Splinter Cell: Conviction (Review)

Artwork zu Splinter Cell: Conviction

Die letzten Jahre waren als Fan vereinzelter Marken aus dem Hause Ubisoft nicht leicht. Prince of Persia – gemeuchelt von gläubigen Assassinen. Beyond Good and Evil – macht sich zum Affen. Und Splinter Cell? Wie bei vielen verloren geglaubten Franchises rufen auch hier jedes Jahr zahlreiche Fans nach einem neuen Ableger. Der letzte Teil ist bereits neun Jahre her und seitdem gab es nur kurze Stell-dich-eins bei diversen anderen Spielen. Und ein VR-Erlebnis für Einkaufszentren. Jubel, Trubel, Heiterkeit, sag ich da als Fan. Doch anstatt jedes Jahr wiederholt zu jammern, dass es keinen neuen Ableger der Reihe geben wird (das angekündigte Remake von Teil 1 zähle ich nicht), galt es erstmal einen blinden Fleck zu begutachten: Splinter Cell: Conviction. Jetzt habe ich zumindest Gewissheit, warum ich es zwölf Jahre vor mir herschob.

Ein etwas anderes Splinter Cell

2010 war ein grandioses Jahr für Videospiel-Fans und es war für jeden etwas dabei. Für das Splinter Cell-Franchise und Sam Fisher war es allerdings keine gute Zeit. Vier Jahre sind vergangen seit dem letzten Ableger Double Agent und nach der sehr starken Trilogie zuvor war dieser Ableger…enttäuschend. Viel enttäuschender war für mich damals aber letztendlich die Nachricht, dass Conviction ein Konsolen-exklusiver Titel der Xbox 360 werden würde. PC war aufgrund schwacher Hardware keine Alternative und eine Konsole für ein Spiel? Ich war doch nicht Krösus! Dabei erzählt Conviction die Handlung von Double Agent beinahe nahtlos fort (SPOILER-Warnung also vorab). 

Nach dem Tod seines Freundes und Vorgesetzten Lambert trennt sich Sam Fisher von Third Echelon und wird fortan als Verräter gejagt. Doch die Vergangenheit holt uns alle irgendwann ein und ein Geist wie Sam Fisher stellt da keine Ausnahme dar. Eines ruhigen Tages tapsen wir unserem alten Arbeitgeber in die Falle und werden verstrickt in eine komplett neue Verschwörung, die den Umsturz der amerikanischen Regierung zur Folge hätte. Und nicht nur das, auch unsere persönlichen Dämonen bitten noch einmal zum Tanz.

Screenshot aus Splinter Cell: Conviction
Bitte, nimm das nicht so wörtlich, Sam!

Die Story von Splinter Cell: Conviction ist simpel, funktioniert aber großteils als Fortsetzung. Mit den Vorgängern im Hinterkopf entpuppen sich allerdings ein paar Probleme: Conviction fährt deutlich zweigleisig.

Der nicht ganz so typische Held

Die Ursprungstrilogie bestand großteils aus abgeschlossenen Handlungen rund um Krieg, Politik und vielleicht ein wenig Verrat und Ränkespiel in den eigenen Reihen. Die Geschichten gewannen ihre Komplexität aufgrund der Umstände und als Sam Fisher waren wir vor allem “dienstlich” involviert. Double Agent weichte dies dann auf, indem es Sam Fisher mit dem Verlust seiner Tochter charakterlich forderte und die persönliche Komponente eine zusätzliche Schicht auf der eigentlichen Spionage-Handlung bildete. 

Conviction hingegen betrachtet beide Plotlines parallel zueinander. Sams Motivation über den Großteil der Handlung wird nicht aufgrund eines moralischen Ehrgefühls “Typisch Held” genährt, sondern weil ihm parallel dazu Geheimnisse über das Ableben seiner Tochter als Belohnung versprochen werden. Beide Plotlines kollidieren nur selten miteinander und ohne Frage – wenn sie es denn tun, sind das die stärksten narrativen Momente des Spiels. Aber der “politische” Teil der Handlung ist sehr eindimensional und kann eigentlich auf keiner Linie überzeugen. Schade, denn Splinter Cell: Conviction ist stellenweise recht gut inszeniert.

