
Vor wenigen Jahren brachten Sony und Sucker Punch das Open-World-Action-Adventure Ghost of Tsushima raus. Dieses kam bei Kritik und Spielern, auch in unserer Redaktion, gut an. So verwundert es nicht, dass nach DLC und Director’s Cut schließlich auch ein Nachfolger entwickelt wurde. Ghost of Yōtei ist kürzlich für PlayStation 5 erschienen. Da es in einem ganz anderen Teil Japans und Jahrhunderte später spielt, ist es übrigens auch gut zum Einstieg geeignet.
Im Norden Japans
Statt im Südwesten auf der Insel Tsushima findet die Handlung von Ghost of Yōtei weit im Norden Japans statt. Allerdings wird die Gegend dort nicht Yotei genannt, sondern Ezo, heutzutage als Hokkaido bekannt. Yōtei ist ein großer Berg dort. Und dann gibt es die Gruppe der Yōtei Six. Diese haben die Familie der Protagonistin Atsu ausgelöscht.

Atsu kehrt nach 16 Jahren auf den Hauptinseln mit vielen Jahren Erfahrung als Söldner und im Überleben zurück. Sie will nun endlich Rache üben an den Yōtei Six. Nachdem Atsu ihr erstes Ziel erledigt hat, erfahren die übrigen der Yotei Six schnell davon, dass es jemand auf sie abgesehen hat. Gerüchte erzählen von einem Onryou, einem rachsüchtigen Geist.
Im Gegensatz zu Ghost of Tsushima, wo der Samurai Jin Sakai nach und nach seine Ehre als Samurai aufgegeben hat und zum Geist wurde, setzt Yotei also erst einige Jahre nach dem Wendepunkt in Atsus Leben an. Sie hat auch keine besondere Nähe zum Samuraikodex und ist eher pragmatisch in der Erreichung ihrer Ziele. Hinterücks meucheln und das zum Kämpfen nutzen, was verfügbar ist, gehört dazu.

Wie der Geist von Tsushima kann aber auch Atsu die Hilfe von Verbündeten gebrauchen. Sie ist bei weitem nicht die einzige, die von den Yōtei Six geschädigt wurde. Im Kampf mit dem Samuraiclan Matsumae leidet die Bevölkerung, die Yotei Six statuiert Exempel. Atsu findet Verbindungen und Vertrauen. Aber kann Atsu zwischen Rache und Verbündeten priorisieren?
Ich finde Geschichte und Charaktere unterhaltsam, Spannung und Dramatik werden geboten. Man hat dabei auch einige Freiheit und kann Ziele in unterschiedlicher Reihenfolge angehen, der größte Teil des Spielgebiets ist schon früh erreichbar. Das sorgt natürlich dafür, dass die Geschichte eine gewisse Teilung erfährt. Bei der Verfolgung der einzelnen Ziele Atsus zeigen Rückblenden auch die jeweiligen Charaktere und ihre Handlungen an dem schicksalshaften Tag, der die junge Atsu allein zurückließ,nach und nach fügt sich das Bild zusammen.

Wind und Tiere leiten auch in Ezo
Der Vorgänger hatte die Navigation in der offenen Welt etwas subtiler gestaltet als viele Open-World-Spiele und Ghost of Yōtei führt das fort. Wenn man ein Ziel hat, wird kein deutlicher Quest Marker eingeblendet, stattdessen kann man den Wind die Richtung zeigen lassen.
Auch interessante Stellen in der Welt lassen kein großes Symbol auf dem Bildschirm erscheinen. Verschiedene Tiere wie zum Beispiel ein goldener Vogel weisen den Weg. Füchse zeigen wieder den Weg zu kleinen Fuchsschreinen und können gestreichelt werden. Glühwürmchen für manche Sammelobjekte sind ebenfalls wieder dabei und immer noch meiner Meinung nach am schwierigsten zu lesen. Diese subtilere Einbindung gefällt mir und lässt das User Interface so weniger aufdringlich gestaltet zu.

