Glover Remaster (Review)

Wenngleich 3D Jump & Runs längst nicht ihren Status der späten 90er Jahre wiedererlangt haben, feiern dieser Tage erstaunlich viele tot geglaubte Jump & Run-Helden der zweiten und dritten Reihe ein Comeback. Bubsy, Croc, Gex – längst sind nicht nur Mario, Sonic und Crash wieder im Gemenge. Mit Glover hat Anfang des Jahres einer der ungewöhnlichsten Helden seiner Zeit sein Comeback gefeiert – dank Piko Interactive, die die Rechte an dem Handschuh und seinen Abenteuern erworben haben.

Glover auf den aktuellen Spielkonsolen ist am besten als Remaster zu bezeichnen. Zwar wurden die Menüs neu gestaltet und die Auflösung des Spiels im Vergleich zum Nintendo 64-Original erhöht, ansonsten halten die Änderungen sich aber in Grenzen. Ernstlich negativ aufgefallen ist mir die unveränderte Framerate von 30 Bildern in der Sekunde, die jedenfalls einigermaßen sensitiven Spielern vor allem beim Drehen der Kamera auffallen dürfte. Die Spielbarkeit ist dadurch nicht eingeschränkt, aber in Anbetracht der aus heutiger Sicht sehr simplen Optik wäre ein Upgrade an der Stelle äußerst wünschenswert gewesen.

Die Geschichte von Glover wird in einer kurzen Zwischensequenz in Echtzeitgrafik erzählt. Glover ist zu Beginn der Handschuh eines mächtigen Zauberers, doch durch eine Verquickung unglücklicher Umstände wird die Welt ins Chaos gestürzt, der eine Handschuh fällt in des Zauberers Zaubertrank und wird umgehend zum Bösewicht, wohingegen Glover aus dem Schloss geworfen wird. Nun ist es an Glover, den Weg zurück ins Schloss zu finden, seinen verzauberten Bruder aufzuhalten und den Zauberer zu retten.

Was Glover von allen anderen 3D Jump & Runs abhebt, ist, dass Glover nicht alleine durch die Spielwelt läuft – oder jedenfalls das nicht durchweg tut – sondern im Regelfall einen Ball mit sich trägt. In jedem Level des Spiels gibt es einen Ball zu sammeln, den es nach Abschluss des Levels zu nutzen gilt, um den Weg ins nächste Level und ultimativ ins Schloss zu ebnen.

Wenn man erstmals einem Ball begegnet, könnte man meinen, dass der Ball ein Hindernis darstellen könnte, denn wenn man springt, lässt man den Ball los und den Ball durch Werfen ins Ziel zu befördern ist sicherlich weniger komfortabel, als einfach zu Fuß (zu Finger?) ins Ziel zu spazieren. Allerdings stellt man schnell fest, dass der Ball eher ein Instrument, denn ein Hindernis ist. Zunächst einmal kann man den Ball dribbeln und dadurch schlicht mit einem anderen Knopf doch noch springen. Durch den stetigen Hopsrhythmus beim Dribbeln ändert sich die Dynamik beim Springen zwar, aber man ist zumindest nicht dauernd auf gezielte Würfe angewiesen. Zahlreiche Spezieleffekte verwandeln den Ball zudem in verschiedene Sonderformen, die an vielen Stellen im Spiel besondere Interaktionen ermöglichen.

Eine etwas skurrile Idee ist jedoch, dass man auf dem Ball auch reiten kann – an Land ist das nur begrenzt hilfreich, aber im Wasser macht das einen erheblichen Unterschied, denn der Ball schwimmt an der Wasseroberfläche und Glover kann sich so schnell und elegant über die Wasseroberfläche bewegen. Allerdings ist das mit der Eleganz so eine Sache, denn die Steuerung auf dem Ball ist invertiert. Will man nach vorne laufen, muss man nach unten drücken und will man nach links, so muss man nach rechts drücken. Das bedarf einer hohen Konzentration, zumal Glover gern auch mal präzise Manöver vom Spieler verlangt.

Die Spielmechanik von Glover ist also durchaus einfallsreich und weiß zu gefallen. Die Nutzung im Leveldesign hingegen ist etwas wechselhaft. Die frühen Level im Spiel sind im Grunde tendenziell linear aufgezogene Collectathon-Level, in denen man vorrangig zum Ziel rollen muss, aber zusätzlich Karten sammeln kann. Sammelt man alle Karten einer Welt, schaltet man ein – in aller Regel ziemlich biestiges – Extralevel frei. Jedenfalls im Normal-Modus, denn im einfachen Schwierigkeitsgrad ist der Zugang zu den Extralevels gesperrt. In den späteren Levels werden die Anforderungen an die Präzision im Dribbeln und Werfen des Balls aber echt ziemlich hoch und die Spielmechanik fühlt sich, jedenfalls für mich, oft nicht so an, als wäre sie auf dieses Level an Präzision ausgelegt. Insofern ist in der zweiten Hälfte des recht kurzen Abenteuers eine gewisse Frusttoleranz wünschenswert.

Glover ist ein einfallsreiches, aber leicht frustrierendes Jump & Run, das originalgetreu umgesetzt wurde, ohne Kritikpunkte am Original zu beheben oder technisch mehr als eine höhere Auflösung zu bieten. Wer Spaß an experimentellen 3D Jump & Runs hat, der sollte Glover eine Chance geben – ob im aktuellen Remaster oder im nahezu identischen Nintendo 64-Original. Alle anderen haben aber zweifelsohne zahlreiche bessere Alternativen zur Auswahl.

Vielen Dank an Qubyte für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.