INDUSTRIA (Review)

Der storybasierte First-Person-Shooter INDUSTRIA erschien im letzten Jahr auf PC. Nun ist er auch für PlayStation 5 und Xbox Series erhältlich. Ich habe die Gelegenheit genutzt, in eine alternative Realität einzutauchen, die ihren Ausgang in Berlin zur Zeit des Mauerfalls nimmt.

Eine Zeit des Wandels

Erinnert ihr euch noch daran, was ihr am Abend des 9. Novembers 1989 getan habt? Ich selbst bin ein paar Jahre zu jung dafür. Jedoch scheint die Art, auf die Nora Sohlheim von den Ereignissen erfährt, eine sehr übliche Erfahrung zu sein. Von den Details natürlich abgesehen.

Erschöpft von der Arbeit, schläft Nora auf dem Sofa, bis ihr Kollege und Freund Walter sie anruft, sie solle den Fernseher einschalten. Sie reden kurz über die Ereignisse, doch dann teilt Walter ihr mit, ein geheimes Forschungsprojekt namens ATLAS aufhalten zu wollen.

Natürlich folgt Nora ihm. Auch wenn ich mir ein wenig Zeit gelassen habe.

Ich konnte nichts in die Toilette werfen, aber in den Eimer.

Der Fernseher läuft noch immer, ein deutscher Sprecher verkündet den Mauerfall, im Radio läuft ebenfalls ein deutschsprachiges Programm. Auch viele Aufdrucke auf Dosen und dergleichen sind deutsch. Die allgemeine Sprachausgabe dagegen ist Englisch. Außerdem habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, Unordnung zu verursachen. Geradezu lächerlich viele Gegenstände kann Nora in die Hand nehmen, also habe ich das getan. Das ordentliche Wegräumen war allerdings nicht so einfach für mich. Anschließend bin ich über einen sehr vertraut wirkenden Boden das Treppenhaus hinabgestiegen.

Draußen fährt ein Auto der Staatssicherheit vorbei, aber das beunruhigt nur ein wenig. Ich bringe Nora zur Forschungseinrichtung und nehme jede Tastatur in die Hand (erstaunlicherweise sind die schon kabellos). Weil ich schon wusste, dass mich ein Ortswechsel erwarten würde, habe ich versucht, eine Tastatur mitzunehmen. Doch eine simple Leiter verhinderte mein Vorhaben, also musste ich die Tastatur bedauerlicherweise zurücklassen. Ich habe sie dafür auch besonders liebevoll auf den Boden fallen gelassen.

Nora verfolgt also ihren Geliebten und landet schließlich in einer anderen Welt.

Es sieht aus, als hätte ich dort mal gewesen sein können.

Im Grunde gibt es drei verschiedene Orte, an denen Nora in INDUSTRIA landet. Eine Bibliothek, ein Theater und Hakavik samt Umgebung. Körperlose stimmen begleiten sie in der Bibliothek, im Theater beobachtet sie ein reduziertes Stück. Alles ist in Grautönen gehalten und surreal.

Hakavik dagegen ist eine postapokalyptische Stadt, in der Gebäude verfallen sind und die Natur schon wieder ihren Platz in Anspruch nimmt. In Gebäuden ist es düster, doch draußen scheint mitunter die Sonne und es könnte fast friedlich sein.

Wären da nicht die Roboter.

Na ja, und die unübersehbar großen Maschinen, die ein wenig verstörend wirken.

Eine fremde Welt

Während Nora versucht, zu verstehen, an welchem Ort sie gelandet und wohin Walter verschwunden ist, tauchen die ersten Roboter auf. Nora kann sich noch nicht besonders gut wehren, doch glücklicherweise ist ein alter Mann in der Nähe und vernichtet die Roboter. Er rät ihr, von diesem Ort zu verschwinden.

Ein paar Rätsel später ist Nora endlich an der frischen Luft, nun auch bewaffnet. Neben einer Axt findet sie im Spielverlauf vier Schusswaffen, die sich alle deutlich unterschiedlich anfühlen. Der erste Roboter im gleißenden Sonnenschein verursacht bei mir einen Spielabsturz, aber der letzte Speicherpunkt liegt nicht lange zurück. Jedoch sollte das nicht der einzige Neustart des Spiels sein, und jedes Mal bekam ich die Info, Nora habe eine Axt erhalten. Aber sie hatte dann doch nur eine in ihrem Inventar.

Vielleicht hat dieser Screenshot den Absturz verursacht.

