
Wario hat auf dem Game Boy eine steile Karriere vom Bösewicht zum Helden seiner eigenen Spielreihe hingelegt, aber abgesehen von Gastrollen in verschiedenen Mario-Spin-Offs wie Mario Party und Mario Kart blieb ihm ein Auftritt auf der Heimkonsole lange verwehrt. Dank des Arcade-Spiele-Experten Treasure änderte sich das auf dem GameCube und Wario wurde hat sein erstes – und bis dato einziges – 3D Jump & Run spendiert bekommen: Wario World. Konzeptuell musste hierfür natürlich vieles neu gedacht werden, doch Warios markante Persönlichkeit scheint durch das gesamte Spiel hindurch.
Wario setzt sich vehement für die Gleichberechtigung aller Schätze ein: Jede Preziose dieser Welt hat das Recht, sich in seinen Besitz zu begeben. Entsprechend kunterbunt gestaltet sich Warios Schatzkammer in seinem frisch gebauten Schloss, in dem es sich der kräftige und etwas pummelige Sympathieträger eingenistet hat. Doch manchmal wäre es doch etwas besser, seine Schätze zu prüfen, bevor man sie einsackt, denn das schwarze Juwel entwickelt zu Beginn des Spiels ein Eigenleben und verwandelt Warios übrige Schätze kurzerhand in Monster und sein Schloss in vier Welten, die er erkunden muss, um sein mehr oder weniger rechtmäßig angehäuftes Vermögen wieder in seine ursprüngliche Form zurückverwandeln zu können. Wie ärgerlich!

Das Grund-Gameplay von Wario World ist eine Adaption der Mechaniken von Wario Land in die dritte Dimension. Wario kann also rennen, springen, stampfen und rammen, zusätzlich kann er aber auch Gegner greifen und mit ihnen wild Manöver durchführen, die an Wresting-Moves erinnern. So kann er beispielsweise Gegner schleudern und durch die Luft werfen oder aber sie in den Boden rammen. Die Animationen sind ausdrucksstark und unterstreichen Warios Charakter, zusätzlich werden sie durch Sprachsamples wie Warios neuen Catchphrase „Have a rotten Day“ unterstützt. Das Leveldesign setzt einen Schwerpunkt auf Kämpfe gegen kleinere und größere Gegner und die Suche nach Geheimnissen in der Spielwelt. Wario World nutzt allerdings eine fixe Kameraperspektive von diagonal über Wario, so dass Wario World einen etwas lineareren Charakter hat als die meisten 3D Jump & Runs seiner Zeit.
Wario World ist in vier Welten zu je zwei Levels und einem Endgegner unterteilt. Die Level dauern ca. zehn bis fünfzehn Minuten, man kann also leicht überschlagen, dass Wario World selbst für ein zwanzig Jahre alters Spiel ungewöhnlich kurz ist – ein Umstand, der dem Spiel seinerzeit viel Kritik eingebracht hat. Im Gegenzug ist Wario World aber ziemlich abwechslungsreich gestaltet und hat keine spielerischen Durststrecken aufzuweisen. Für etwas zusätzliche Langzeitmotivation kann Wario in jedem Level fünf Wichtlinge finden, die zwar nicht zwingend erforderlich sind, aber je mehr Wario rettet, desto besser wird seine Belohnung am Ende des Spiels. Zusätzlich findet man acht rote Diamanten in anspruchsvolleren Platforming-Minilevels, die in jedem Level versteckt sind und spielerisch klar das Highlight in Wario World darstellen. Die Minilevel sind nicht vollständig optional, da man einige rote Diamanten benötigt, um die späteren Level freizuschalten, aber hierzu benötigt man nur etwa die Hälfte der Diamanten; es lohnt sich aber zweifelsohne, alle einzusammeln.

Wie zuvor schon Wario Land 4 nimmt auch Wario World Abstand von der Idee eines unbesiegbaren Warios. Tatsächlich hat Wario eine Lebensenergieleiste – die übrigens durch Sammelgegenstände in Form einer Wario-Statue nach und nach ein wenig vergrößert werden kann – die sich bei gegnerischen Treffern leert. Hat man all seine Lebensenergie aufgebraucht, ist es aber nicht zwangsläufig vorbei für Wario. Stattdessen bekommt man die Gelegenheit, sich von seinen gesammelten Reichtümern eine zweite Chance am Punkt seines Verendens zu erwerben. Erst, wenn der Mammon aufgebraucht ist, ist für Wario endgültig alles vorbei. Wer ein richtiger Raffzahn ist, der will aber natürlich schon die Schmach, sein Geld für ein zusätzliches Leben zu opfern vermeiden! Hierzu kann man mit Knoblauch, den es an verschiedenen Stellen in den Levels zu finden oder käuflich zu erwerben gibt, seine Lebensenergieleiste wieder auffüllen. Wario World ist zwar nicht allzu schwierig, da aber die Gegnerzahl schon erheblich ist, kann es ohne weiteres passieren, dass man sich an wertvollem Knoblauch gütlich tun muss.
Technisch ist Wario World gut gelungen. Die Animationen sind ausdrucksstark und transportieren Warios Charakter gut und das Level- und Figurendesign ist liebevoll. Die durchgedrehte Atmosphäre, die Wario im Vergleich zu Mario auszeichnet, ist auch in Warios 3D-Auftritt allgegenwärtig, auch wenn es etwas schade ist, dass Treasure sich überhaupt nicht an den etablierten Figuren aus dem Wario Land-Universum bedient hat, sondern Wario einen komplett neuen Satz an Widersachern vor die Knollennase gesetzt hat.

Wario World ist ein kurzes aber spaßiges 3D Jump & Run, das vor allem in den kreativen Jump & Run-orientierten Sublevels glänzt. Zwar kann Wario World mit dem Ideenreichtum der Wario Land-Reihe, insbesondere dem zweiten Teil, nicht ganz mithalten, nichtsdestotrotz überzeugt es mit einer runden Spielbarkeit und durchdachtem Leveldesign. Für Wario- und Jump & Run-Fans ist Wario World in jedem Fall eine Empfehlung wert und der größte Kritikpunkt aus seiner Zeit, der geringe Spielumfang, dürfte zwanzig Jahre nach Erscheinen nur noch wenig ins Gewicht fallen.

Getestet auf GameCube.