Abkehr von den Traditionen

Doch für seine Story stand Splinter Cell: Conviction nicht in der Kritik. Und für seine Konsolen-Exklusivität auch nicht, auch wenn mein Vergangenheits-Ich das gerne so gewollt hätte. Viel Kritik gab es damals an der neuen, action-orientierten Ausrichtung des Franchise. Jetzt nachdem ich es gespielt habe, bin ich mir allerdings sicher, dass es nicht die Neuorientierung ist, die mich stört. Sondern die Art und Weise, wie die Veränderung das Spiel beeinflusst.

Ich habe vor einigen Jahren im mittlerweile verblichenen Universe eine Review zu Blacklist veröffentlicht. Der 2013 erschienene Nachfolger zu Conviction hat mich auf ganzer Linie vor allem wegen seiner “außergewöhnlich offen gestalteten, linearen Level” begeistern können, die Action und Stealth zugleich ermöglicht haben. (Ein Hoch auf eitle Menschen, die ihre eigenen Texte speichern und archivieren!) Und ich denke, hier liegt der Schlüssel zum größten Gameplay-Problem von Splinter Cell: Conviction. Dem 360-Teil ist es nämlich kaum gelungen diese beiden Aspekte miteinander in Einklang zu bringen.

Screenshot aus Splinter Cell: Conviction
Conviction ist ein Kind seiner Zeit

Splinter Cell: Conviction hat zahlreiche Gameplay-Entscheidungen getroffen, um Stealth einzudämmen und Action zu fördern. Ich würde sogar behaupten, dass ohne diesen Ausrutscher hier Blacklist niemals so gut geworden wäre, da aus offensichtlichen Fehlern gelernt worden ist.

Am meisten fiel mir dies beim Leveldesign auf. Die ersten vier Titel hatten mehr oder weniger streng lineare Abschnitte, in denen wir unser Arsenal und unsere Fertigkeiten optimal und kreativ einsetzen müssen, um heimlich an Gegnern vorbeizukommen. Conviction ist da schon offener, wirkt aber aufgrund von Gegnerplatzierung, Covermöglichkeiten und Verstecken eher wie eine Arena. Den Vogel schoss hier in einem späteren Level eine Stelle ab, an der ich ohne offene Konfrontation nicht vorbeikommen kann und zugleich Zivilisten in Gefahr bringen muss. Dies fühlte sich für mich enorm fremd an.

Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon…

Und so betreten wir die meisten Arenen durch einen Levelschlauch, der von einer Arena gefolgt wird, der wiederum in einem Schlauch mündet. Offene Bereiche wie das Mansion zu Beginn sind selten. Hier speziell war es letztlich die Ausrüstung, die Stealth weitestgehend erschwerte. Oftmals war es zudem so, dass ich eine Arena betrat und ein Gegner zum Stealthen so gut positioniert war, dass sich sofort meine Leiste für den speziellen Action-Move aufgeladen hat. Hierbei markiere ich Gegner und erledige diese in Slowmotion mit einem Schuss. Diese Fähigkeit gab es später in Blacklist ebenfalls, aber dort fand ich sie nicht so extrem hergeschenkt wie hier.

Einige Arenen werden auf diese Weise banal. Diejenigen, die es nicht werden, wirken anschließend wie ein herkömmlicher Cover-Shooter – Welle um Welle. Heimlichkeit stand in Splinter Cell eigentlich stets an erster Stelle, doch lediglich ein einziges, sehr kurzes Level bestand darauf, dass wir nicht erkannt werden. Ein Hauch von Splinter Cell in Conviction.

Screenshot aus Splinter Cell: Conviction

Leider ist dies die Ausnahme. Die Regel bietet vielmehr offene Gefechten. Unser “Stealth” besteht oftmals darin in den komplexen Cover-Arenen aus dem Blickfeld zu verschwinden und somit die Gegner vorzeitig zu verwirren. Unsere Ausrüstung, die wir mit Punkten aus Herausforderungen aufwerten können, ist zwar vielfältig, aber ermöglicht uns ebenfalls vermehrt rabiate Methoden. Live free or die hard – schon erstaunlich, wie aus dem schleichenden Patrioten Sam Fisher eine reine Tötungsmaschine zwischen Double Agent und Conviction wurde.

