Keeper (Review)

Artwork zu Keeper

Double Fine Productions ist im Grunde für mich ein relativ unbeschriebenes Blatt gewesen. Abseits von The Cave, welches ich okay-ish fand, habe ich keinen Titel aus dem Portfolio des Studios in meinen über dreißig Jahren Videospiel-Erfahrung gespielt. Ich bin nicht Raz in die Psychen abstrakter Gestalten eingetaucht. Habe mich nicht durch die finster-bunte Welt des Heavy Metal gerockt. Oder an Halloween mein Geschwisterchen aus den Klauen eines bösen Ungetüms befreit. Doch dieser Tage war es soweit! Abstrakt, finster-bunt und voll mit Ungetümen kam Keeper in den vergangenen sieben Spielstunden daher. Und ich muss nun überdenken, wie sehr ich die anderen Titel aus dem Hause Double Fine spielen und somit das unbeschriebene Blatt weiter beschreiben will.

Abstrakte Welt in Keeper

Zumindest die Prämisse von Keeper hatte mich von der ersten Sekunde in den Bann gezogen. Die Welt des Spiels ist bevölkert von ungewöhnlichen Kreaturen aus Metall und Seele, wunderlichem Vogelvieh und einer schwarzen Finsternis, die das Leben zu vernichten droht. Vor solcher Finsternis flieht unser erster Held der Geschichte, Twig, und landet dabei unsanft auf dem Dach eines einsamen Leuchtturmes. Dessen Licht beschützt den Vogel vor der Finsternis, wie klassisch! Nicht ganz so klassisch ist allerdings, dass wir nicht Twig spielen, sondern besagten Leuchtturm, der plötzlich beginnt zu mucken und zu zucken. Nur wenige Augenblicke später stehen wir auf unseren eigenen, wackeligen Beinen.

Unsere Reise als wandelnder Leuchtturm in Keeper ist atemberaubend schön. Da gab es für mich keinen Zweifel, Double Fine hat eine atemberaubende Welt geschaffen, welche einerseits plastisch modelliert ausschaut, andererseits immer wieder den Anschein von Wasserfarben-Malereien erweckt. Da dieser Stil allerdings auch zugleich an vielen Stellen anstrengend anzuschauen ist, dürfte dieser in meinen Augen nicht überall auf Gegenliebe stoßen.

Screenshot aus Keeper
Was guckst du? Noch nie einen wandernden Leuchtturm gesehen?

Eine solche finden wir auch nicht allzu oft auf unserer Wanderung. Keeper ist ein weitestgehend lineares Adventure, in dem wir individuell gestaltete Areale durchqueren und kleinere Aufgaben lösen, um weiterwandern zu können. Unser Ziel ist die Spitze des Berges, der über dem Land thront, weil uns eine Vision das gesagt hat. Selbstverstandlich, hättet ihr gedacht, Leuchttürme haben keine Visionen?

Finster-bunter Kontrast, aber nur auf der Oberfläche

Die Aufgaben bestehen in der Regel darin, etwas zu finden, was wir beleuchten können, um damit etwas zu aktivieren, was einen Pfad öffnet, um andere Dinge auszuleuchten. Liegt bei einem wandelnden Leuchtturm auf der Hand, auch wenn es sicherlich ein Schwein mit Taschenlampe im Maul auch geschafft hätte (und nicht minder obskur daherkommt). Keeper verkommt so in den meisten Fällen zur reinen Pfadsucherei und gibt sich in der ersten Hälfte wenig Mühe, den spielerischen Anspruch wachsen zu lassen. Wahrscheinlich wollte man der non-verbalen und weitestgehend unschriftlichen Kommunikation des Spiels nicht zu viel Komplexität aufbürden. So ist zwar meistens die Aufgabe klar, aber mir fehlt persönlich ein wenig die Verbindung zur gestellten Herausforderung. 

In einem Gebiet beispielsweise hilft man einem Baum dabei, neue Augen zu erhalten. Warum? Naja, weil sie den Weg versperrt. In einem anderen Gebiet befreien wir Tempelanlagen vom schwarzen Organismus und helfen dabei den Einheimischen. Die anschließende Medaille fühlte sich aber gleichzeitig falsch an, denn…naja…wir waren halt auf der Durchreise, was hätten wir machen sollen?

Der spielerische Sinn von Keeper oder eher das Fehlen dieses Sinns wird auch in einem anderen Gebiet deutlich. Hier können wir hüpfen, aber die damit einhergehende Vertikalität hat keine Verschiebung der Perspektive auf das spielerische Geschehen zur Folge. Geschweige denn eventuell von Geschicklichkeit beim Passieren der Areale, wenn schon die Rätsel mehr oder weniger öde sind.

Screenshot aus Keeper
Versteckte Sackgassen wie diese lassen uns Achievements sammeln, yuhu!

Erst im allerletzten Abschnitt, den ich inhaltlich wenig spoilern will, gibt es kurze Abschnitte, in denen Keeper richtig Spaß macht. Hier galt es dann zwar ebenfalls Wege zu öffnen, aber zugleich auch mit Geschick und Geschwindigkeit Flammen mit sich zu schleppen, um diese überhaupt öffnen zu können. Von diesem Spielprinzip hätte ich gerne mehr gehabt, leider besteht aber der Löwenanteil des Spiels aus mehr oder weniger zäher Sucherei.

Böse Geister ohne Biss

Während die Areale und Locations optisch Abwechslung bieten, schaffen es die spielerischen Elemente nur schwer so richtig in Fahrt zu kommen. Doch noch zäher als das Gameplay war in vielerlei Hinsicht das Geschehen. Die Narrative von Keeper nutzt es in meinen Augen kaum, welch abstrakte Fremdheit sich in der Welt und seinen Figuren wiederfinden lässt. Keeper ist weitestgehend humorlos und nicht allzu spannend. Und folgt einem leider schon dutzende Male erblickten, roten Faden. So bleibt das Spiel nur schwer in Erinnerung. Wenigstens können sich Literaturtheoretiker an der Symbolik des Leuchtturms aus unsicheren Pfaden ergötzen. 


Aber dies macht Keeper in meinen Augen zu einem der zahlreichen künstlerischen Adventures, die es mittlerweile dank der Indie-Sphäre zu Hauf gibt. Zugegeben, im Katalog der Xbox Game Studios-Titel ist somit Keeper außergewöhnlich mutig. Aber zugleich auch für einen übersättigten Markt auf der einen Seite nicht anspruchsvoll genug als Spiel, auf der anderen Seite zu träge. Einer der eindrucksvollsten Artstyles und eine der individuellsten Prämissen der letzten Jahre alleine reichen in meinen Augen nicht, um Keeper aus dieser Masse empor zu heben. Aber hey, zumindest…

…war ich auf Xbox Series X ein Leuchtturm!!! Ein herzlicher Dank geht an Xbox Game Studios und Double Fine Productions für die Bereitstellung eines Mustercodes.