 
Kreuzungen zwischen verschiedenen Tierarten sind in der Realität nur bei enger Verwandtschaft möglich, doch hat das Geschichtenschreiber noch selten davon abgehalten, die wildesten Kombinationen von Tieren zu ersinnen. So auch im Fall des Hühnerhasen, der nicht nur der Held seines eigenen Animationsfilms ist, sondern jetzt auch als Videospielprotagonist die Vorzüge von Hasen und Hühnern miteinander vereint.
In Hühnerhase und der Schatz von Bart-Spieß schlüpft man in die Rolle gleich dreier Charaktere aus dem Hühnerhase-Universum. Neben dem titelgebenden Hühnerhasen selbst gibt es noch eine Schuldkröte namens Archie und die Kampfkünstlerin Meg. Die drei Figuren sind in der Geschichte des Spiels durchgehend gemeinsam unterwegs. Der Spieler kann mit dem Steuerkreuz jederzeit zwischen den dreien hin und her wechseln und so von den verschiedenen Vorzügen der einzelnen Charaktere profitieren.

Hühnerhase ist für Sprungpassagen die ideale Wahl, denn er kann in der Luft mit seinen Ohren schweben und insbesondere in Luftströmen sich sogar nach oben tragen lassen. Meg kommt in Sachen Hüpfen zwar nicht ganz an den Hühnerhasen heran, kann aber immerhin ihren Angriff in der Luft verwenden, um den Sprung ein wenig zu verlängern. Vorrangiger Einsatzzweck für Meg ist allerdings der Kampf gegen immer mal wieder auftauchende kleine Gegner, denn nur sie beherrscht einen Standardangriff mit X, mit dem man kleine Gegner in aller Regel in einem Schlag aus dem Spiel nimmt. Schließlich kann Archie sich in seinen Panzer zurückziehen und sich so gegen Gefahren schützen und sogar bestimmte Bodenplatten zerstören.
Leider erscheint der Wechsel zwischen den drei Figuren konzeptuell nicht substanziell und es wäre ohne weiteres möglich gewesen, alle Fähigkeiten der drei in einer Figur zu vereinen. Der Umstand, dass der X-Knopf – mit dem Meg angreift – und der B-Knopf mit dem Archie sich in den Panzer zurückzieht – bei Hühnerhase gar nicht verwendet wird, macht das besonders deutlich. Dadurch, dass man mit einem einfachen Druck auf das Steuerkreuz wechseln kann, fällt das nicht allzu stark ins Gewicht, dennoch wäre es für den Spielfluss angenehmer gewesen, auf die Charakterwechsel verzichten zu können.

Die Spielmechanik funktioniert im Grunde genommen gut, es gibt allerdings ein erhebliches Problem, das Sprungsequenzen äußerst unangenehm werden lassen kann. Hühnerhase nutzt die Unreal Engine und wie es bei 3D Jump & Runs, die mit dieser Engine entwickelt wurden, üblich ist, verwendet das Spiel einen doppelten Schatten für die Figur, einerseits den perspektivisch korrekten Schatten, andererseits einen Dropschatten, der genau unter der Figur liegt und anzeigt, wo die Figur landen wird. So jedenfalls die Theorie, aber der Dropschatten in Hühnerhase tut seinen Job nur widerwillig. Nur dann, wenn der Dropschatten von einem gelben statt einem weißen Kreis umrandet ist, zeigt er tatsächlich korrekt an, wo die Figur landen wird. Was der Dropschatten anderenfalls anzeigt, ist mir leider nicht ganz klar, aber klar ist: wenn der Dropschatten mit weißer Umrandung auf einer Plattform verweilt, dann landet man irgendwo, nur sicherlich nicht auf ebendieser Plattform. Da dieses Phänomen in unschöner Regelmäßigkeit gerade dann auftritt, wenn man den Dropschatten besonders dringend benötigen würde – also bei langen Sprüngen über große Abgründe mit wenig optischen Bezugspunkten – ist es ein ernsthaftes und für mich leider auch schwer nachvollziehbares Problem. Ein Dank geht an Tosha, die zumindest die Semantik des weißen oder gelben Rahmens für den Dropschatten ermittelt hat.
Das Leveldesign in Hühnerhase ist im Wesentlichen linear, nutzt aber immer wieder Abzweigungen um dem Spieler zumindest zeitweise etwas Wahlmöglichkeit zu lassen. Der reine Abschluss der Level ist in Anbetracht sehr großzügiger Zwischenspeicher und in Abwesenheit eines Lebenssystems trotz der zuvor angesprochenen Unannehmlichkeit weitgehend entspannt. Perfektionisten können allerdings in jedem Level bis zu fünf Sterne ergattern. Einen Stern gibt es für das Sammeln von drei besonderen Schätzen je Level, drei Sterne für das Erreichen verschiedener Zielmarken für die Münzsammlung – der letzte dieser Sterne wird für das Sammeln aller Münzen vergeben – und ein Stern wird für das Unterschreiten einer vorgegebenen Versuchsanzahl vergeben. Die Sterne scheinen im Spiel keine größere Rolle zu spielen, sind aber an die Achievements des Spiels geknüpft.

Insgesamt ist das Leveldesign von Hühnerhase solide, sticht aber innerhalb des Genres nicht sonderlich hervor. Die gelegentlich vorkommenden Gegnerwellen, die man mit Meg besiegen muss, sind zwar leicht, aber spielerisch nicht sonderlich gehaltvoll, wohingegen die Sprungpassagen zwar manchmal etwas unübersichtlich sind, im Großen und Ganzen aber gut unterhalten. Die Endgegner sind größtenteils gut design und fügen sich so gut ins Spiel ein.
Technisch ist Hühnerhase simpel, aber solide. Etwas schade, in Anbetracht der Zielgruppe, ist, dass das Spiel nur eine englische Sprachausgabe bietet. Es gibt allerdings deutsche Untertitel, die in drei verschiedenen Größen dargestellt werden können. In der größten Einstellung sind sie auch auf kleinen Bildschirmen angenehm lesbar. Das ist leider in den letzten Jahren immer häufiger ein Problem gewesen, das die Entwickler nicht angemessen adressiert haben – im Fall von Hühnerhase wurde in der Hinsicht aber gute Arbeit geleistet.

Hühnerhase ist ein solides 3D Jump & Run, das allerdings durch seinen fehlerhaften Dropschatten und etwas einfallsloses Leveldesign keine allgemeine Empfehlung wert ist. Für Fans der Vorlage oder Genrefans kann das Spiel durchaus eine adäquate Wahl sein, es ist aber bei weitem kein Pflichtspiel für Jump & Run-Freunde.

Vielen Dank an N-Zone für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.
