns Nebenmissionen mit auf den Weg geben. Erfüllen wir diese, schließen sich die Geister uns an und geben uns ihre Kräfte. Einige sind beispielsweise zwingend erforderlich, um Levelbereiche zu erreichen – sei es via Doppelsprung, Dash oder anderen Fortbewegungsarten. Ich hätte mir hier mehr gewünscht, dass es ein klares Zeichen gibt, welche Geister notwendig sein werden. Aber da die meisten Sidequests bei meinem Durchspielen eh erledigt wurden, erübrigt sich das zumindest für mich persönlich.

Zusätzlich gibt es zahlreiche Geister, die uns ihre Kraft für den Kampf leihen. Normalerweise ist unser Ebenezer eigentlich nur mit einem Gehstock bewaffnet, welcher menschliche und geisterhafte Feinde niederstreckt. Aufwertbar ist dieser nicht, allerdings können wir andere Stöcke mit besonderen Fähigkeiten finden. Kampfgeister gewähren uns eine breite Palette an zusätzlichen Fähigkeiten. Der erwähnte Bekannte vom Beginn zum Beispiel setzt einen leicht schrägen Schwertstreich nach oben ein. Ein Minenarbeiter hat einen schweren Angriff mit seiner Spitzhacke, während eine Falknerin ihre gefährlichen Vögel um uns kreise lässt. Die Menge an unterschiedlichen Geistern ist beachtlich.

Zeitgleich besitzt jeder dieser Geister eine zweite Fähigkeit, die sich bei bestimmten Bedingungen freischaltet (z.B. durch bestimmte Anzahl besiegter Gegner). Das hat mir das Kampfsystem, so basic es im ersten Moment erscheint, sehr abwechslungsreich gestaltet. Erst gegen Ende bin ich auf die eher mächtigeren Fähigkeiten gewechselt, um meine Ziele zu erreichen, da jeder Einsatz meine Geisteskraft erfordert hat. Und dieser lädt sich nur durch Angriffe mit dem Gehstock auf.

Variation und Itemspielereien

Natürlich sind auch die drei Geister, die Ebenezer einst aus der Dunkelheit des Egoismus gerettet haben, mit von der Partie. Diese unterstützen uns bei unserem Abenteuer, indem sie uns jeweils einen zusätzlichen Kindergeist mit passiven Fähigkeiten. Vor allem das Geschenk der zukünftigen Weihnacht erwies sich bei mir als hilfreicher kleiner Geselle. 

Screenshot zu Ebenezer and the Invisible World
Niemand sollte sich uns in den Weg stellen!

Zeitgleich gibt es zahlreiche Items zu entdecken, die in den verschiedenen Arealen von London auf uns warten. Erbstücke beispielsweise geben Ebenezer Scrooge zusätzliche passive Fertigkeiten, die für Kämpfe oder die Erkundung sehr wichtig sein können. Wir können vier Stück davon tragen und erstellen so individuell unser Set an Fähigkeiten, die wichtig für uns sind. Dazu passen selbstverständlich die besonderen Gehstöcke, die uns ebenfalls für die Angriffe besondere Boni geben.

Neben Geld für den einzigen Händler der Stadt und vereinzelten Heilitems lassen Gegner oder versteckte Truhen auch Materialien fallen. Mit diesen können wir bei den ortsansässigen Magiern unser Leben und unsere Geisteskraft aufwerten. Oder wir tauschen sie gegen besondere Erbstücke beim Händler ein. Ebenezer and the Invisible World bietet hier enorm viele Freiheiten und Möglichkeiten. Umso bedauerlicher, dass das Spiel diese Basis nicht allzu gut verwerten kann.

Ein Labyrinth der Geister

London ist nämlich nicht nur eine von Geistern heimgesuchte Stadt, sondern auch eine große dazu. Dies spiegelt sich irgendwie auch im Spiel wider, denn die Map erstreckt sich über sehr weite Strecken. Einzelne Areale bieten sehr viel Raum und Ebenezer ist auf seine alten Tage nicht gerade der schnellste. Fortbewegung durch die Welt ist auf diese Weise zäh und Schnellreisepunkte sind spärlich gesetzt.

