Der große Village-Jahresrückblick 2025 – Teil 1

Meine Spiele und Spielmomente des Jahres

Selten habe ich so viele Spiele – wenn auch dank der Reviews meist kleinere Titel – aus einem Jahr gespielt, wie in diesem Jahr. Und dabei steht noch so viel Neues auf meinem Backlog. Der wurde vielleicht eingedämmt, aber darf sich immer wieder mal neu füllen mit Spielen aller Coleur. Ein ganz besonders intensives Auge habe ich auf Hell is Us und The Seance of Blake Manor geworfen. Während ich bei ersterem allerdings noch auf ein gutes Angebot warte, ruht zweiter Titel in meiner Steam-Bibliothek und wird zeitnah gespielt werden. Steam-Weihnachtssale sei dank!

Doch diese Titel sind eher ein Thema für den Jahresrückblick am Ende 2026. Viel wichtiger und spannender für euch dürften die kommenden Abschnitte werden, denn da verliere ich Worte zu den Spielen und Momenten des Jahres. Und ihr kennt mich, mit viel Laberei über dies und jenes dazwischen gesprenkelt.

Zusammen ist man weniger allein

Im Rahmen meiner “Neuorientierung” als Spielertyp sind Coop-Spiele noch stärker in den Fokus gerückt als zuvor. Wenn meine Frau und ich schon weniger Zeit an sich haben, warum dann nicht mit dem gemeinsamen Hobby gemeinsam beschließen. Und es ist toll wie immer, derzeit spielen wir unseren eigenen Couch-Coop mit Clair Obscur, kürzlich haben wir Ghost of Yotei gespielt. Erster Titel wird nachher noch einmal seine Aufwartung machen, darum jetzt erstmal keiner großen Worte dazu. Yotei hingegen hat mir ein wenig aufgezeigt, warum ich aktuell ein wenig Ernüchterung bei Titeln aus dem Hause Sony spüre.

In Ghost of Yotei sieht man an jeder Ecke etwas Spannendes und das hohe Budget spiegelt sich in nahezu jedem Pixel dieser wundervollen Welt wider. Doch wenn ich diesen Titel nicht im Coop gespielt hätte, hätte ich das Abenteuer mit Atsu wahrscheinlich abgebrochen. Zu eintönig finde ich derzeit die Ausrichtung der großen Sony-Blockbuster, die zwar allesamt “objektiv” betrachtet tolle Spiele sind. Aber sie bewegen mich keineswegs mehr so stark wie früher. Da hoffe ich sehr, dass dieses Schicksal nächstes Jahr nicht auch auf Saros zutrifft.

Screenshot aus Split Fiction
Schwein muss man haben!

Split Fiction ist das in der Theorie weitaus schwächere Spiel. Aber es hat mich begeistert ohne Ende. Trotz schwacher Story und manch anderem Schluckauf war das Adventure von Hazelight für mich und meine Frau eine willkommene Rückkehr zum gemeinsamen Spielen nach den stressigen ersten Monaten. Und es hat uns so sehr begeistert, dass wir uns extra für euch eine ganz besondere Coop-Review haben einfallen lassen!

Farbtupfer

Wenn ich, wie bei Ghost of Yotei, davon spreche, dass mich ein Spiel unberührt zurücklässt, hat dies nicht zwingend damit zu tun, dass ein solcher Titel mich emotional beim Kragen packt und mit sich schleift. Das haben in diesem Jahr nicht allzu viele geschafft, aber es dürfte die Entwickler von The Berlin Apartement sicher freuen, wenn ich sie in diesem Punkt in einem Atemzug mit Clair Obscur nenne. Sofern sie das lesen.

