In den vergangenen Monaten habe ich vermehrt mit Kugelbahnen gespielt. Oben Kugel drauf, langsam runter geklackert und wieder von vorne. Was am Anfang Spaß macht, wird auf Dauer ein wenig öde und es bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Freude aus der Euphorie meines Mini-Koop-Partners zu ziehen. Eine weitaus erwachsenere Version der Murmelbahn durfte ich hingegen in den letzten Wochen ausgiebig testen. Denn mit Orbyss vom Solo-Entwickler Yannick Audéoud werden uns komplexe Puzzle mit Kugeln, Licht und Musik vorgesetzt. Und zwar nicht wirklich auf Kita-Niveau.
Orbyss schiebt keine ruhige Kugel
Um weit über dieses Niveau hinauszukommen, reicht alleine die Prämisse des futuristischen Puzzlespiels. In der abstrakten Welt von Orbyss geben Kugeln, Elektrizität und Licht den Takt an. Wir steuern eine solche Kugel, die sich auf ihrer Reise durch die diversen Puzzleräume gegen düstere Materiewesen bewähren muss. Diese sorgen nämlich für Kurzschlüsse im gesamten System und lassen das Licht der Welt nach und nach verblassen.
Viel Zeit verschwendet Orbyss nicht mit einer Narrative, sondern geht vom allerersten Kapitel in die Vollen. Jedes einzelne Kapitel hat ein übergreifendes Thema, dem neue Mechaniken zugrunde liegen. Ganz besonders toll fand ich das Zeit-Einfrieren von Kapitel 3 und die musikalische Integration in 4. Jedes Kapitel führt die Mechaniken neu ein und erkundet diese in zahlreichen Levelräumen. Dabei steigt – wie wäre es auch anders zu erwarten – mit dem Verlauf des Spieles die Komplexität.
Mir gefiel diese ansteigende Progression der Schwierigkeit sehr gut. Während wir zu Beginn lernen, an unterschiedlichen Orten eines Raumes parallel zu arbeiten, weil wir mehrere Kugeln gleichzeitig steuern müssen, gilt es später auch in zeitlichen Abläufen zu denken. Eine solche Aufteilung in unterschiedliche Ebenen der Logik imponierte mir schon bei Klassikern des Genres wie Portal oder anderen, aufwendigen Indies wie The Entropy Center. Umso beeindruckender, dass Orbyss von einem einzelnen Entwickler designt und programmiert wurde.
Zeitloses Puzzledesign
Der minimalistische Artstyle von Orbyss unterstreicht das glatte Design des Spiels. Eventuell mag man solche leeren Cyberspace-ähnlichen Areale schon dutzende Male gesehen haben, doch gerade für diese Art von Spiel wirkt es auf mich persönlich zeitlos. Zugleich gibt es auf diese Weise immer genug Übersicht, je nachdem, wo man sich im jeweiligen Raum befindet. Orbyss spielt zudem sehr viel mit auditiven Hinweisen, welche allerdings wahlweise im Menü durch visuelle ergänzt werden können. Dies half mir in Kapitel 4 sehr, wenn es darum ging, Ton-Reihenfolgen richtig zu identifizieren und dementsprechend die Räume zu lösen.
Mir ist in dem Zuge leider stark aufgefallen, dass die Steuerung der Kugel in Orbyss problematisch werden kann. Wenn man Schritt für Schritt an Timing und Reihenfolge der Lösung arbeitet, passiert es nicht selten, dass wir von vorne beginnen müssen. Das zähe Rumkugeln verzögert dann den Wiedereinstieg und macht das Lösen eines Rätselraumes zu einer langsamen Angelegenheit. Zumindest, wenn man – wie ich – die Lösung eines Raumes nicht auf Anhieb erkennt. Dies dürfte für mich persönlich wohl das größte Problem sein, weswegen ich oftmals das Steam Deck zur Seite gelegt habe. Nicht, weil es so schwierig war, sondern weil der Weg durch den Raum nun wieder eine gefühlte Ewigkeit benötigen würde.
Mit seinen acht Kapiteln ist Orbyss nicht allzu lang, fühlte sich aber für mich aufgrund der langsamen Fortbewegung dementsprechend länger an. Wie schnell wir durchkommen, hängt dabei selbstverständlich auch davon ab, wie pfiffig wir die gestellten Rätsel lösen können. Zum Glück hat Orbyss für ungeduldige Kugeln ein Hinweis-System drin, in denen meist ein einzelner Moment des Rätsels gedeutet wird. Dies hat in der Regel mit der Mechanik zu tun, die Zeit einzufrieren und nicht allzu offensichtlich. Solche Hinweissysteme, die nicht bereits das komplette Rätsel auflösen, mag ich gerne.
Solo-Koop für pfiffige Kugeln
Während meiner Spielstunden gab es immer wieder Momente, die Orbyss zu etwas Besonderem gemacht haben. Spielerisch fühlt sich das direkte und indirekte Steuern von mehreren Kugeln inklusive Perspektiv- und Zeitenwechsel an, als würde man mit sich selbst in einer Form des Koops spielen. Zugleich – und dies ist wohl eine der kleinsten, aber zugleich mächtigsten Worldbuilding-Designs der letzten Jahre meiner Ansicht – können wir im Hintergrund immer wieder andere Kugeln sehen, die im Begriff sind, Rätsel zu lösen oder bereits ihre Ziele erreicht haben. Dies unterstreicht den mutmaßlichen “Koop”, den das Spiel auf der Gameplayebene nachstellt, mit einer zusätzlichen Bedeutungsschicht.

Orbyss dürfte daher in meinen Augen allen ans Herz gelegt werden, die einer kniffligen Puzzle-Herausforderung angetan sind. Kugeln zu manövrieren hat mir persönlich auf Dauer nicht so sehr gefallen. Zudem lässt der Umfang mit acht Kapiteln und etwas mehr als vierzig Räumen zu wünschen übrig. Doch bei einem Solo-Entwickler erwarte ich ein stimmiges Konzept, gutes Game-Design und vielleicht noch die Prise Einzigartigkeit, die mich länger an das Spiel erinnern lässt. Und all dies hat Orbyss in meinen Augen mühelos erledigt. Sehr gerne mehr davon, Yannick Audéoud!
Mein Gehirn auf PC und Steam Deck verknotet. Ein herzlicher Dank geht an Publisher Misty Whale für die Bereitstellung eines Mustercodes.