Die Bewegungsfähigkeiten unserer Geister sind ebenfalls recht langsam, weswegen auch die vereinzelten Platforming-Sequenzen sich nicht gut anfühlen. Ich finde sie auch prinzipiell nicht schlecht, aber das Verketten unterschiedlicher Fähigkeiten fühlt sich verzögert und hin und wieder sogar nicht existent an. Zum Glück sind solche Sequenzen kurz und nicht allzu anspruchsvoll.

Dasselbe ließe sich auch über vereinzelte Rätsel sagen. Diese sind selten und die Lösung liegt für Videospiel-Veteranen auf der Hand. Im letzten Areal wirken sie zudem nur dazu da, um die Zeit ein wenig zu strecken. Bei gerade einmal acht Stunden auf meiner Uhr eine beachtliche Tat, wie ich finde.

Ebenezer, der Ghostbuster Londons!

Ebenezer and the Invisible World fokussiert sich sowieso mehr auf die Kämpfe, wobei ich vor allem das Bossdesign lobend hervorheben würde. Es sind hier keine großen Herausforderungen oder Innovationen zu erwarten, aber sie machten durchweg Spaß. Dies kann ich über das Standardgegner-Design nicht uneingeschränkt sagen. Etliche Gegnertypen sind lediglich leicht optimierte Versionen von vorherigen, zudem gehen diese mit wenigen Schlägen auf die Bretter. Kreative Ideen sind relativ schnell eingebunden, wodurch sich das Spiel leider zuweilen monoton und repetitiv spielt.

Screenshot zu Ebenezer and the Invisible World

Wirklich schwer wird Ebenezer zudem nie von seinem Design selbst her betrachtet. Geisterfähigkeiten machen viele Kämpfe gegen Standardgegner simpel und das Aufladen mit Gehstock geht dementsprechend schnell. Lediglich die langen Wege zwischen den Speicherpunkten sowie der kleine Blickbereich (großer Zoom-Out sowie zu kleines Interface) sorgen dafür, dass die Konzentration hoch bleiben muss. Oder sich Frust einstellt, weil man wieder einmal nicht darauf geachtet hat, wie der eigene Gesundheitszustand eigentlich ist. Ich vermute auch, dass gegnerische Treffer stellenweise nicht sehr konstant von ihrem Damage sind, aber wirklich nachweisen konnte ich es für mich nicht. Es fühlt sich zumindest nicht gänzlich rund an, wenn ich mehr Leben habe, aber im Grunde immer noch in derselben Geschwindigkeit sterben kann.

Technische Makel

Zur Technik des Spiels möchte ich gesondert noch ein paar Worte verlieren: Wenn ich auf andere Reviews des Titels schaue, wird von zahlreichen Bugs, Abstürzen und anderen Katastrophen berichtet. Ich habe auf Steam Deck nichts Gravierendes bemerkt, die Kritiken dürften sich wahrscheinlich vor allem auf Konsolenversionen beziehen. Zweimal in der gesamten Spielzeit stotterte es heftiger, ansonsten blieb das Spiel rund und es gab keinerlei Probleme. Lediglich der “Exit zum Titelbildschirm” in den Optionen war ein Witz, funktionierte nämlich gar nicht. Und die viel zu kleine Schrift war zusätzlich schwer lesbar, weil die Schriftart um jeden Buchstaben ein schwaches Quadrat gezogen hat. Das hatte ich zuletzt bei Ashwalkers und wirkt nicht allzu gut getestet.

Am Ende steht hinter Ebenezer and the Invisible World aber ein solides Spiel, was mir Spaß gemacht hat. Technische Kleinigkeiten treten beiseite über die Fülle an Optionen, die sich Orbit Studio gerade im Bereich der Geisterfähigkeiten hat einfallen lassen. Schade ist nur, dass diese vielfältigen Optionen in Narrative und Gameplay kaum wirklich zur Geltung kommen – seien es die Charaktere und deren Quests oder die viel zu langen Wege zwischen den Gebieten Londons. Genrefans dürften auf jeden Fall einen Blick riskieren und vielleicht geschieht ein kleines Weihnachtswunder und ihr entdeckt vielleicht eine kleine Indie-Perle ganz für euch. Alle anderen dürften einen soliden Titel entdecken, der hinter seinen Möglichkeiten bleibt und kleinere Mätzchen macht.

Weihnachtliche Wunder auf Steam Deck bewirkt! Ein herzlicher Dank geht an Orbit Studio für die Bereitstellung eines Mustercodes.