
Star Trek ist, obwohl es eine sehr umfangreiche IP ist, schwierig in angemessener Form in ein Videospiel zu übersetzen. Spiele mit einem Schwerpunkt auf Gewaltanwendung stehen schnell im Widerspruch zu den inhaltlichen Prinzipien der Serie und Spiele, die auf eine hohe Agilität der Figuren setzen, können gleichsam schwierig mit der Welt von Star Trek verbunden werden. Da Kommunikation und kooperative Problemlösung die wichtigsten Handlungsprinzipien in Star Trek sind, bietet sich also vor allem ein interaktives Geschichtenformat wie eine Visual Novel oder die Telltale-Spiele an. Letzteres möchte Star Trek Resurgance nun im Star Trek Universum mit einer neuen Crew umsetzen.
In Star Trek Resurgence schlüpft man in die Rolle des neuen ersten Offiziers Rydek der U.S.S Resolute. Sie trifft nach einer fehlgeschlagenen Mission auf einen angeschlagenen Captain, den neben den Sorgen um Crew und Schiff immer auch Sorgen um die eigene Karriere plagen und eine Crew, die teilweise nicht begeistert ist, einen ersten Offizier von außerhalb zu erhalten. Hinzu kommen Bedenken mancher Crewmitglieder, dass sie als Kobliadin nicht geeignet sei, die Position des ersten Offiziers zu bekleiden, da sie auf eine regelmäßige Zufuhr von Deuridium angewiesen ist, um nicht zusammenzubrechen.

Neben Rydek schlüpft man außerdem wechselweise in die Rolle des jungen Ingenieurs Diaz, der das Schiff aus einer ganz anderen Perspektive, nämlich der eines Lower Decks-Besatzungsmitgliedes wahrnimmt. Diese doppelte Perspektive ist hervorragend integriert und verzichtet dabei komplett auf den albernen Klamauk den man aus Star Trek Lower Decks kennt. Obwohl die Resolute ein neues Schiff mit neuer Besatzung ist, schafft es Star Trek Resurgence auf hervorragende Weise, die Atmosphäre und den erzählerischen Geist der Star Trek-Serien aus den 90er Jahren einzufangen. Die Charaktere sind prägnant, mehrschichtig und wandlungsfähig, die Kommunikation erfolgt mit der aus Star Trek bekannten Bedachtheit und sprachlichen Sorgfalt. Die Sprachausgabe ist ausschließlich auf Englisch verfügbar, es gibt aber optionale deutsche Untertitel von guter Qualität.
Ausgangspunkt für die Geschichte von Star Trek Resurgence ist ein Konflikt zwischen zwei Völkern, die um die Vermittlung durch die Föderation bitten. Das Volk der Alydianer ist technisch dem Volk der Hotari deutlich überlegen und nutzt die Hotari als Minenarbeiter für die eigene Energieversorgung und den interplanetaren Handel. Doch begünstigt durch eine Raumanomalie, die die Raumschiffe der Alydianer stark einschränken, konnten die Hotari die Oberhand gewinnen und die Mine unter Kontrolle bringen. Um einer blutigen Auseinandersetzung zu entgehen, bitten die beiden Völker den angesehenen Botschafter Spock um Vermittlung in Friedensgesprächen. Rydek findet sich schnell in Spocks Delegation und wird in die mysteriösen Hintergründe des Konfliktes hineingezogen. Die Geschichte wird im weiteren auf sinnvolle Weise mit den Geschehnissen einer Folge der zweiten Star Trek-Serie The Next Generation verknüpft. Das geht mit einer weiteren Cameo einer bekannten Figur einher, die sich gut in die Gesamtgeschichte einpasst, ohne den Eindruck eines aufgezwungenen Fanservice zu hinterlassen.

Die Geschichte wird in Echtzeitsequenzen erzählt und wird mit dem interaktiven Teil des Spiels verwoben. Das Gameplay erstreckt sich über zwei Spielweisen. Einerseits trifft man immer wieder Entscheidungen in persönlichen Konversationen, die Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte und auf die Beziehungen der Charaktere zueinander haben, andererseits führt man, besonders in der Rolle Diaz, alle möglichen manuellen Aufgaben aus, die man aus den Star Trek-Serien kennt. Diese sind größtenteils spielerisch recht belanglos, sollen aber das Gefühl vermitteln, im Star Trek-Universum zu agieren. Im Hinblick auf Häufigkeit und Umfang dieser Tätigkeiten haben die Entwickler sich so weit zurückgehalten, dass sie dem Spielfluss nicht im Weg stehen.
Vereinzelt gibt es auch ein kleines Rätsel zu lösen oder Kämpfe mit dem Phaser auszufechten. In Sachen Gewalt hält sich Resurgence aber in angemessenem Maße zurück und verkommt weder inhaltlich, noch spielerisch zu einem Action-Spiel. Nichtsdestotrotz sei angemerkt, dass die wenigen Phaser-Kämpfe und Stealth-Einlagen allenfalls von durchschnittlicher Qualität sind. Sie stehen dem Spiel aber auch nicht im Weg und können, wenn man keine Lust auf diese Form des Gameplays hat, auch mit einer optionalen Unverwundbarkeit völlig trivialisiert werden.

Mit einer Geschichte, die den Geist von Star Trek gut verstanden und eingefangen hat, gut geschriebenen Charakteren und einer eng an die 90er Serien angelehnten Optik ist Star Trek Resurgence wohl eine der originalgetreuesten Umsetzungen der Star Trek-Marke. Die entscheidenden Schwachpunkte des Spiels liegen in den bekannten Einschränkungen, die Telltale-Spiele über die Jahre immer geplagt haben. Holprige Animationen, gelegentlich unglückliche Kameraperspektiven und eine Vielzahl kleiner Bugs sorgen dafür, dass Resurgence einen sehr unpolierten Eindruck hinterlässt. Es gereicht dem Spiel zum Vorteil, dass auch das Quellmaterial gelegentlich etwas holprig oder hölzern wirkt, nichtsdestotrotz kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Star Trek Resurgence von einem etwas höheren Budget hätte profitieren können.
Als vor allem durch seine Handlung getragenes Spiel ist Star Trek Resurgence offensichtlich ein Spiel, das eine Affinität zur Star Trek-IP voraussetzt. Wer die Vorliebe der Star Trek-Schreiber für diskursive Problemlösung nicht mag, wird sicherlich auch mit Resurgence nicht glücklich werden. Star Trek-Fans hingegen erhalten eine gelungene XXL-Folge ihrer Lieblingsserie, die inhaltlich die aktuell zu Ende gehende Serie Star Trek Discovery mühelos deklassiert. Technische ins inszenatorische Schwächen können die interessante Geschichte und die gut geschriebenen Charaktere nur in geringem Maße zurückhalten. Für Star Trek- oder Science Fiction-Fans ist Star Trek Resurgence eine sichere Bank, für alle anderen schon konzeptuell keine sinnvolle Wahl.

Getestet auf Xbox Series X.