Mancherorts wird im Vierjahresrhythmus gewählt, in Visions of Mana ernennt die Fee alle vier Jahre neue Geweihte. Deren Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem Seelenwächter zum Mana-Baum zu reisen. Dort bieten sie ihre Seelen dar, auf dass der Manafluss die nächsten vier Jahre verjüngt das Leben erhalten kann. In der Rolle des Seelenwächters und der Geweihten habe ich mir den neusten Titel der Mana-Reihe angeschaut.
Geweihte und Opfer
Protagonist des Action-RPGs ist Val, Seelenwächter aus dem Feuerdorf Tiana. Seine Aufgabe ist es, die Geweihten sicher zum Mana-Baum zu geleiten. Diese werden von den Elementaren ausgewählt und von der Fee ernannt. Oft geschieht das in Verbindung mit großen Ritualen der Ortschaften, in denen die Ernennung stattfindet. Geweiht zu sein, ist eine große Ehre, aber auch mit Verantwortung verknüpft. Wenn der oder die Geweihte aus einem Ort nicht den Mana-Baum erreicht, dann stürzt das Ausbleiben des Opfers die Gegend in Chaos.
Unter den Geweihten ist auch Hina, Vals Freundin. Das gibt den beiden die Möglichkeit, gemeinsam die Welt zu sehen und mehr Zeit miteinander zu verbringen. Gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Aber über all dem schwebt das Bewusstsein, dass die Reise planmäßig mit einem Abschied endet. Das sorgt auch für einige melancholische Momente bedrückende Ereignisse.
Früher waren es einmal acht Geweihte, die den Mana-Baum erreichten. Doch seit sechzehn Jahren gab es keinen Mondgeweihten mehr, während ein Vorfall vor vier Jahren die Erdstadt Gudju leergefegt hat. Umso wichtiger also, dass alle anderen Geweihten den Weg schaffen.
Würden sich da nicht doch langsam Zweifel regen.
Malerische Landschaften
Doch Visions of Mana ist nicht nur melancholisch. Auf die Truppe wartet eine Welt, die entdeckt werden will, unzählige Abenteuer und Herausforderungen. Zudem ist den Geweihten ihre Rolle und das, was sie damit erreichen, wichtig. Unterwegs knüpfen sie neue Freundschaften, lernen dazu und haben Spaß.
Die Welt ist wunderhübsch und gespickt mit automatisch aufgesammelten Items, Truhen und Gegnergruppen. Klettern kann die bunte Truppe zwar nicht, aber dank Doppelsprung und Sprint in der Luft lassen sich schmale Absätze oftmals ausnutzen.
Die Welt besteht aus einer Mischung aus schmalen und weit offenen Gebieten auf mehreren Inseln. Dazwischen gibt es verschiedene Ortschaften. Im Verlauf der Geschichte öffnen sich alle Gebiete weiter, wodurch sich manche Wege wiederholen, doch das hält sich in Grenzen. In vielen Fällen lässt sich die Wiederholung auch durch die Schnellreise vermindern oder verhindern. Sackgassen, die später offen sind, sind unauffällig, so dass ich nie das Gefühl hatte, gerade vor einer zu stehen.
Überall verteilt sind auch Kaktusfratze, die Erkundungsdrang belohnen. Dabei sind sie bei Weitem nicht so zahlreich wie Krogs und oft sehr gut versteckt. Die Kaktusfratze schalten verschiedene Boni frei wie das Markieren besonderer Objekte auf der Karte oder Rabatte in den Shops. Wirklich essentiell ist es nicht, möglichst viele zu finden, aber die Belohnungen eignen sich durchaus.
Auch Ruinen bieten die offenen Gebiete. Das Besiegen starker Gegner wird hier mit neuen Items belohnt. Entsprechend ist das eine Aufgabe für den späten Spielverlauf, was ich schmerzhaft gelernt habe, als ich nichtsahnend in eine Gegnergruppe gerannt bin. Hätte ich mal besser auf vorhandene Warnzeichen und das Gegnerlevel geachtet oder wäre rechtzeitig geflohen …
Vom Weg abkommen
Nachdem ich Tiana verlassen habe, habe ich voller Tatendrang ausprobiert, ob es Fallschaden gibt, und mich eine Klippe hinabgestürzt. Unten landete ich sicher am Strand und habe erst einmal fröhlich Gegner bekämpft und Items aufgesammelt.