Diesmal ist die Welt nicht dreigeteilt vom Spielfortschritt abhängig, der größte Teil lässt sich früh erreichen. Dafür gibt es mehr unüberwindbare Hindernisse wie dichtes Gestrüpp oder Hänge. Meist kann man frei laufen oder reiten, es gibt aber auch unkomplizierte Klettereinlagen jnd Höhlen.
Manche Hauptgebiete sind durch Szenen oder kurze Ladezeiten getrennt, auch mancher Ort auf Bergen ist so etwas losgelöst vom Rest der Welt. Das ist aber kein großer Störpunkt für mich. Die einzelnen Gebiete sind wieder unterschiedlich genug gestaltet, was sich auch in der Flora zeigt. Von rosa beblüteten Bäumen über Herbstfarben und schneebedeckte Bäume ist quasi das ganze Jahr abgedeckt, was zugegeben zum gleichen Zeitpunkt nicht unbedingt realistisch ist. Große Felder gleichfarbiger Blüten bieten wieder schöne Ansichten.

Schleichen und Kämpfen
Als rachsüchtiger Geist kann Atsu oft wählen, wie sie an Gegner herangeht. Sie kann schleichen und mit manchen Umgebungsobjekten Gegner ablenken. Oder sie hinterrücks meucheln. Auch der Bogen kann beim geräuscharmen Töten helfen. Teilweise liegen Waffen herum, die als Wurfgeschoss effizient eingesetzt werden können. Wenn man entdeckt wird, kann man sich teils wieder verstecken. Aber je nach Alarmierungsgrad hilft auch hohes Gras nicht mehr.
Im Nahkampf kann Atsu ebenfalls ihre Erfahrung vom Festland ausleben. Leichte und schwere Angriffe lassen sich simpel einsetzen, blocken und gezielt parieren ist ebenfalls mit von der Partie. Unblockbare und unparierbare Angriffe der Gegner gibt es auch, im Zweifelsfall kann man aber ausweichen. Allerdings kleben manche Gegner förmlich an Atsu, was das Heilen oder den Wechsel zwischen Waffen oder Wurfitems teilweise erschweren kann.

Wo im Vorgänger verschiedene Kampfhaltungen eine Rolle spielten, kann Atsu von Waffenmeistern lernen und diverse Waffen einsetzen. Diese sind jeweils stark gegen verschiedene Gegner. Erneut lässt sich also mit etwas Geschick fast tänzelnd zwischen Gegnern und den effektiven Waffen wechseln.
Neben Nahkampfwaffen stehen noch diverse Hilfsmittel zur Verfügung. So kann man zum Beispiel Blendpulver finden, um es Gegnern ins Gesicht zu werfen. Auch Rauchbomben können helfen, Gegnern die Sicht zu erschweren. Auch um Schaden zuzufügen gibt es diverse Wurfitems.

Das Kämpfen macht erneut Spaß, diverse Schwierigkeitsgrade ermöglichen Anpassung an eigene Fähigkeiten und Wünsche. Ich habe größtenteils auf schwer gespielt, wo manche Gegner schon sehr gefährlich sein können.
Ausrüstung
Ghost of Yōtei hat zwar keine allzu komplizierten RPG-Elemente, man sollte sich aber etwas um seine Ausrüstung kümmern. Teils verbessert man Ausrüstung nur, aber man kann auch dem Spielstil gemäß Anpassungen vornehmen. Waffen und manche Wurfitems lassen sich mit Material und teils Geld verstärken, bei zweiterem und Pfeilen auch die Tragekapazität erhöhen.