An der Stelle könnte das Argument tragen, dass die Herausforderungen greifen. Einige erfordern von uns zum Beispiel “Drei Kills von oben” oder ähnliche auf Stealth ausgelegte Optionen. Doch was bringt mir eine künstliche Motivation, um eine Zahl in der Statistik zu erhöhen, wenn das Spiel aufgrund seines Leveldesigns und Gameplays dies kaum bis gar nicht unterstützt? Auch hier wirkt Conviction wie ein rudimentärer Prototyp zu Blacklist.

Der ganz „besondere“ Flair

Splinter Cell war immer ein sehr dunkles Spiel. Dies ist auch kein Wunder, denn wir spielen einen Schatten, der im Auftrag der Regierung eingreift. Ich glaube, Lambert nannte uns im ersten Teil eine “graue Eminenz der Weltgeschichte”, aber dieses Zitat kann auch später gefallen sein. Im Gameplay hat sich das darin ausgeprägt, dass viele Level von Dunkelheiten und schwachen Lichtquellen dominiert waren. Die ikonische Brille von Sam Fisher bot hier einen Vorteil, da wir mit ihr Licht ins Dunkle bringen konnten oder Hitzequellen sowie elektromagnetische Felder ausspähen können. Licht und Schatten waren immens wichtige Gameplay-Elemente, die sehr viel von der Atmosphäre der Spiele ausmachten. 

Conviction hingegen – wie drücke ich es am besten aus? Ach, die Überschrift hier reicht eigentlich. Ubisoft entschied sich das System aus Licht und Schatten stark zu vereinfachen. Nun gibt es nicht mehr Signale oder Sensoren, die uns mitteilen, dass wir in Sicherheit sind. Jetzt wird der Bildschirm grau. Der gesamte Bildschirm färbt sich grau-schwarz, wenn wir dem Spiel zufolge “unsichtbar” sind. Dies raubt enorm viel von der optischen und spielerischen Komponente aus den vorangegangenen Teilen. Nur wenn wir entdeckt worden sind oder im Licht färbt sich der Bildschirm wieder farbig.

Diese Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen und ich bin erstaunt, dass Blacklist dies ebenfalls wieder rückgängig gemacht hat. Ich hätte es verstehen können, wenn Conviction hier einen Film Noir-Stil zu imitieren versucht…aber davon ist das Spiel inszenatorisch und narrativ weit entfernt. Wenigstens die auf Häuserwände projizierten Missionsaufgaben bieten ein wenig Flair.

Das schwarze Schaf der Splinter Cell-Familie

Der kurze Ausflug in den blinden Fleck einer meiner Lieblingsmarken war lehrreich. Ich würde nicht in den Tenor einstimmen, dass sich hinter Splinter Cell: Conviction eine Gurke schlechthin verbirgt. Problem ist hier eher, dass eine populäre Designphilosophie dieser Zeit (Action-orientierte Cover-Shooter) auf ein bereits existierendes und funktionierendes Spielprinzip gepresst wurde. Beide Ideen stehen im Widerstreit miteinander und Action hat hier und da die lautere Stimme. Aber keine Idee kann sich in Conviction wirklich entfalten.

Und dies ist dann auch der Knackpunkt: Selbst wenn es kein Splinter Cell wäre sondern ein vollkommen anderes Franchise, würde Conviction kein gutes Spiel sein. Ein recht spaßiges und solides, wenn man Cover-Shooter mag, aber weit von anderen Vertretern dieses Genres entfernt. Und Stealth? Diese Fahne trägt Conviction nicht mehr vor sich her. Ich würde nicht sagen, dass mich Conviction enttäuscht hat. Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich das Endergebnis 12 Jahre nach Release nicht irgendwie doch überrascht hat. Leider nicht allzu positiv.

Gespielt auf Xbox Series X via Abwärtskompatibilität. Multiplayer habe ich nicht gespielt.