
Ein Bär mit einem etwas frechen Sidekick als Protagonist eines 3D Jump & Runs, der von einem Maulwurf durch die Spielwelt geführt wird – ist Banjo-Kazooie etwa zurückgekehrt? Nicht ganz, auch wenn Ruffy and the Riverside durchaus teilweise in der Tradition des Rare-Klassikers steht. Vor kurzem hatten wir bereits die Möglichkeit, die Entwickler vom deutschen Studio Zockrates zu interviewen, jetzt steht das Review des endgültigen Spiels, basierend auf der Xbox Series X-Version, an.
Ruffy ist ein gutmütiger Bär mit einer grünen Mütze, der unverhofft zusammen mit seiner Freundin, der Biene Pip, zum auserwählten Helden seines Dorfes wird. Die RIVERSIDE-Buchstaben – klar vom Hollywood-Schriftzug inspiriert – sind gestohlen worden und die Verheerung (nicht Ganons!) ist im Begriff, die Heimat Ruffys ins Verderben zu stürzen. Nur wenn Ruffy rechtzeitig den Schriftzug wiederherstellt und so den Weltenkern wieder zum vollen Glanz bringt, kann seine Heimat gerettet werden.

Ruffy and the Riverside bietet eine ungewöhnliche Mischung aus Spielideen, die oftmals eine klare Inspirationsquelle haben – ich habe vor allem Zelda Breath of the Wild, Ocarina of Time, Paper Mario, Super Mario Odyssey und Banjo-Kazooie identifzieren können – aber in dieser Kombination noch nicht zusammengefunden haben. Ruffy setzt auf eine frei begehbare Oberwelt von ordentlicher Größe, die an einigen Stellen – mutmaßlich aus Performance-Gründen – über Zonentrenner separiert ist. Innerhalb dieser Spielwelt gibt es zahlreiche kleine Aufgaben zu erledigen. So kann man beispielsweise 30 niedliche Fellwesen namens Etoi finden, indem man auffällige Bäume versteinert oder Kisten zertrümmert – man denke hier an die Krogs aus Breath of the Wild, um die zugehörigen Aufgaben einzuschätzen.
Immer wieder trifft man auf Rätselsteine, auf denen man mit Ruffys Kopierfähigkeit ein bestimmtes Muster, das man in der Umgebung findet, nachbilden muss, um einen wertvollen Edelstein zu erhalten und wieder an anderen Orten muss man kleine Wortätsel lösen, um wiederum die richtige Kombination für ein Rätsel für Ruffys Kopierfähigkeitne zu erhalten. Etwas kreativer wird es noch, wenn man sich nach Abschluss eines Rätsels in eine 2D Jump & Run-Region in einer Wand begeben muss, um Sammelgegenstände aufzulesen. In dieser Ausgestaltung der offenen Welt erinnert Ruffy stark an Breath of the Wild, allerdings auf einem viel kompakteren Areal und ohne die schier erschöpfende Flut an gleichförmigen Aufgaben. Im Gegensatz zu Nintendos Action-Adventure-Hit fühlt sich Ruffy immer handdesignt an und man gewinnt nicht den Eindruck, dass die Entwickler die Zeit des Spielers mutwillig verschwenden.

So frei die Oberwelt selbst ist, ist die eigentliche Hauptmission des Spiels erstaunlich linear. Der Maulwurf führt den Spieler schrittweise durch die Hauptmission und von einem Buchstaben zum nächsten. Ein Kompass am oberen Bildschirmrand zeigt den nächsten Zielpunkt in aller Regel recht genau an und berücksichtig freundlicherweise auch die Übergänge zwischen den Regionen, statt einfach nur die Himmelsrichtung des Zielpunktes anzuzeigen. Auch in der Hauptmission spielen Rätsel aber eine entscheidende Rolle. Zwar gibt es auch eine Reihe von gelungenen Geschicklichkeitsaufgaben, aber sicherlich die Hälfte der Spielaufgaben sind eher zerebraler Natur – teilweise auch mit Aufgaben, die sich über mehrere Spielareale spannen.
In Sachen Moveset ist Ruffy ziemlich überschaubar aufgestellt. Natürlich kann er laufen und springen, zusätzlich kann er mit LB rennen und in der Luft seinen Fall entschleunigen. Wenn man einen Heuballen findet, kann man auf diesen draufspringen und darauf laufen, dadurch erhöht sich die Laufgeschwindigkeit noch einmal deutlich und man verbraucht im Gegensatz zur Rennfähigkeit auch keine Ausdauer. Die Fähigkeit, die Ruffy aus der Masse hervorstechen lässt, ist jedoch die Kopierfähigkeit. Im Grunde genommen kann Ruffy zahlreiche Texturen im Spiel mit RB kopieren und sie dann für eine begrenzte Zeit mit sich herumtragen. Solange man die Textur noch bei sich trägt, kann man sie auf dafür geeignete Flächen auftragen und somit die Eigenschaft dieser Fläche verändern.