Verschiedene Rüstungen oder Kleidungen stehen zur Verfügung. Diese lassen sich ebenfalls aufbessern. Allerdings dienen sie nicht dazu, Verteidigungswerte zu verbessern. Stattdessen erhält man allerlei Boni. So gibt es zum Beispiel Rüstung, die den Einsatz effektiver Waffen belohnt. Manche Rüstung ist mehr zum Schleichen gedacht. Selbst zum leichteren Finden diverser Sachen oder Orte gibt es Kleidung. Wer möchte, kann zudem verschiedene Farben oder Muster kaufen, wofür man nebenbei Blumen sammeln kann.
Für weitere Anpassung durch diverse Bonuseffekte gibt es reichlich Talismane zu finden. Die nötigen Slots erweitert man hier einfach dadurch, mehr Talismane zu sammeln. Manche Talismane lassen sich noch durch vorhegebene Aktionen verbessern. Rüstung und Talismane lassen sich in mehreren Loadouts speichern, zwischen denen man dann im Menü schnell wechseln kann. Selbst im Kampf. So habe ich zum Beispiel zum Schleichen ein passendes Set genutzt, für den offenen Kampf einfach gewechselt.

…und Skills
Neben besserer Ausrüstung kann auch Atsu selbst besser werden. An bestimmten Altaren kann sie einen Skill aus diversen Skilltrees lernen. Diese Altare sind in der Welt verteilt, teilweise auch in besetzten Siedlungen und Lagern. Letztere lassen sich erst nach Auslöschung der Gegner nutzen. Es gibt allgemeiner nutzbare Skills ebenso wie Skills für bestimmte Waffen.
Zusätzlich hilft manchmal ein Wolf im Kampf. Für diesen gibt es eigene Skilltrees, für die man Wölfen helfen muss.
Geschichten, Legenden und mehr
Quests dürfen in einem Open-World-Spiel kaum fehlen. Auch Ghost of Yōtei hat einige zu bieten. Manches sind simple Bitten von normalen Leuten, manche Quests sind mehrschrittig. Die Quests vertiefen teilweise das Weltbild, und manch spezielle Belohnung wie Talismane oder Rüstung gibt es.

Ein paar Quests behandeln Legenden von Kämpfern oder Ausrüstung. Diese werden atmosphärisch mit Tintenbildern eingeführt. Teilweise gibt es übernatürlich angehauchte Elemente in dem sonst recht bodenständigen Spiel, aber das fand ich in dem Maß völlig in Ordnung. Ich habe gern alle Quests gemacht.
Auch als Kopfgeldjäger darf sich Atsu betätigen und muss teils im Zielgebiet suchen. Dort gibt es ebenfalls nicht nur Geld und Material als Belohnung. Kopfgeldplakate für den Onryo habe ich auch gerne eingesammelt, obwohl man dieses Kopfgeld natürlich nicht sammelt. Dabei steigt es im Storyverlauf sogar und das Bild wird detaillierter, ein netter Touch.

Fazit
Ghost of Yōtei hat mir wie nach dem Vorgänger zu erwarten gefallen. Ich habe gerne Ezo erkundet und auch Atsus Geschichte und Entwicklung erlebt. Das Kampfsystem macht Spaß und das Wechseln von Waffen und die Wurfitems bieten Abwechslung, Ausrüstung lässt sich dem Spielstil anpassen.
Die Ladezeiten waren beim Vorgänger auf der PlayStation 4 schon überraschend kurz, hier mit SSD ist es natürlich nicht anders. Teilweise hat man auf höheren Schwierigkeitsgraden den plötzlichen Tod in Bosskämpfen kaum verarbeitet, da findet man sich erneur im Kampf wieder. Da können sich viele eine Scheibe abschneiden. Auch der Spielstart selbst ist sehr schnell und überspringt das Titelmenü, was man zum Weiterspielen in der Regel eh nicht braucht.

Wer Interesse an der Reihe hat, findet hier einen guten Einstieg, Fans des Vorgängers dürften auf ihre Kosten kommen.

Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PlayStation 5.