Anschließend bin ich in die Ruine gegangen und habe mich zum ersten Mal vernichten lassen. Das sollte einem Seelenwächter natürlich nicht passieren. Wird die Gruppe ausgelöscht (oder alle versteinert), dann kann ich zum letzten Speicherpunkt zurückspringen. Leider habe ich zehn Spielstunden gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich auch den letzten Schnellspeicherstand nehmen kann. Der ist bei der Auswahl in einem Untermenü versteckt, weshalb ich nicht immer den neuesten Speicherstand ausgewählt habe.
Also bin ich zweimal die Klippe hinabgesprungen. Immerhin war es lustig. Auch später bin ich gern erst einmal in alle anderen Richtungen gegangen als die, in der der Questmarker liegt. Truhen und aufsammelbare Gegenstände sind aus der Entfernung markiert, also habe ich immer das nächste Leuchten gesucht. Besonders bei den Truhen ist dann das tatsächliche Finden der Truhe noch eine zusätzliche Suche, weil sie ab einer bestimmten Nähe nicht mehr hervorgehoben werden. Bei Markierungen auf der Karte, die sich eventuell als Truhen entpuppen, passiert natürlich dasselbe.
Dann ist es eine Mischung aus Überlegungen, welcher Ort das wahrscheinliche Ziel ist (wie das Ende einer herausragenden Klippe) oder wo die Truhe vielleicht hinter Bäumen oder Ruinen versteckt ist. In den Truhen verbirgen sich häufig Verbrauchsgegenstände oder Geld, bisweilen aber auch Ausrüstung. Dadurch musste ich das gesamte Spiel über kaum Heilgegenstände kaufen. Zudem bestand durch normale Kämpfe, Exp-Erhalt-steigernde Items und Mutfalter mit zeitlich begrenzter Wirkung für mich kein Bedarf an Grinding.
Kämpfe
Visions of Mana nutzt ein Action-Kampfsystem, bei dem drei Mitglieder aus der Gruppe aktiv kämpfen. Hina unterstützt heilend, greift aber nicht weiter in Kämpfe ein.
Zwischen den drei Kämpfenden kann ich jederzeit wechseln; auch außerhalb von Kämpfen kann ich unterschiedliche Charaktere steuern, wenn ich nicht gerade wegen der Story in Ortschaften Val nutzen muss. Spielerisch entstehen dabei keine Unterschiede, aber die vertonten Kommentare beim Einsammeln von Items variieren.
Jeder der fünf spielbaren Charaktere verfügt über eine Anfangsklasse und acht elementare Klassen, die auf den Geisterreliquien beruhen. Das Elementarbrett fungiert als Fähigkeitenbaum und schaltet mit EP neue Fähigkeiten und Wertsteigerungen frei. Beim Wechsel einer Klasse sind freigeschaltete Fähigkeiten weiterhin nutzbar.
Aufeinanderfolgende normale Angriffe bauen automatisch Kombos auf. Daneben sind auch Angriffe möglich, bei denen ich beispielsweise den Angriffsknopf etwas länger drücke, diese habe ich allerdings erst im Postgame regelmäßig benutzt. Daneben gibt es zwei Typen von Angriffen, die mit den Geisterreliquien zusammenhängen und bei denen sich erst eine Leiste aufladen muss. Mit einem Cooldown verknüpft sind spezielle Aktionen der Geisterreliquien wie Verlangsamung der Gegner im Umkreis oder ein kräftiger Wasserstrahl.
Neben verschiedenen nichtmagischen Angriffstypen gibt es acht verschiedene Elemente, was zu einigen möglichen effektiven oder resistenten Angriffen führt. Da ich überwiegend Morley mit Mondangriffen aktiv gespielt habe, sind mir besonders dabei Resistenzen aufgefallen, aber auch bei den anderen Elementen und bei nichtelementaren Angriffen. Entsprechend ist es empfehlenswert, möglichst unterschiedliche Angriffstypen zu nutzen, sowohl bei einzelnen Charakteren, als auch übergreifend im gesamten Team. Dabei war ich gut aufgestellt, weshalb ich selten nach gescheiterten Bosskämpfen die Angriffe anpassen wollte.
Daneben gibt es natürlich auch eine Vielzahl von Zaubern, um den Schaden bestimmter Elemente zu senken oder den Waffen Elemente zu verleihen. Heilungsoptionen habe ich nicht viele nebenbei gesammelt, aber auch ausreichend gefunden.
Was ist besser als ein Ringmenü? Zwei Ringmenüs!
Besonders wichtig ist in Visions of Mana das Ringmenü. Übergreifend gilt das Ringmenü für Items, während jeder Charakter ein eigenes Ringmenü für Aktionen hat.