Beispielsweise kann man einen Wasserfall in Kletterranken verwandeln, die Farbe von Blütenblättern von Blumen wunschgemäß anpassen oder aber einen Hai aus dem Wasser vertreiben, indem man das Wasser in Lava verwandelt. Teilweise wird die zeitliche Beschränkung genutzt, um etwas anspruchsvollere Sprungpassagen auf Zeit zu schaffen, in der Regel dient die Beschränkung aber eher dazu, sicherzustellen, dass man nicht einfach alle Texturen irgendwo aus der Welt mitbringen kann und so unvorhergesehene Situationen erreichen kann. Generell ist die Fähigkeit zwar sehr kreativ eingesetzt, aber so stark limitiert, dass keine wilden Exploits zu erwarten stehen.
Die Balance zwischen Hauptmissionen und Nebenmissionen ist gelungen, auch wenn die Orientierung in der großen Welt, wenn der Kompass einen gerade nicht unterstützen kann, nicht immer ganz einfach ist. Auffällig ist, dass Platforming zwar durchaus eine wichtige Rolle spielt, im Vergleich zu den Rätseln und der Navigation in der Spielwelt eine etwas weniger prominente Stellung einnimmt. Die eigentlichen Hauptmissionen sind entsprechend zwar linear strukturiert, erinnern aber eher an das Design von Missionen in Paper Mario-Spielen als an klassisches Jump & Run-Aufgabendesign. Das ist insofern auf jeden Fall interessant, als dass dies im Genre ungewöhnlich ist, muss aber keineswegs ein Nachteil sein – man sollte sich dessen nur in der Erwartungshaltung an das Spiel bewusst sein.

Technisch ist die Umsetzung auf der Xbox Series X bislang leider ein zweischneidiges Schwert. Die Optik ist sehr verspielt und charmant, die Charaktere sind ausdrucksstark und interessant und auch die Musik weiß zu gefallen. Bis gestern hatte das Spiel auf der Xbox noch starkes Tearing, das das Spiel tatsächlich unangenehm zu spielen machte. Der letzte Patch hat dieses Problem behoben, allerdings ist im Gegenzug die Framerate gelegentlich etwas instabil, ohne aber negativen Einfluss auf die Spielbarkeit zu nehmen. Etwas weniger drastisch – da das Spiel in hoher Frequenz den Spielstand speichert – ist der Umstand, dass Ruffy and the Riverside ziemlich häufig abstürzt. In einer Spielsession von zwei Stunden erlebe ich im Durchschnitt drei bis vier Abstürze. Nennenswerten Fortschritt habe ich dadurch nie verloren, aber für eine runde Spielerfahrung ist es doch ein Problem. Es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler dieses Problem noch in den Griff bekommen. Durch den letzten Patch wurde dieser Fehler augenscheinlich noch nicht behoben, weil er heute in meiner letzten Spielsession noch einmal aufgetreten ist. Ein Wort noch zu den Bildschirmtexten: Diese sind zwar standardmäßig auf Englisch, man kann die Sprache aber auf Deutsch ändern und die Übersetzung ist absolut hochwertig.
Ruffy and the Riverside ist ein spaßiger und sympathischer Genre-Mix, der spielerisch und inhaltlich sehr abwechslungsreich ist. Wer an den Vorbildern Banjo-Kazooie, Zelda und Paper Mario Freude hat, der wird auch in Ruffy seinen Spaß haben. Die ungewöhnliche Kombination von Spielideen und die interessante Flip-Mechanik kann trotz einiger technischer Mängel überzeugen, so dass ich insgesamt eine Empfehlung für das Spiel aussprechen kann.

Vielen Dank an Rockrates für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.