Ori and the Blind Forest (Review)

Einer der Stars der 2014er E3-Präsentation Microsofts war ein bunter Downloadtitel des jungen Moon Studios. Ori and the Blind Forest weist eine, gerade gemessen am Microsoft der vergangenen Jahre, enorme Farbvielfalt und eine angenehme, freundliche Atmosphäre auf. Anlässlich des Erscheinens des zweiten Teils habe ich noch einmal einen Blick auf Ori and the Blind Forest geworfen.

Ori and the Blind Forest beginnt mit einer sehr traurig anmutenden Intro-Sequenz, in der Ori von eine bärenartigen Ziehvater aufgezogen wird, diesen aber nach einer heftigen Krankheit verliert und schließlich voller Erschöpfung selbst das Leben lässt. Ori ist als Kind des Waldes aber ein besonderes Wesen und erhält daher eine zweite Chance zu leben. Doch Ori wird nicht einfach so wiederbelebt, sondern erhält gleich die Aufgabe, den Wald von bösen Lebewesen zu befreien, die ihn an den Rand der Zerstörung gebracht haben. Wenngleich die Intro-Sequenz relativ umfangreich ist und die Entwickler sich viel Mühe gegeben haben, eine sehr emotionale Stimmung zu schaffen, müssen Gameplay-Puristen aber nicht fürchten, ihre Zeit mit unzähligen ausschweifenden Sequenzen verschwenden zu müssen, denn nach dem Intro ist Ori beinahe ununterbrochenen in voller Spieler-Kontrolle und nur sehr selten wird der Spieler kurz unterbrochen und mit einer wohldosierten kleinen Portion Text bedacht.

Spielerisch ist Ori and the Blind Forest ein 2D-Jump & Run mit einer Metroid-ähnlichen Weltenstruktur. Das bedeutet, dass Ori im Laufe des Spiels zahlreiche neue Fähigkeiten wie einen Wandsprung oder einen Abstoßsprung lernt, mit denen er neue Gebiete erreichen kann. Auch in den alten Gebieten, die Ori bereits zuvor abgesucht hat, kann man so neue Geheimnisse wie neue Lebensenergie oder neue Energiezellen finden und Ori so besser auf die Gefahren, die ihn erwarten vorzubreiten. Die Spielwelt ist nicht klar in verschiedene Level gegliedert, sondern hängt wie in der Metroid-Serie zusammen. Dennoch muss man in Ori aber kein Pfadfinder sein, denn man kann im Wesentlichen stets nur ein neues Gebiet betreten, die anderen Gebiete sind nur mit Fähigkeiten zu betreten, die man zuvor in der Spielwelt finden muss. Eine Karte, auf der stets das nächste Ziel markiert ist, hilft zudem bei der Orientierung und stellt sicher, dass man in Ori and the Blind Forest nie hilflos nach dem Weg suchen muss.

Das Jump & Run-Gameplay des Spiels ist sehr unterhaltsam, aber nicht makellos. Sehr gut zu gefallen weiß die hohe Agilität des Charakters, besonders, nachdem Ori einige der spezielleren Fortbewegungsmöglichkeiten erhalten hat. Besonders die Fähigkeit, sich von Projektilen und Gegnern in eine beliebige Richtung abzustoßen sorgt für einige sehr spezielle Spielmomente. Auf der anderen Seite ist das einfache Sprung ein wenig fummelig, da man Ori nahezu uneingeschränkt in der Luft in jede Richtung bewegen kann und Ori zudem verhältnismäßig weit, aber nicht sonderlich hoch springen kann. Im Vergleich zu Genre-Größen wie Super Mario leidet das Spielgefühl schon merklich, durch die frischen und interessanten Spielideen und die zusammenhängende Spielwelt weist Ori and the Blind Forest aber so viel Eigenständigkeit auf, dass man das dem Spiel leicht verzeihen kann. Interessant ist die Möglichkeit, sich jederzeit im Tausch gegen eine Energiezellen-Füllung einen Speicherpunkt zu erstellen. So kann der Spieler selbst entscheiden, an welchen Stellen er gerne einen Checkpoint hätte, wenngleich natürlich die Zahl der Speicherpunkte durch die Zahl der Energiezellen und der Auflademöglichkeiten für die Energiezellen im Umfeld beschränkt ist. Da der Schwierigkeitsgrad der Hüpfsequenzen teilweise recht knackig ist, ist das auf jeden Fall eine willkommene Idee.

Neben dem Hüpfen und Rennen in verschiedenen Variationen bietet Ori and the Blind Forest aber noch einige weitere Spielelemente. Zuvorderst wäre da sicherlich das Action-Element genannt, denn Ori muss sich im Wald gegen allerlei fiese Kreaturen zur Wehr setzen. Hierzu verfügt Ori über einen recht mächtigen Angriff, der Projektile abschießt, die automatisch das nächste Ziel treffen. Die Besonderheit hierbei ist allerdings, dass Ori nur dann trifft, wenn er relativ nah am Gegner ist, so dass Ori am besten in einer mittleren Entfernung der Gegner aufgehoben ist – weit genug entfernt um dem Gegner auszuweichen, nah genug um ihn zu treffen. Die gelegentlichen Endgegnerkämpfe sind interessant und abwechslungsreich gestaltet, so dass das simple Kampfsystem die Gelegenheit bekommt zu strahlen. Weiterhin gibt es immer wieder kleinere Rätsel, die meistens auf eine interessante Nutzung frisch hinzu gewonnener Fähigkeiten hinaus laufen.

Rollenspielfreunde haben schließlich die Möglichkeit, im Laufe des Spiels Erfahrungspunkte zu sammeln, die durch besiegte Gegner aber auch versteckte Levelobjekte vergeben werden. Diese Erfahrungspunkte kann man gegen neue Fähigkeiten wie einen Dreifachsprung oder eine verbesserte Resistenz gegen gegnerische Angriffe eingetauscht werden. Hierzu verfügt Ori über einen Fähigkeitenbaum mit drei Zweigen, die jeweils von der Wurzel her abgearbeitet werden können und die lukrativsten Fähigkeiten natürlich an ihrem Ende verbergen. Die Fähigkeiten, die man mittels des Fähigkeitenbaums erhält, sind allerdings zum Durchspielen von Ori and the Blind Forest nicht erforderlich, sondern dienen nur der Vereinfachung Oris Abenteuers. Dennoch ist die Entscheidung, ein Achievement daran zu koppeln, den Fähigkeitenbaum zu ignorieren, fragwürdig, denn wenn man das versucht, nervt das Spiel den Spieler ziemlich regelmäßig damit, dass er noch Fähigkeitenpunkte vergeben müsse.

Ori and the Blind Forest ist ein sehr gutes Jump & Run mit zusammenhängender Spielwelt und interessanten Anleihen aus anderen Genres. Besonders gut gelungen ist die träumerische Atmosphäre des Spiels und die emotionale Dramaturgie besonders des Intros. Die zahlreichen interessanten Fähigkeiten, die Ori im Laufe des Spiels erhält, machen das Spiel zu einer besonderen Spielerfahrung und es ist offensichtlich, dass die Entwickler sich eine für Downloadspiele ungewöhnlich lange Zeit genommen haben, um das Spieldesign zu verfeinern. Alle Jump & Run-Fans mit Xbox One sollten sich diesen Titel unbedingt einmal anschauen. Das Spiel ist seine 20€ definitiv wert. Wer zum Import bereit ist, kann das Spiel übrigens auch in der Definitive Edition auf Disc aus den USA erwerben.