Vielmehr geht es mir um die blanke Freude. Freude am Gameplay, Freude an den Ideen und Freude an der Story. So startete das Jahr fulminant mit The Roottrees are Dead, welches mich in seinen besten Momenten an Obra Dinn oder Her Story erinnerte. Oder Pipistrello and the Cursed Yoyo, welches einfach nur von der ersten bis zur letzten Sekunde glücklich gemacht hat, selbst wenn Bosskämpfe nervig waren oder ich mich zum dutzendsten Male in der Stadt verlaufen habe. Dazu noch mit The Rogue Prince of Persia ein gar nicht mal so unbekanntes Franchise in neuem Gewand, was mich begeistern konnte und mit Shuten Order ein narratives Adventure von einem meiner liebsten Videospiel-Autoren. Die Abwechslung und die Qualität, die diese Farbtupfer in diesem eh schon hochwertigen Jahr mit sich brachten, war einfach toll.

Screenshot aus Öoo
Öoo!

Und wie das Jahr anfing, so endete es auch in den letzten Tagen, als ich in zwei weitere, komplett andere Welten abtauchte, die ich hier bei den Farbtupfern nicht unerwähnt lassen kann. Öoo ist ein kleiner, aber feiner Puzzle-Plattformer. Gerade einmal etwas mehr als zwei Stunden brauchte ich, um das mit meinem Ö aus dem Magen des gefrässigen Vogels zu entfliehen. Mit Körper-O’s [ja, der Titel ist quasi der Körper unserer Spielfigur!], die sich problemlos als Bomben abwerfen lassen, überwinden wir unterschiedliche Bereiche des Vogels und bahnen uns einen Weg zum Herzen. Uns steht dabei lediglich die Explosionskraft unserer O’s zur Verfügung, denn springen können wir nicht. Der Ideenreichtum ist groß und ich hätte noch stundenlang weiterspielen können. Es ist vielleicht ein wenig zu einfach gestrickt, aber ungemein spaßig.

Und als alter Balatro-Süchtling musste ich einen Blick in Word Play riskieren. Hier gilt es Highscores mit Wörtern zu erreichen, um so Runde für Runde weiter zu kommen. Einzelne Buchstaben werden im Laufe des Spiels aufgewertet, Punktwerte so nachhaltig manipuliert. Es ist vielleicht nicht so poliert wie der letztjährige Poker-Indie. Aber dürfte in meinen Augen durchaus mehr Aufmerksamkeit erfahren. Also los, kauft es!

Missverständnisse 

Kommen wir von Farbtupfern des Jahres zu Ernüchterungen und alle drehen sich irgendwie um die Nintendo Switch 2. Ohje. Mir war im Vorfeld bewusst, was mich beim Kauf der neuen Konsole erwartet und habe dementsprechend meine Entscheidung auch nicht bereut. Die Switch 2 ist eine potente Konsole, die besser als ihr Vorgänger in meiner Hand liegt und ein technisches Upgrade für uns bei Nintendo Switch-Spielen darstellte. Ich habe mir da keine falschen Hoffnungen gemacht, dass wir da jetzt ein richtiges Highlight der Konsolen-Ingenieurskunst vor uns haben.

Zudem spiele ich auch nicht so wenig mit der Konsole. Hollow Knight: Silksong oder Shuten Order wurden auf Switch 2 sehr lieb gehabt. Und der Launch-Indie Fast Fusion hat mir viel Freude bereitet. Gleichzeitig hat mir die Nintendo Switch 2 Welcome Tour gefallen, weil sie typisch Nintendo gewesen ist. Im Guten wie im Schlechten.

Screenshot aus Donkey Kong: Bananza

Doch ich bin zuerst dem Missverständnis auferlegen, dass “für mich” Mario Kart World der richtige Launchtitel ist. Ich hab meinen Spaß an der ein oder anderen Runde Mario Kart, aber als das Highlight und persönlichen Kaufgrund kann ich den Titel leider nicht bezeichnen. Zu sehr habe ich mich vom Genre entfernt, dass es für mich mehr als für kurze Runden zwischendurch geeignet wäre. Im Gegenteil, Mario Kart World wurde nach vier Tagen bereits in den Schrank gestellt und verstaubt seitdem dort. Das Spiel selbst macht dabei nicht so viel verkehrt, aber wenn die Chemie zwischen uns nicht stimmt, dann muss ich meine Banane lieber jemand anderem überreichen.

