Heute ist Silvester 2025. Und wieder einmal neigt sich ein spannendes Jahr zu Ende. Der Bauch ist immer noch voll mit Raclette-Käse, Schokoverpackungen überall und Tannennadeln im gesamten Wohnzimmer verteilt. Und plötzlich, ich liege ja eigentlich immer noch im Food-Koma auf dem Sofa, stolziert da eine große dunkle Gestalt auf mich zu, bahnt sich Ihren Weg durch Spielzeugautos und Holzgemüse. Ohje. Unsere Blicke kreuzen sich. Wir kennen uns schon lange, aber wieder einmal habe ich meinen alten Freund mehr ignoriert als er es eigentlich verdient hätte.
Er atmet tief ein. Ich weiß, hier hat jemand ein Hühnchen mit mir zu rupfen. Mal wieder. Mit tiefer, vorwurfsvoller Stimme beginnt mein Backlog zu sprechen.
(Backlog): Sparen wir uns die Formalitäten. Was ist dieses Jahr deine Ausrede?
(Barbara): 2025 ist doch ein historisches Jahr! Silksong! Ich meine, Silksong! Es ist wirklich da! Seit September! Nach so vielen Jahren Warterei konnte ich das doch nicht noch länger…
(Backlog): September. Und die Monate davor?
(Barbara): Naja, du weißt doch, dass ich Death Stranding wirklich, wirklich liebe. Da MUSSTE ich doch einfach den Nachfolger spielen. Und das Studio von The Hundred Line: Last Defense Academy stand vor dem finanziellen Ruin, ich musste es einfach unterstützen!
Der Backlog schweigt. Schüttelt nur kurz den Kopf und fixiert mich mit seinem kalten Blick.
(Barbara): … und es ist ja nicht so, als hätte ich GAR NICHTS aus deinem Arsenal gespielt. Zelda: Echoes of Wisdom hab ich abgeschlossen! Und…
Ich stutze. Dieses Jahr war es wirklich ungewöhnlich wenig, fast alles, was über meinen Bildschirm flackerte, war tatsächlich im Jahr 2025 erschienen. Verrückt.
(Barbara): … Blue Fire.
Murmle ich leise.
(Barbara): Ich mein, das wollte ich doch schon wirklich ewig mal spielen und das hat sich so sehr gelohnt! Danke, dass du es so gut für mich aufbewahrt hast.
(Backlog): Hat es sich wenigstens gelohnt?
(Barbara): Blue Fire? Oh, ja! Das war ein wirklich tolles Abenteuer, besonders die Voids waren …
Er unterbricht mich harsch.
(Backlog): Nicht Blue Fire. Ich weiß, dass es gut ist. Ich habs dir jahrelang empfohlen, dir unter die Nase gehalten. Dir klar gesagt, dass es dir gefallen wird. Aber nein, du wusstest es ja immer besser. Nein, ich meine dieses Jahr. 2025. All die Titel, die dir wichtiger waren als Sekiro, Mario Galaxy 2 oder die Halo-Reihe?
Irgendwo im Hintergrund höre ich mit einem halben Ohr meinen Mann noch “Vergiss Holy Gosh Darn nicht!” rufen, aber ignoriere ihn gekonnt wie bereits das gesamte letzte Jahr über.
(Barbara): Es… war schon ein verdammt gutes Jahr, ja. Ich meine, Silksong und Death Stranding 2 hab ich ja schon erwähnt. Beide Vorgänger hast du ja auch lange für mich aufbewahrt – aber dieses Mal habe ich nicht den Fehler gemacht, lange zu warten. Und wurde belohnt. Vor allem bei Silksong. Was für ein Spiel! Ich will jetzt wirklich nicht in Lobhudeleien abdriften, aber die Atmosphäre, das deutlich flottere Gameplay, wie sich Hornet steuert, die unglaublich gut choreographierten Bosskämpfe und der Soundtrack… wow!
Er nickt. Ich glaube vielleicht sogar ein bisschen verständnisvoll. Er weiß, dass ich weniger Zeit habe und diese deutlich bewusster einteilen muss. Am Ende will er genauso mir nur die besten Titel bereitstellen, an denen ich den größten Spaß habe, um auch dem Alltag zu entfliehen.
(Backlog): Das ist also das Spiel, das dein Jahr dominiert? Silksong? Und wirklich… nur das? Ganz glaube ich dir das nicht. Vor allem das mit dem Soundtrack. Während ich hier immer schön in meiner Ecke sitze, höre ich dich immer wieder ganz andere Töne vor dich hinsummen. Das klingt ganz und gar nicht nach Silksong…
(Barbara): Das ist auch nicht ganz so einfach, weißt du? Ich weiß auch gar nicht, warum ich mich für einen einzelnen Titel entscheiden sollte. Silksong ist klasse! Aber wie ich schon sagte… das Jahr ist hervorragend. Und der Soundtrack von Clair Obscur: Expedition 33 hat sich in meinem Kopf felsenfest eingenistet. Und nicht nur das: wenn du mich festnageln würdest welches Spiel ich besser fand, ich hätte Schwierigkeiten mich zu entscheiden. Selbst wenn wir nur die beiden Titeln nehmen, trotz ein paar Gemeinsamkeiten sind sie doch so unterschiedlich und glänzen beide taghell. Beide Kampfsysteme, beide Welten, die Charaktere von beiden. Ich bin schockverliebt. In beide.
