Ich habe in der Regel (leider) eine sehr große Bandbreite an Videospielvorlieben. Abgesehen von Versus-Beat’em Ups gibt es wahrscheinlich kein Genre, was mich nicht unter gewissen Umständen faszinieren kann. Doch ein Genre steht seit frühester Kindheit über allen. Dies ist nur zu Teilen den kleinen Taschenmonstern zu verdanken, welche damals die Welt im Sturm erobert haben, sondern allen voran meinem wahrscheinlich größten Lieblingsspiel aller Zeiten: Dragon Quest Monsters. Über die Jahre haben sich andere Genres dazu gesellt, weswegen ich sehr gespannt auf Decktamer war. Die Hybride aus Roguelite, Deckbuilder und Monster-Tamer sprach mich von der ersten Sekunde an. Doch leider hat es das Spiel nicht geschafft, mich am Ende zu zähmen.
Überleben des Stärksten in Decktamer
Und dabei hat Decktamer das Feld in den vergangenen Stunden extrem für mich bereitet. Ich mag Monstersammelei? Check. Ich mag Deckbuilding? Check. Ich mag Rogues? Nochmal Check. In Decktamer ist es unsere Aufgabe, auf Basis eines kleinen Decks mit eher schwächeren Kreaturen über den Verlauf der Runden eine so mächtige Armee aufzustellen, dass wir den Boss am Ende der Mission besiegen können.
Jede Runde besteht dabei aus diversen Kämpfen mit mutmaßlichen Belohnungen. Wir wählen einen der beiden Kämpfe aus und haben dabei genau im Blick, welche Kreaturen auf uns warten, welches Inventar wir aufgefüllt bekommen und welches Szenario sich anschließt. Nur wenn wir hier strategisch und opferbereit vorgehen, können wir unser Deck so stärken, dass wir am Ende eine Chance haben.

Denn Decktamer ist ein schweres Spiel. Ich hatte sehr große Probleme damit, meine erste Runde zu gewinnen, da das Spielprinzip des Roguelites sich eklatant von anderen Monstersammlern unterscheidet. In Pokémon beispielsweise stellst du deinen Squad auf, wirst deren bester Freund und machst dein Team zum besten Team aller Zeiten. In den Dragon Quest Monsters synthetisierst du aus schwächeren Monstern immer größere und mächtigere, bis du unaufhaltsam bist. Hier wirfst du die Monster den Gegnern fast schon zum Fraß vor.
Ungewöhnliches Deckbuilding
Das Spielfeld besteht aus zwei Reihen, eine für die gegnerischen Monster, eine für uns. Unser Ziel ist es, das gegnerische Team zu überwältigen, sei es durch Sieg oder Zähmung. Dies ist leichter gesagt als getan, obwohl wir genau wissen werden, was uns in einem Zug erwartet. Wir müssen mindestens ein Monster selber ausspielen, doch wenn dies verliert, ist das unwiderruflich verloren. Das Kampfsystem der einzelnen Kreaturen ist dabei so unnachgiebig, dass wir zwangsläufig dazu kommen werden, unsere kleinen “Freunde” als Kanonenfutter zu missbrauchen. Denn nur wenn der Gegner schwach genug ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, das Monster zu zähmen.
Dafür nutzen wir drei verschiedene Nahrungsmittel aus unserem Inventar. Leider kam es in meinen Spielrunden zu häufig dazu, dass mir entweder das richtige Essen für Bonus beim Zähmen gefehlt hat. Oder ich schlichtweg in der Lotterie des Zähmens verloren habe. Dass hier ein zufälliger Faktor essentiell ist, um das eigene Deck stark genug zu machen, ist mir sehr sauer aufgestoßen. Während ich stets das Gefühl in anderen Roguelites hatte, dass mir eine andere Strategie oder einfach mein Skilllevel ausgeholfen hätten, setzte mir Decktamer klare Schranken vor.
Dabei ist das Zähmen enorm wichtig. Die wenigen Szenarien, die wir nach einem gewonnenen Match erhalten, können helfen, auch die schwächsten Kreaturen zu unheimlichen Bestien zu machen. Nichtsdestotrotz sorgt nur ein solides Fundament für ein standfestes Deck. Je stärker also unsere Gegner sind, desto eher sollten wir diese rechtzeitig zähmen, damit unser Deck anwächst, statt unter dem Druck der gegnerischen Monster zu zerschellen.