Wobei diese Banane das zweite, unheimlichere Missverständnis in diesem Jahr war. Donkey Kong: Bananza ist ein fulminantes Spiel. In der Theorie (und das betone ich an der Stelle extra) müssten der Ideenreichtum des Jump’n’Punch, der Stil und die lockere Art sowie das Leveldesign ausreichen, um mich zu begeistern. Und das kann Bananza auch über etliche Schichten seines Erdkern-Abenteuers. Und doch war die Flamme der Leidenschaft zwischen mir und D.K. plötzlich – und eigentlich grundlos – ausgeblasen. Es gab keinen anderen Titel, der ihm den Rang streitig gemacht hat. Auch privat gab es kein Ereignis, was nachhaltig meine Lust an Videospielen allgemein oder Bananza im speziellen beeinträchtigt hätte. Es ist einfach eingeschlafen. Vielleicht wird Bananza nächstes Jahr eine Chance bekommen, noch einmal seine Fäuste um sich zu trommeln und irgendwann doch den Erdkern zu erreichen.

Geheimniskrämerei 

In den vergangenen Jahren bin ich ein großer Fan davon geworden, wenn mir ein Videospiel über die Grenzen seiner digitalen Präsenz auf PlayStation, Steam Deck oder wo auch immer hinweg in Erinnerung bleibt. Und diese Titel sind für mich meistens die Creme de la Creme des Jahres, von denen ich in diesem Jahr gleich drei habe. [Eigentlich vier mit Metaphor, aber das ist ein nachgeholter TItel] Bei Blue Prince ist mir ganz besonders aufgefallen, wie lange ich mich mit dem Spiel abseits des Spiels beschäftigt habe.

Screenshot aus Blue Prince
Diese Tür ist erst der Anfang

Blue Prince ist ein Puzzle-Roguelite, in dem unsere Hauptfigur ein mysteriöses Anwesen erbt, sofern er es schafft, Raum 46 zu finden. Doch dies ist nicht so einfach, denn jeden Tag verändert sich die Anordnung der Zimmer und wir haben nur begrenzt Zeit, um die Villa zu erkunden. Die richtigen Entscheidungen zu treffen, um sein Ziel zu erreichen, ist dabei nicht Kern des Spiels. Denn wenn man die Strukturen des Spiels irgendwann verinnerlicht hat und nach einigen Stunden den Raum betreten, öffnen sich so viele andere Ebenen an Bedeutung und Mysterium.

Das Spiel ist in meinen Augen eines, was sich kaum beschreiben lässt. Es passt in die gesamte Riege an Knowledge-Based-Games wie Outer Wilds oder Tunic, weil jeder Raum, jedes Geheimnis noch so wichtig sein kann. Ich habe am Ende knapp 80 Stunden Spielzeit investiert und bin in den wahren Mysterien weit vorgedrungen. Blue Prince ist eine einzigartige Erfahrung, die lediglich daran scheitert, zu viel auf den Zufall angewiesen zu sein. Der persönliche Einfluss auf die Zufälligkeiten des Roguelites sind in Blue Prince schwächer ausgeprägt als bei anderen Titeln. Dies bricht in meinen Augen dem Spiel auf lange Sicht das Genick.

Und dennoch werde ich es nie vergessen, wie meine Frau, die Blue Prince parallel auf PlayStation angefangen hatte, und ich am Mittagstisch über die Rätsel geredet haben. Und uns plötzlich gleichzeitig die vermeintliche Lösung erarbeitet haben. Solche Offscreen-Lösungen gab es zuhauf, weil Blue Prince vollgestopft ist mit Mysterien und roten Heringen. Und sowas ist in meinen Augen bereits aller Ehren wert.