Auf der Suche nach Walter erkundet Nora also Hakavik. Die Wege sind vorwiegend linear, hin und wieder gibt es Abzweigungen, die aber meistens nur in leere Räume führen. An einer Stelle gelangt Nora in einen Keller, in dem zwar neue Munition versteckt ist, doch auch Roboter. Also hätte ich mir den Weg sparen können. Außerdem ist die Leistung ihrer Taschenlampe beschränkt, was meinem Erkundungsdrang ebenfalls etwas entgegen stand. Insgesamt sind Batterien und Munition jedoch großzügig verteilt.

Verteilte Dokumente und der alte Mann, mit dem Nora über Funk in Kontakt steht, erzählen von den Geschehnissen, die Hakavik in diesen desolaten Zustand befördert haben. Ein paar Dialogzeilen und Texte sind allerdings trotz auf Deutsch eingestellter Spielsprache in Englisch gehalten.

Immer wieder trifft Nora auf Roboter. Diese verhalten sich unterschiedlich, aber meistens reicht es natürlich aus, genügend Schüsse auf sie abzufeuern, um ihnen beizukommen. Oder im Notfall die Axt zu benutzen.

Das Shooter-Gameplay funktioniert gut, auch wenn mir manchmal das Trefferfeedback fehlt. Doch mit ausreichend Patronen im Magazin ist das kein besonders großes Problem. Den meisten Spaß hatte ich mit dem Maschinengewehr und als Scharfschützin. Die normale Pistole kam aber auch oft zum Einsatz, besonders innerhalb von Wohngebäuden.

Kaum zu übersehen.
Softlock City

In einem Abschnitt von INDUSTRIA gibt es einen Speicherpunkt. Im Normalen Modus sind diese nicht sehr wichtig, doch im Hardcore-Modus bieten die Schreibmaschinen die einzige Speichermöglichkeit.

Im Speicherraum befindet sich ein Hebel, mit dem Nora Tore in der Nähe öffnet. In der anschließenden Halle tummeln sich Massen von Maschinengegnern, die Nora irgendwann töteten. Also habe ich den letzten Speicherstand geladen, konnte allerdings mit dem Hebel nicht mehr interagieren. Die Tore waren und blieben verschlossen. Ich musste den letzten automatischen Speicherpunkt laden, der immerhin nicht weit zurückliegt.

Später ist mir gelungen, so zu speichern, dass ich weiter vorankommen konnte. Allerdings brach anschließend die Framerate bei jedem Neuladen massiv ein, so dass ich das Spiel mehrfach schließen und öffnen musste. Davon abgesehen ist die Framerate stabil. Allerdings tauchen immer wieder flackernde Lichteffekte am Bildrand auf, die doch ein wenig unangenehm sind.

Die Bibliothek. Dort geht es tief hinab.
Ein gehetztes Finale

In 2-4 Stunden ist INDUSTRIA durchgespielt. Shooter-Abschnitte wechseln sich mit Laufpassagen ab, zwischendurch gibt es Rätsel. Hakavik ist sehr eindrücklich gestaltet, die Zerstörung einer einstmals blühenden Stadt deutlich. Die Surrealität tritt hier meist in den Hintergrund, verschwindet aber nie ganz. Stärker ist die Atmosphäre in Bibliothek und Theater, die aber wie losgelöst wirken.

Das Finale ist ein langer Monolog, der nicht viele Überraschungen bereithält. Dann ist das Spiel vorbei. Gerade dann, als Nora und ich noch etwas mehr erfahren wollten. Um die Welt, in der wir fast drei Stunden verbracht haben, besser zu verstehen. Im Grunde ist das der Moment, in dem die Story gerade Fahrt aufnehmen könnte. Stattdessen läuft der Abspann.

Zurück in Deutschland

Mit INDUSTRIA hat das in Deutschland befindliche Entwicklerteam von Bleakmill einen First-Person-Shooter erschaffen, dessen Fokus besonders auf der Story liegt. Schon die Prämisse wirkt surreal, Hakaviks Worldbuilding ist eindrücklich. Das Shooter-Gameplay ist simpel, spaßig und überraschend abwechslungsreich. Der alte Mann ist mir ans Herz gewachsen. Ich hätte gern mehr über sein Leben erfahren.

Doch die Anzahl an technischen Problemen bei der kurzen Spielzeit ist zu hoch. Zudem ist die nicht überall vorhandene deutsche Übersetzung unsauber.

Außerdem lässt mich das abrupte Finale unzufrieden zurück. Bis dahin war ich gut unterhalten.

Aufgrund der technischen Einschränkungen und des gehetzten Storyfinales kann ich nur eine eingeschränkte Empfehlung für INDUSTRIA aussprechen. Denn abseits davon würde sich ein Besuch im surrealen Hakavik durchaus lohnen.

Herzlichen Dank an Headup Games für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PlayStation 5.