Another Fisherman’s Tale (Review)

Artwork zu Another Fisherman's Tale

PlayStation VR 2 macht mir Bauchschmerzen. Nicht wegen der unzähligen Motion Sickness-Einlagen oder dem abgrundtiefen Loch, den es in meine Finanzen gerissen hat. Sondern weil ich noch weitaus schlimmer als bei der Vorgängergeneration Virtual Reality von Sonys Gnaden nicht hinreichend unterstützt sehe. Und dies ist so unfassbar schade, denn mein direkter Vergleich kürzlich zwischen den nun erhältlichen Beat Saber-Varianten zeugt davon, wie viel besser PSVR2 ist. Müssen es nun mal wieder die Indies richten! Mit Another Fisherman’s Tale tauchte ich daher die letzten Wochen ab und habe nicht nur die legendäre Stadt Libertalia gesucht, sondern auch das Potenzial des kleinen Adventure-Puzzlers als VR-Geheimtipp ausgekundschaftet.

Another Fisherman’s Tale und der etwas andere Seemannsgarn

Libertalia, war da nicht was? Ach Ja, als alter Uncharted-Haudegen kenn ich natürlich die sagenumwobene Stadt der Freiheit. In Another Fisherman’s Tale gehen wir allerdings nicht direkt auf die Suche nach dieser Zuflucht, sondern lauschen den Worten des Schatzsuchers Bob. Wir schlüpfen dabei in die Rolle seines imaginären Alter Egos, welches während der knapp drei Stunden Puzzle, Abenteuer und Seemannsgarn zu überstehen hat.

Denn selbstverständlich ist nicht alles, was uns Bob erzählt, der Wahrheit entsprechend. Übertreibungen noch und nöcher, sowie zahlreiche Ausschweifungen sollen der kleinen Nina, in deren Perspektive wir ab und an eintauchen dürfen, das Abenteuer schmackhaft machen. Die Geschichte, die sich auf diesen beiden Ebenen über den Verlauf des Spiels entfaltet, ist recht sympathisch und versucht mit einer emotionalen Ebene zu punkten. Da diese mir allerdings oftmals zu offensichtlich war, verlor die Narrative in meinen Augen an Wucht.

Screenshot aus Another Fisherman's Tale
Ich bin der beste Kranführer der sieben Weltmeere!

Aber was für eine Wucht kann man schon erwarten, wenn ein von der rauen See erschütterter Pirat…ähh…Fischersmann in seinen Erinnerungen als Holzpuppe Hände wechseln kann? Und dabei sogar den Kopf verliert!?

Nette Puzzle, wieder und wieder…

Dies ist nämlich der spielerische Twist hinter Another Fisherman’s Tale. Bob überwindet in seinen Erzählungen Gefangenschaft oder andere Herausforderungen darin, in dem er seinen Verstand gebraucht. Aus der Egoperspektive heraus erforschen wir die kleinen Levelabschnitte nach Items, Ersatzhänden und anderen Möglichkeiten, um mit der Umgebung zu interagieren. 

Diese Rätsel sind nett und benötigen hin und wieder ein gutes Auge, damit wir es lösen können. Sehr toll fand ich einen Abschnitt, in dem ich die Hände einer feindlichen Piratenbande sammeln musste. Nur so ließ sich eine Tür öffnen und ich musste durch Texte und Bilder “entziffern”, bei welcher schlafenden Person sich um welches Crewmitglied handelt. Sehr organisches Puzzledesign, wie ich finde.

Doch diese in die Umwelt integrierte Puzzle sind eher die Ausnahme. Oftmals sind es Schalter oder herumliegende Gegenstände, die wir korrekt bedienen müssen. Die unterschiedlichen Handformen werden nur selten wirklich gut genutzt, lediglich der Enterhaken findet oftmals in intensiver Form Verwendung. 

Bewegtbild mit Szenen aus Another Fisherman's Tale

Und so wechseln sich sehr gute und kreative Puzzle, stellenweise sehr psychedelisch gerade gegen Ende, mit eher oberflächlichen Herausforderungen ab. Der Kniff, seinen Kopf abzuwerfen und dabei den eigenen Körper steuern zu können, wird nur selten gut genutzt. Und ein anderer Rätseltypus, in dem wir unsere Hände in schwer erreichbaren Abschnitten aus der Ferne steuern, haben mich bereits bei der ersten Wiederholung leicht angeödet. 