Die Qual der Wahl

Das alljährliche Streben am Ende eines Jahres Rankings oder Awards zu vergeben, hat auch bei mir dazu geführt, dass ich gerne von dem sogenannten “Spiel des Jahres” schwadroniert habe. Doch gerade in den letzten Jahren gab es zahlreiche Situationen, in denen ich diese Frage nicht beantworten konnte, ohne diese nach wenigen Sekunden zu bereuen. Alleine 2018 hatte in meinen Augen diverse Titel, welche diesen ominösen Titel hatten verdient gehabt.

Dieses Jahr wäre es für mich “nur” auf zwei Titel hinausgelaufen, doch so eng war es gefühlt noch nie für mich. Hollow Knight: Silksong und Clair Obscur: Expedition 33 sind zwei komplett unterschiedliche Spiele. Beide haben enorme Stärken im Worldbuilding und im Gameplay. Beide haben eine unglaublich ausgefeilte Narrative und einen wunderschönen Soundtrack. Hier die brutale Schwierigkeit des Kampfsystems und das ausgefeilte Map-Design mit großem Fokus auf Exploration. Dort die brutale Schwierigkeit beim Parry-Timing und die Reminiszenz an ganz große Klassiker des Rollenspiel-Genres.

Screenshot aus Hollow Knight: Silksong

Und so stellt sich für mich mal wieder die Frage, wozu suchen wir “das beste der besten der besten” im Kulturbereich? Bei sportlichen Höchstleistungen macht es Sinn. Hier ist Platz 2 der erste Verlierer in einem Wettbewerb, wo es fast nur auf das Siegen ankommt. Aber bei Videospielen? Oder austauschbar dazu Bücher und Filme? Und das vor allem in einer Welt, in der der subjektive Geschmack jede Objektivität überstrahlen kann? Für den einen ist Clair Obscur ein Meisterwerk, der nächste kommt aus dem Gähnen nicht mehr hinaus. Jemand kann behaupten, Outer Wilds ist das beste Spiel aller Zeiten, jemand anderes (ohne Ahnung) würde dem nicht zustimmen.

Screenshot aus Clair Obscur: Expedition 33

Mir geht es da nicht wirklich darum, der Frage auszuweichen. Für sich selbst herauszufinden, was denn das persönliche Spiel des Jahres ist, kann ungemein viel über den eigenen Geschmack aussagen. Wo wir wieder auf der ersten Seite dieses Jahresrückblicks wären. Und selbstverständlich haben Awards-Shows wie The Game Awards auch einen Sinn, um in der Gesamtheit Werke und Industrie zu feiern.

Aber dann sehe ich nach neun abgeräumten Preisen bei einer einzelnen Veranstaltung so viel Hass und Häme. Diese Toxizität kennen wir aus Fankreisen zu Genüge. »Mein Liebling hat nicht gewonnen, bla bla.« Oder dass Erfolg auch Missgunst mit sich zieht. »Boah, jetzt hört doch mal auf mit all dem Lob.« Es fängt im Kleinen an. In einer kleinen Randbemerkung, einem schnell hingerotzten Spruch. Und ist dabei nur eine schwache Ausprägung dessen, was (sozial)medial auf die Köpfe hinter den Werken einprasselt.

Fundierte Kritik mag ich und sollte auch stets erlaubt sein. Und so freue ich mich darauf, dass auch ihr euch mit meinen Gedanken, meinen Einordnungen zu den Spielen dieses Jahres auseinandersetzt. Zum krönenden Abschluss daher einmal eine komplette Übersicht meiner Titel aus 2025, gruppiert in einer Tierlist. Möget ihr diese ausdrucken. Rahmt sie euch ein und vergöttert sie, wenn ihr sie teilt. Oder zerreißt sie und zündet sie an, wenn ihr sie hasst. Die Gedanken sind frei. Am Ende müssen wir nicht auf einer Wellenlänge sein, aber uns auf einer solchen begegnen können.

Tierlist aller von Sascha Ritter gespielten 2025er-Spiele