(Backlog): Gut, von mir aus. Aber dich hat doch bestimmt irgendwas aus 2025 so richtig enttäuscht, oder? Da wäre deine Zeit mit einem meiner Schätze bestimmt viel besser aufgehoben gewesen
(Barbara): Kaum. Das ist das dieses Jahr Meckern auf hohem Niveau. Du weißt, ich hab nicht so viel gespielt wie viele Jahre zuvor. Aber wenn ich so überlege: so fantastisch einige Routen bei The Hundred Line waren, so grauenhaft langgezogen waren andere. Und Death Stranding 2 war zwar rundherum ein tolles Abenteuer, aber insgesamt leider nicht so beeindruckend wie erhofft. Wahrscheinlich auch, weil das Konzept nicht mehr so neu wie beim Erstling ist und ich es mir zu oft leicht gemacht habe und lieber auf Rädern statt zu Fuß unterwegs war. Also selbst Schuld? Und Pokémon Legends: Z-A fand ich am Ende sogar besser als befürchtet, obwohl der Gameplayloop schon stellenweise richtig grindy war. Schade, dass sie Elemente aus Arceus, die ich so toll fand, hier nicht ordentlich weitergeführt haben. Aber wenn wir von Enttäuschung reden, dann wohl den zugehörigen Mega-Dimension DLC. Da wurde es nämlich erst so richtig repetitiv.
(Backlog): … na gegen Pokémon komme ich wirklich nicht an. Hey, was starrst du denn da schon wieder auf dein Handy?
Ich ertappe mich dabei, wie ich nebenbei in Pokémon Trading Card Game Pocket einen Booster aufschnippe. Das erste (Gatcha-) Mobile Spiel, das mich tatsächlich über einen längeren Zeitraum an den Bildschirm fesselt. Seit über einem Jahr habe ich keinen einzigen Tag verpasst meine kostenlosen Booster zu öffnen. Das wir bei der Arbeit eine sehr aktive Tausch- und Kampfgruppe haben, das unterstützt die Sucht natürlich zusätzlich. Ach, was das Thema Pokémon angeht, so war ich doch leider immer ein Lemming, auch wenn ich eigentlich stark bedaure, wo die Reise hingeht. Ich murmel ein kurzes Sorry und schiebe mein Telefon wieder in die Hosentasche. Er seufzt und fährt fort.
(Backlog): Waren denn wenigstens irgendwelche Geheimtipps dabei?
(Barbara): Schwer. Also vor allem wenn ich nicht einfach das Wiederholen möchte, was Sascha bereits vorgestern berichtet hat. Aber auch wenn er es bereits genannt hat: The Roottrees are Dead hat mich zu Beginn des Jahres regelrecht begeistert und ich bin auch tagsüber öfters am Laptop gehangen. Das war noch wesentlich einfacher, als Herr Sohn nicht laufen und klettern konnte und auf seiner Spieldecke mit Papa glücklich und zufrieden war. So ein tolles Deduktionsspiel! Little Problems war auch ein süßes Spiel, ganz nach dem Vorbild von The Case of the Golden Idol, nur auf niedlich und cozy getrimmt. Und auch mit der Knobelei in Is this Seat Taken? hatte ich sehr viel Freude daran allen Figuren ihre Wünsche zu erfüllen.
(Backlog): Und nächstes Jahr? Da wird es wieder genauso laufen?
(Barbara): Ich glaube nicht. Es gibt es soweit nur einen Titel, den ich wirklich im Visier habe. Saros. Stand jetzt können wir also jede Menge Zeit miteinander verbringen.
Aber – und das wird dich schon wesentlich mehr freuen – auch aus diesem Jahr gibt es durchaus noch ein paar Titel, die ich gerne noch spielen möchte. Allen voran wohl Dispatch. Du weißt ja, zu einer guten Superheldengeschichte kann ich nicht nein sagen. Alles was man so hört und liest, scheint ja absolut superb zu sein. Und The Séance of Blake Manor… also technisch gesehen hab ich zumindest schon einmal kurz hinein geschnuppert, aber diese Geheimniskrämerei, das langsame Entschlüsseln der Fälle und auch die Zeitmechanik durch die man gezwungen ist zu überlegen bevor man handelt… das klingt als wärs mir auf den Leib geschneidert. Also vielleicht, ganz vielleicht, wird es 2026 anders laufen als noch 2025.
Seine harte Miete wurde inzwischen eine gute Spur weicher. Der Hauch eines Lächelns ist zu sehen.
(Backlog): Vielleicht.
Disclaimer: Mein Backlog und ich sind tatsächlich seit einiger Zeit ziemlich gute Freunde geworden und auch wenn er manchmal immer noch sehr bedrohlich wirkt, kommen wir gut miteinander aus, auch wenn ich ihn 2025 wirklich sehr stiefmütterlich behandelt habe. Er mag zwar wirklich gigantisch sein, bereitet mir meistens aber auch gigantische Freude.