Zehn Jahre The Game Awards – Ein Rückblick

Platz 7 – »Please wrap it up!«

Baldur’s Gate III ist das komplette Kontrastprogramm zum Witcher. Von den neun Teilnehmenden haben lediglich drei das Rollenspiel gespielt. Ganze fünf bewerteten das Spiel nach ihrem individuellen Geschmack und trotz allem konnte es sich von der Gruppe am unteren Bildrand fernhalten. Eine respektable Leistung für unsere HÖCHST wissenschaftliche Ranking-Geschichte.

Punkte46,5
Gespielt3
Höchster Platz2
Niedrigster Platz10

Platz 7


War das Jahr 2015 irgendwie frei von Kontroversen, kann man dies über die letzten Jahre nicht mehr behaupten. Nahezu jedes Jahr finden Zuschauer- und Journalist:innen sowie andere Personen aus der Industrie neue Kritikpunkte an The Game Awards. Da nehme ich mich persönlich nicht raus, allerdings machen es die Produzenten der Show an einigen Stellen auch sehr einfach. Doch mein größtes Problem ist die anhaltende, und gefühlt stärker werdende, Trivialisierung der Awards und damit einhergehend der sichtbar fehlende Respekt gegenüber den Kunstschaffenden hinter den Spielen. Wenn sie nicht Hideo Kojima heißen, versteht sich, hihi.

Zugegeben, als Christopher Judge 2022 seinen Award für die beste Performance entgegennahm, streckte sich seine Rede ziemlich. Dass dahingehend ähnlich wie bei der Oscar-Verleihung ein Zeitfenster für Dankesreden etabliert werden sollte, steht außer Frage. Auch wenn sich diese 2022 selbst blamiert haben, als sie bei den Special Effects das Mikro ausgeschaltet haben, bevor Gerd Nefzer vom Film Dune ebenfalls nach seinem Kollegen reden wollte. Aber ja, Ordnung muss selbstverständlich bei einem so getakteten Event sein.

Dass allerdings bei der allerletzten Rede von Swen Vincke (Baldur’s Gate 3) in dem Moment Musik und das in den sozialen Netzwerken viral gegangene »Please wrap it up!« eingespielt wurde, als dieser einem verstorbenen Kollegen gedenken wollte, hat ein übles Geschmäckle. Sehr gerne wurde der Vergleich aufgezogen zur Präsenz von OD, in dem Jordan Peele und Hideo Kojima (wer sonst) über sechs Minuten nichts zu einem Spiel zu sagen oder zu zeigen hatten, außer dass es existiert, wer als Schauspieler:in diesmal dabei sein würde…und sich dann gegenseitig selber über den Klee gelobt haben. Aber hey, wenigstens durfte Swen Vincke eine kurze Dankesrede halten. Ein Löwenanteil der Awards wird mittlerweile entweder als schnelles Abfrühstücken innerhalb der Show oder in der Pre-Show “gezeigt”.

Ab wann ist ein Indie ein Indie?

Ein wenig peripher schwingt bei der “Respekt”-Angelegenheit sicher rein, in welcher Kategorie welches Spiel nominiert wird. Definitionen sind immer schwierig und an manchen Stellen subjektiver Natur, so ist es meiner Ansicht zwar legitim, dass 2024 Elden Ring: Shadow of the Erdtree als DLC für Spiel des Jahres nominiert ist, aber teile die Einschätzung nicht. Auch Sifus Nominierung als Fighting Game kann sicherlich hinterfragt werden (und wurde es auch stellenweise). Und dass Games for Impact eine schwammige Kategorie ist, wurde sicher nicht nur im Village-Discord rege diskutiert.

Größere Aufmerksamkeit erhielt allerdings die Nominierung 2023 von Dave the Diver als Best Indie. Gewonnen hat der tapfere Taucher zwar nicht, doch dass das Entwicklerstudio Mintrocket erst 2022 von Nexon Co Ltd. gegründet wurde, ist vielen übel aufgestoßen. Es geht dabei nicht um Publishing-Rechte, denn sonst wären seit Jahren Annapurna Interactive und Devolver Digital ein “Verstoß” gegen die gängigsten Definitionen von Independent (dt. “unabhängig”) Games. Vielmehr geht es hier um Besitz des Studios unterhalb eines größeren Unternehmens, welches die Finanzierung sichern kann. Ein wenig wie Naughty Dog zu Sony, nur in kleinerem Maßstab.

Screenshot aus Dave the Diver
Und der Haifisch, der hat Zähne…

Wie fair ist dies in einer Kategorie, in der sich normalerweise Studios tummeln, deren Existenz in der Regel vom jeweiligen Erfolg des Spiels abhängt? Das Problem an der Debatte, in der meiner Ansicht nach beide Seiten nachvollziehbare Argumente gebracht haben, ist der Rattenschwanz, welcher folgen würde. Wenn wir nun definieren, was ein Indie wäre, ab wann es gilt, und ab wann nicht (in meinen Augen wäre beispielsweise Baldur’s Gate 3 ein Indie, Dave the Diver nicht), müssen wir auch die anderen Kategorien durch definieren. Und wir ALLE wissen, wo es hinführt, wenn wir über Genres reden. Schaut euch doch nur die aktuell nominierten Spiele für Action-Adventure an. Diese Spiele haben im Grunde keine Gemeinsamkeiten mehr, es müssten also entweder Spiele herausfallen oder mehr Kategorien eingeführt werden. Und ich glaube, die Debatten über Genres wollen wir nicht führen oder miterleben…

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