Enorme Schwierigkeitsspitzen und fehlender Skill
Es hat eine Weile gedauert, für Decktamer zu verinnerlichen, dass nicht das Deckbuilding per se im Zentrum steht, sondern das pure Überleben. Aber selbst dann war es mir kaum möglich, den enorm harten Boss der allerersten Mission auf der leichtesten Schwierigkeitsstufe zu bezwingen. Nach acht Kämpfen mit wenig Möglichkeiten, Strategien oder Synergien zu entwickeln, kam bei mir persönlich enorm viel Frust auf.
Dabei sehe ich, was Decktamer so speziell macht. Das Recht des Stärkeren, einerseits ausgedrückt in der Spielmechanik, aber auch in den Artworks der Kreaturen, ist essentieller Bestandteil des Deckbuildings. Statuseffekte wie Gift oder Schlaf erweisen sich als brachial gefährlich, wenn das eigene Monster unter normalen Umständen zu schwach wäre. Zweiterem habe ich meinen ersten Sieg gegen den allerersten Boss zu verdanken, aber zugleich weiß ich auch nicht, wie viel von dem Sieg mein Verdienst war oder einfach eine glückliche “Roguelite”-Fügung. Viel lernen kann man bei Decktamer, außer die eigenen strategischen Kompetenzen zu schärfen, nicht.
Auch eine Metaprogression ist kaum vorhanden. Zwar steigen wir mit jedem Durchgang mit Erfahrung in den Level auf und schalten so neue “Starter” frei. Doch wenn man zu Beginn einer Runde dann doch “nur” aus drei zufällig ausgewählten wählen kann, fehlt ein wenig die optimale Vorbereitung.
Decktamer verbirgt so viel unter der Oberfläche
Und dies ist definitiv ein Problem auf persönlicher Ebene! Meine eigene, gedankliche Progression in Decktamer war zu Beginn zu langsam und ist auch noch lange nicht abgeschlossen. Womit mir das Spiel enorme Schwierigkeiten bereitet, es “ordentlich” einzuordnen. Einerseits stören mich die Zufälligkeiten, aber ich kenne dies aus dem Genre und irgendwann wird der Schalter im Kopf umgelegt sein. Und dann sind Zufälligkeiten nur noch Muster.

Andererseits bietet Decktamer ein komplexes Kampfsystem mit unzähligen Möglichkeiten, strategische Entscheidungen zu treffen. Doch wie viel ist das am Ende wirklich von Belang, wenn die Einstiegshürde so immens hoch zu sein scheint? Decktamer ist kein Spiel, welches wir mal eben für eine schnelle Runde zwischendurch herausziehen. Decktamer ist auch kein Spiel, welches es Reviewenden wie mir einfach macht, weil unter der Oberfläche so viele Designentscheidungen werkeln. Wie Zahnräder, die hoffentlich gekonnt ineinander greifen. Aktuell kann ich das Spiel trotz seines komplexen, herausfordernden und sehr individuellen Spieldesigns nur bedingt empfehlen.
Aber ich glaube zugleich, dass hier für Genrefans ein Rohdiamant schlummert, für den es sich lohnt, auf Monsterjagd zu gehen. Ich würde mich nicht einmal, wenn meine persönliche Einordnung, die es hier nur zu einer gelben Ampel gebracht hat, mit den nächsten zwei Spielstunden bereits passé sein könnte. Wenn nämlich Decktamer es schafft, den berühmten Schalter umzulegen. Und ich komplett vom Spiel gezähmt und eingenommen werde.
Monstern auf Steam Deck meine Karten zum Fraß vorgeworfen. Ein herzlicher Dank geht an Horizon Edge und Assemble Entertainment für die Bereitstellung eines Mustercodes.