Einige Items tauchen automatisch im Ringmenü auf, weshalb es nicht schlimm ist, zu vergessen, es zu personalisieren. Innerhalb von Kämpfen ist jeder Itemtyp im Ringmenü auf 9 Exemplare beschränkt. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad hätte ich erst im Postgame mehr als neun Engelskelche benötigt, um meine Teammitglieder wiederzubeleben. Also hat mich die Einschränkung nicht gestört.
Das zweite Ringmenü habe ich eher selten benutzt. Es bietet Platz für einige verschiedene Aktionen, ich habe allerdings meistens nur die vier Aktionen in der Schnellauswahl benutzt. Nicht aktiv gesteuerte Charaktere nutzen alle Aktionen im Ringmenü selbstständig, abhängig von ihrer eingestellten Strategie.
Über die Ringmenüs vergebe ich aber auch Befehle an die Charaktere, die ich nicht aktiv steuere, was ich in der Regel für Stärkungen oder Heilitems verwendet habe. Mit den entsprechenden Strategien musste ich darauf aber nur wenig Aufmerksamkeit richten. Erst im allerletzten Bosskampf habe ich mehr darauf geachtet, notfalls nachzulenken, wenn ich befürchtet habe, dass jemand nicht rechtzeitig geheilt oder wiederbelebt wird.
Ein geöffnetes Ringmenü pausiert das Spiel. Ich finde das sehr angenehm, weil ich so aufpassen konnte, dass ich das richtige Item auswähle und auf den richtigen Charakter anwende.
Neben den Aktionen aus dem Elementarbrett finden auch Fähigkeiten aus Samen ihren Platz im Ring- oder Schnellmenü. Darunter sind beispielsweise Wurfmesser oder Pfeile, die wie die magischen Angriffe MP benötigen. Passive Effekte wie Immunitäten gegen elementare Effekte wirken automatisch.
Klassen, Charaktere und Fähigkeiten
Die fünf Charaktere mit jeweils neun Klassen bieten viele Kombinationsmöglichkeiten. Während ich Val als Protagonisten von Visions of Mana immer im Team behalten habe, habe ich mit seinen Klassen und den anderen Charakteren viel herumgespielt.
Anfangs habe ich bei den anderen Charakteren die Geisterreliquien benutzt, die zu den Elementaren gehören, von denen sie zu Geweihten ernannt wurden. Bei Morley habe ich viel ausprobiert, bin am Ende aber bei seinem Mondelement geblieben, das mir bei ihm am meisten zugesagt hat. Das habe ich mit verschiedenen Angriffen der anderen Elemente verbündet, wodurch er sehr vielseitig wurde. Den dritten Charakter und dessen Reliquie habe ich häufiger gewechselt und teilweise den Fokus auf Heilfähigkeiten gesetzt.
Dadurch war ich auf die meisten Herausforderungen gut vorbereitet. Der normale Schwierigkeitsgrad war dadurch angenehm, für Spielende, die die Gruppenaufstellung besonders bewusst einstellen, bietet sich also der höhere Schwierigkeitsgrad an. Ich dagegen habe beispielsweise etwas an Effektivität eingebüßt, weil ich häufig lieber meinen Lieblingscharakter mit meiner Lieblingsklasse benutzt habe.
Innerhalb der Story liegt der Fokus meist auf einem Charakter und dessen Geschichte. Meist spielt eine Rolle, dass die Fee noch nicht aufgetaucht ist, jemanden zu ernennen. Trotzdem entwickelt sich jede Untergeschichte ein wenig anders und trotz des ähnlichen Schemas gibt es auch die eine oder andere Überraschung.
Die Hauptfiguren sind alle wahlweise auf Englisch oder Japanisch vertont, wobei sich die englischen Dialoge manchmal deutlich von den deutschen Texten unterscheiden. Daneben haben vele wichtige Nebenfiguren ebenfalls eine Stimme, während kleinere NPCs nicht vertont sind. Bei Nebenquests sind auch die Geweihten nicht vertont. Die englische Sprachausgabe ist gelungen, die Charaktere lassen sich gut unterscheiden und haben manchmal sprachliche Eigenheiten, die sich in den deutschen Texten nicht wiederfinden. Umgekehrt fand ich die Charakteristika der Aussprache des katzenartigen Bestienvolks im Deutschen oft deutlicher.
Hürden
Nach einigen Spielstunden hatte ich das Gefühl, als hätte mir jemand die Stützräder abgenommen. Ich brauchte ein wenig, um mich an geänderte Gegebenheiten anzupassen. Die Kämpfe waren währenddessen deutlich fordernder, aber dadurch habe ich mich mehr mit den Klassen und möglichen Angriffen auseinandergesetzt.
