
Videospielumsetzungen von Filmen werden für gewöhnlich zeitnah zum Kino-Release des Films veröffentlicht, doch diese Konvention stand bei Rudolph the Red-Nosed Reindeer kaum zur Debatte. Basierend auf dem gleichnamigen Filmklassiker aus dem Jahre 1964 verlässt sich GameMills interaktive Version des Weihnachtsklassikers auf den saisonalen Schub, der der Marke inhärent ist. Bevor wir zum eigentlichen Test des Spiels kommen noch eine kurze Anmerkung: Mancherorts wird das Spiel – wohl auch auf Grund der optischen Ähnlichkeit – als Remake des gleichnamigen Wii-Spiels bezeichnet. Das ist aber nicht korrekt, das Wii-Spiel war eine Minispielsammlung, die keinerlei spielerische Gemeinsamkeiten mit dem hier vorliegenden 3D Jump & Run hat.
In Rudolph the Red-Nosed Reindeer schlüpft man, wie kaum anders zu erwarten, in die Rolle des auffälligen Rentiers mit der strahlend roten Nase und muss die durch Entführungen und Organisationschaos in Gefahr geratenen Weihnachtsvorbereitungen retten, um am Ende mit dem großen Chef, dem Weihnachtsmann, Geschenke austragen zu können. Das Spiel bietet insgesamt vier große und weitläufige Collectathon-Level, hinzu kommen drei Endgegnerlevel und vier lineare Level, die sich jeweils an ein Collectathon-Level anschließen und etwas intensivere Hüpfaction bieten.

Die Spielmechanik von Rudolph the Red-Nosed Reindeer dürfte für Jump & Run-Fans keine großen Überraschungen bieten. Rudolph kann laufen, springen, in der Luft einen Doppelsprung machen und schweben, sowie mit seinen Hörnern kräftig nach vorne sprinten und rammen. Für ein Jump & Run mit eher jüngerer Zielgruppe vielleicht etwas ungewöhnlich ist, dass Rudolph zusätzlich mit zweierlei Parcour-Fähigkeiten aufwarten kann. So kann Rudolph Wandsprünge ausführen und an geeigneten Wänden sogar wie der Prinz aus Persien entlangrennen. Die Spielmechanik ist insgesamt solide, auch wenn der Wandsprung und der Wandlauf etwas mehr optisches Feedback hätten vertragen können.
Der große Schwachpunkt der Spielmechanik ist leider die Kamera, die zwar frei rotiert werden kann, aber sehr schlecht damit umgeht, mit Geometrie zu kollidieren. Um die Sicht auf Rudolph nicht zu verdecken weicht die Kamera Hindernissen in hoher Geschwindigkeit aus, kann aber in vielen Szenarien keine geeignete Position finden und schwingt dann wild durch die Gegen bevor sie sich stabilisiert. Oftmals in einer Position, die bei der leichtesten Bewegung abermals Schwierigkeiten bereitet. Wirklich biestig wird die Kamera nur in einer Handvoll Situationen, aber diese sind durchaus eindrückliche Erfahrungen, die den Gesamteindruck des Spiels merklich schmälern.

Das Aufgabendesign in den offen gestalteten Levels setzt größtenteils auf das Sammeln von Gegenständen. Das Hauptsammelziel eines jeden Levels ist es, die goldenen Weihnachtsglocken zu sammeln, derer es unterschiedlich viele je Level gibt. Einige Weihnachtsglocken sind an Aufgaben gebunden, die gelöst werden müssen, um das Level überhaupt abzuschließen, die übrigen sind im Grunde genommen optional, aber nur wer alle Weihnachtsglocken im Spiel mitnimmt, bekommt das gute Ende zu sehen, das dann wirklich für alle Protagonisten ein Happy End darstellt.
Um die Weihnachtsglocken zu erhalten, muss man seinerseits verschiedene Unteraufgaben absolvieren. In jedem Level gibt es beispielsweise 24 rote Weihnachtsbaumkugeln, die zu sammeln mit einer Glocke belohnt wird, andere Aufgaben sind individuell für die Einzellevel gestaltet. Es gibt Rennen durch markierte Tore, hoch gelegene Aussichtspunkte, die an geschicktes Platforming gebunden sind und zahlreiche weitere Sammelaufgaben, in denen man beispielsweise versteckte Geschenke oder Schneemänner in der Umgebung suchen muss. Grundsätzlich ist das Aufgabendesign in Ordnung, aber einige der Sammelaufgaben sind durch die Größe der Spielwelt, den Verzicht auf ein Radar und die geringe Größe der Sammelgegenstände erschwert.

Der Schwierigkeitsgrad von Rudoloph the Red-Nosed Reindeer ist über weite Strecken erwartungsgemäß niedrig, eine Hand voll Aufgaben sind aber überraschend anspruchsvoll. Besonders hervorzuheben ist hier eine Aufgabe, bei der man – im dritten großen Level – einen Schalter aktiveren muss, um drei Plattformen zeitweise in Position zu bringen und um die dritte Plattform zu erreichen, ist ein ziemlich waghalsiges Wandsprungmanöver im Zusammenspiel mit der Geweihattacke notwendig.
Rudolph the Red-Nosed Reindeer ist ein solides 3D Jump & Run, das zwar keinen Kreativitätspreis gewinnt, die Grundlagen aber ordentlich genug umsetzt, dass es als weihnachtliches Kinderspiel seinen Dienst zufriedenstellend tut. Die etwas zu weitläufigen Gebiete mit teilweise fies versteckten Sammelgegenständen können ein wenig Frust auslösen, aber da man nur wenige der Glocken tatsächlich für den Abschluss des Spiels benötigt, kann die Frustration oftmals vermieden werden.

Vielen Dank an GameMill für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf Xbox Series X.