Zur Resident Evil-Reihe habe ich ein etwas zwiegespaltenes Verhältnis: Während ich das Leveldesign der älteren Teile grundsätzlich schätze, ist die Panzersteuerung im Zusammenspiel mit den festen Kameraperspektiven für mich so unangenehm, dass ich die neueren Spiele ab Resident Evil 4 trotz stärkerem Fokus auf die Action bevorzuge. Resident Evil 2 Remake ist insofern für meinen Geschmack ein idealer Kompromiss aus modernisierter Spielbarkeit und dem komplexeren Leveldesign der Klassiker.
In Resident Evil 2 Remake schlüpft man wahlweise in die Rolle von Leon oder Claire und geht dem Geheimnis hinter den bedrohlichen Ereignissen in Raccoon City auf den Grund. Beide Charaktere kämpfen sich durch die gleichen Szenerien, allerdings mit kleinen Unterschieden in Reihenfolge und Aufgabenstellungen. Die Geschichte im Spiel wird durch Echtzeitvideosequenzen vorangetrieben, allerdings verbringt man einen großen Teil der Spielzeit allein, so dass sich die Erzählungen in Videoform in einem engen Rahmen halten. Zusätzlich gibt es zahlreiche Notizen, Journale und Briefe im Spiel zu finden, die einerseits den Ereignissen rund um Umbrella und die Zombie-Apokalypse Hintergrundinformationen geben und andererseits die Welt und ihren Figuren etwas mehr Leben zu geben.
Spielerisch ist Resident Evil 2 im Grunde ein klassisches Action-Adventure, das aber hinsichtlich der Action sehr defensiv ist. Die Gegner im Spiel bewegen sich zwar in aller Regel recht langsam, wie man es von Zombies erwarten sollte, aber dafür ist die Steuerung auch ein wenig sperrig. Wenngleich das Spiel nicht mehr auf die klassische Panzersteuerung setzt, bewegen sich die Protagonisten langsam und das Zielen mit den Schusswaffen bedarf einiger Geduld. Die Kämpfe gegen gewöhnliche Gegner sind durch den Munitionsmangel zudem in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Flucht und Angriff. Obwohl man mit der Zeit weitere Upgrades und stärkere Waffen erhält, stellt Resident Evil 2 sicher, dass man sich nie übermächtig fühlt. Neue Gegnertypen, die schwerer oder sogar gar nicht besiegt werden können, halten den Druck aufrecht.
Endgegnerkämpfe gibt es nur recht wenige und die Endgegner, die es gibt, sind nicht sonderlich spektakulär, fügen sich aber gut in das Gesamtgeschehen ein. Dass das Spiel hinsichtlich der Zahl der Endgegnerkämpfe zurückhaltend ist, ist der Atmosphäre in jedem Fall zuträglich, da allzu viele erfolgreiche Kämpfe gegen ungewöhnlich starke Widersacher der Bedrohlichkeit der sonstigen Widersacher ein Stück weit den Zahn ziehen würden.
Doch Resident Evil 2 ist noch zu einem bedeutend geringeren Anteil als die Spiele ab Resident Evil 4 ein Action-Spiel. Erkundung und kleine Rätsel nehmen hier sogar eine größere Rolle ein als der Kampf mit fiesen Zombies. Während die Rätsel größtenteils recht simpel sind oder sich gar auf das Sammeln geeigneter Informationen beschränken, ist der Erkundungsaspekt hervorragend design. Insbesondere die Polizeistation, die ungefähr zwei Drittel des Spiels ausmacht, ist sehr durchdacht gestaltet und die sukzessive Erschließung des verzweigten Schauplatzes macht eine Menge Spaß. Ähnlich wie in Metroidvania-Spielen gibt es unzählige Abkürzungen und Querverbindungen zwischen verschiedenen Schlüsselschauplätzen, die teilweise durch einseitige Verriegelungen und teilweise durch hilfreiche Gegenstände geöffnet werden. Der wesentliche Unterschied ist hier, dass die Gegenstände, die die weitere Erkundung bekannter Gebiete ermöglichen, mal im wörtlichen Sinne, mal im übertragenen, einfache Schlüssel sind und die spielerischen Möglichkeiten der Charaktere nicht erweitern. Die beiden Gebiete, die man nach der Polizeistation besucht, sind etwas kleiner und linearer aufgebaut als die Polizeistation, sind aber ebenfalls interessant gestaltet.
Eine wesentliche Rolle in Resident Evil 2 spielt die Ressourcenknappheit. Wir haben bereits angesprochen, dass Munition ein rares Gut ist, aber auch Heilgegenstände gibt es nur in beschränkter Zahl. Wer im einfachen Spielmodus spielt, kann den letzten Energiepunkt immer wieder mit etwas Geduld regenerieren, in allen anderen Spielmodi muss man aber mit den beschränkten Heilmöglichkeiten auskommen. Hinzu kommt, dass das Inventar eng begrenzt ist. Zwar kann man einige Erweiterungen im Spielverlauf finden, aber bis zum Ende muss man immer wieder planvoll vorgehen, um die richtige Balance zu finden aus Platz im Inventar um neue Sammelgegenstände aufzunehmen und der notwendigen Ausrüstung, um durch das entsprechende Gebiet zu gelangen. Immerhin gibt es aber zahlreiche Truhen im Spiel, die eine Reorganisation des Inventars erlauben. Obwohl ich Ressourcenmanagement persönlich nicht sonderlich mag, hat mich das Element in Resident Evil 2 nicht allzu sehr gestört, da es sehr schnell und übersichtlich erledigt werden kann.
Technisch ist Resident Evil 2 sehr ansprechend und bietet auf der Xbox Series X wahlweise stabile 60 Bilder in der Sekunde – das ist der Modus den ich gewählt habe – oder aber verbesserte Grafik durch Raytracing-Lichteffekte. Einzig der Umstand, dass das Spiel sehr düster ist und damit sehr anfällig für Umgebungslicht ist, ist hier etwas kritisch anzumerken.
Resident Evil 2 hat kann mit einem sehr durchdachten Leveldesign und einem runden Spielfluss, sowie einer dichten Atmosphäre überzeugen. In meinen Augen ist das Resident Evil 2 Remake der beste mit bekannte Teil der Reihe und verbindet die Stärken klassischer Resident Evil-Spiele scheinbar mühelos mit moderner Spielbarkeit. Selbst wenn einem der Horror-Aspekt nicht wichtig ist, kann Resident Evil 2 auch rein auf spielerischer Ebene als Action-Adventure überzeugen.
Getestet auf Xbox Series X.