Später steigt die Schwierigkeit nicht mehr so deutlich an. Es gibt zwar einen Levelsprung der Gegner kurz vor Spielende, unterlevelt habe ich mich dennoch nicht gefühlt. Das hat mich ein wenig überrascht, doch vor allem fand ich sehr angenehm, dass ich weitergehen konnte. Ohne Grinding habe ich so rund 30 Stunden bis zum Abspann benötigt und habe die letzten Spielstunden vorwiegend mit Story und dazugehörigen Kämpfen verbracht. Kämpfe auf dem Weg habe ich nicht aktiv gesucht. Ein wenig Erkundung war weiterhin geboten.
Nebenquests
Sehr formularisch wirken die meisten Nebenquests in Visions of Mana. Mal gilt es, eine Gegnergruppe zu besiegen, mal versteckt sich irgendwo ein Gegenstand. Braucht ein NPC bestimmte Materialien, kann ich diese erst einsammeln, wenn ich den Auftrag habe. Fundorte werden meist auf der Karte markiert, entweder mit einem Marker oder mit einem Umkreis, in dem sich etwas befindet.
Davon abweichend sind einzelne Quests oder Questreihen wie die Geschichte einer jungen Frau, die einem Maler auf der Spur ist. Dabei suche ich nach dem Ort, an dem der Maler ein Bild gemalt hat. Das Bild im Menü erneut aufzurufen, ist ein wenig umständlich, aber sehr hilfreich. Denn ob ich an der richtigen Stelle innerhalb des markierten Kreises bin, sehe ich erst, wenn ich sehr dicht davor stehe. Also ist es wichtig, Bild und Ausblick zu vergleichen. Anfangs ist oft einfacher ersichtlich, welche konkrete Stelle richtig ist, als im Verlauf der Questreihe.
Einzelne Nebenaufgaben weichen auch dadurch ab, dass der Auftrag von einem Teammitglied stammt oder von jemandem, den Val kennt. Diese sind dann auch etwas anders aufgebaut und bilden kleine Nebengeschichten, die die Gruppe oder die Welt genauer ausleuchten.
Entsprechend sind die Nebenquests unterschiedlich reizvoll. Viele habe ich nebenbei erfüllt, wenn ich ohnehin in einem Gebiet bin, manchmal habe ich aber auch geschaut, ob ich die Belohnung haben möchte. Die lässt sich im Menü jederzeit nachschauen.
Geisterreliquien
Die Geisterreliquien schalten nicht nur Klassen für den Kampf frei, die für jeden Charakter einzigartige Outfits nutzen. Außerhalb von Kämpfen sammle ich EP für das Elementarbrett an Kristallen, die mit je einem Element verbunden sind. Auf dem Weg zu Bosskämpfen ist jeweils eine Geisterreliquie wichtig für die Fortbewegung. So rufen die Reliquien an bestimmten Stellen Windelementare für starke Winde, die die Gruppe nach oben oder über Abgründe befördern. Die übrigen Reliquien haben ähnliche Effekte. In der Oberwelt ermöglichen die Reliquien in den meisten Fällen Abkürzungen.
Außerdem schalten die Geisterreliquien Kampf-Herausforderungen frei. Diese bringen weder Geld noch Erfahrungspunkte, schalten aber elementare Effekte frei. Durch Zeitlimits habe ich einige von ihnen versucht und nicht sofort geschafft.
Fazit
In der Welt von Visions of Mana habe ich mich schnell heimisch gefühlt. Das Action-RPG bietet eine gelungene Mischung aus schmalen Story-Gebieten mit kleineren lohnenswerten Abzweigungen und offenen Gebieten, in denen es überall eine Kleinigkeit zu entdecken gibt. Die Geschichte ist mal melancholisch, mal sehr lebensbejahend und bietet immer wieder amüsante Momente. Die vielen Klassen und die fünf spielbaren Charaktere sorgen für viele Anpassungsmöglichkeiten. Neben der Hauptstory ist auch viel Sidecontent geboten mit teilweise lohnenswerten Belohnungen. Allerdings sind die Nebenquests oft eher belanglos. Optisch ist die Spielwelt sehr schön und auch die musikalische Untermalung ist angenehm. Somit lohnt sich das Abenteuer in der Welt von Visions of Mana.
Herzlichen Dank an Square Enix für die Bereitstellung des Testmusters. Gespielt auf PlayStation 5.