Die Reling ist zum Glück in Another Fisherman’s Tale ganz nah…

Und doch, in der Summe für sich betrachtet, wäre Another Fisherman’s Tale ein lohnendes, kleines VR-Abenteuer. Es gibt allerdings ein großes “aber”. Another Fisherman’s Tale war wahrscheinlich für mich das bisher anstrengendste Spiel in der virtuellen Realität.

Sehr oft fand ich mich in den Optionen des Spiels wieder, um meine Play Area anzupassen. Sitzmodus, Bewegung zwischen Teleport und Freeform wechseln und andere Möglichkeiten, das Spielgefühl zu optimieren. Es war keine richtige Motion Sickness, die sich einsetzte, nur ein immer wieder aufglimmendes Unwohlsein. Eine Änderung verbesserte es oftmals für eine Weile, doch dann war da wieder ein Levelabschnitt, in dem diese Form nicht so praktisch war.

Zeitgleich waren die Erkennung von den Controllern sowie meiner Augenbewegungen ein Graus. Ließ ich meine Hände in den Leveln auf Wanderschaft gehen, verdrehte ich mir oftmals das Handgelenk, um die korrekten Positionen zu finden und es anschließend doch genervt auf anderem Wege zu versuchen. Zeitgleich veränderten Objekte in meinem peripheren Sichtfeld immer wieder die Texturen. 

Der Grund ist logisch: schwache Texturen verbrauchen weniger Speicher für das Spiel und können daher, sofern unser Fokus woanders liegt, im Gegensatz zu optimierten Texturen präferiert werden. Der Wechsel dieser Texturen geschieht allerdings ständig in einem viel zu engen Sichtfeld, weswegen meine Augen automatisch zu dieser “Bewegung” hin wanderten. Dann wechselte die Textur erneut, weil dann mein Fokus auf ihr liegt…und der stete Wechsel tat sein Übriges für mein Wohlbefinden.

Zuletzt noch eine andere Anekdote von PlayStation VR 2, die allerdings auch an meiner Ausstattung zuhause liegen könnte. Dies muss demnach kein Problem von Another Fisherman’s Tale sein. Da ich dies allerdings bei noch keinem anderen VR-Titel so mitbekommen habe, liegt der Verdacht nahe. Im letzten Kapitel erkannte mein Headset die Play Area nicht mehr, die ich vor jedem Spiel neu justiere. Dies würde eigentlich eintreten, wenn sich die Lichtverhältnisse zu stark ändern – was aber nicht der Fall war. Stattdessen gab es oftmals Situationen, in denen ich im Spiel den Blick senken und “an meinem Körper herab” schauen musste. Another Fisherman’s Tale forciert hier scheinbar Situationen, in denen nicht alle Kameras von PSVR2 lupenrein funktionieren. Keine schöne Situation.

Eine kleine Indieperle mit Macken

Ich möchte Another Fisherman’s Tale gerne lieb haben. Das Sequel des bereits 2019 veröffentlichten und von vielen gelobten A Fisherman’s Tale hat narrativ das Herz am rechten Fleck. Spielerisch gibt es einige nette Ideen, die sich allerdings nur selten richtig komplex gestalten. Und einige Momente und Levelabschnitte haben mich visuell richtig beeindruckt, der Fantasie und Verwirrung des erzählenden Bob sei Dank. 

Doch dann gibt es immer wieder Augenblicke, die mich körperlich enorm beansprucht haben. Die zahlreichen Texturwechsel in meinem Sichtfeld sowie die oftmals ungenügende Erkennung meiner Handposition haben mich sehr geschlaucht. Another Fisherman’s Tale hat (ich betone dies deutlich!) mir auf diesem Wege keine gute VR-Erfahrung beschert. So trübt sich der insgesamt doch eher positive Eindruck und PSVR2 wartet noch immer in diesem Jahr auf ein eindrucksvolles Abenteuer, welches ich in der Form nur hier genießen kann. Außer Spiele, die bereits auf PSVR verfügbar waren.

Libertalia auf PlayStation 5 via PlayStation VR 2 gesucht (aber auch gefunden?). Ein herzlicher Dank geht an Inner Space für die Bereitstellung des Mustercodes!