Sagres (Review)

Den Wind in den Segeln spüren. Seegefechte. Unbekannte Gefilde. Weltbewegende Entdeckungen. Ratten, plötzliche Feuer, mysteriöse Gesänge aus der Tiefe. In Sagres wartet das echte Seefahrerleben auf den jungen Fernando. Gerade die Seefahrtsschule im titelgebenden Sagres abgeschlossen, stürzt er sich sofort ins erste Abenteuer. Für die Gilde zieht es ihn nach London, ins Mittelmeer, nach Afrika und darüber hinaus. Meist liegt aber auch sein Fokus darauf, den Vater einer Freundin zu finden. Dessen Spuren führen ihn ebenso in alle Himmelsrichtungen, aber auch zum Königshof in Lissabon. 

Sagres hat sehr kurzfristig meine Aufmerksamkeit erweckt. Doch schon wollte ich gern die Welt umsegeln und mein bestes geben, um meine Crew am Leben zu erhalten. Ob mir das immer gut gelungen ist?

Den Wind nutzen

Die meiste Zeit verbringe ich auf See. Ob von einem Hafen zum nächsten oder ins Unbekannte, als Seefahrer sind die Weltmeere mein Zuhause. Da ich keinen Taktstock wie in The Legend of Zelda: The Wind Waker habe und die Technik noch nicht weit genug für Motoren ist, bin ich auf die Winde angewiesen. Nach ihnen richte ich meine Segel aus, um möglichst schnell zum nächsten Ziel (oder einem Zwischenstopp) zu gelangen. Schließlich ist mein Frachtraum begrenzt und damit Wasser und Proviant. Ich möchte ja nicht, dass mir die Crew wegstirbt. Schließlich brauche ich sie, um das Schiff zu steuern.

Nach einigen Fahrten kenne ich die Winde rund um Lissabon. Weiß, wo die Windrichtung auf einmal wechselt. Wo ich die Segel perfekt ausrichten kann und wo der Wind nicht annähernd in die Richtung weht, in der ich unterwegs bin. Anderswo herrscht immer Flaute. Mit den häufiger besuchten Häfen, den wiederkehrenden Winden und den Küstenzügen entwickle ich mit der Zeit ein Gefühl dafür, wo ich gerade in der Welt unterwegs bin. Obwohl mir Orientierung sonst häufig so schwer fällt.

Screenshot: Auf dem Mittelmeer in Sagres.

Trotzdem sind gute Geographiekenntnisse in Sagres natürlich von Vorteil. In den meisten Fällen kann ich mir zwar anzeigen lassen, in welcher Richtung mein Ziel liegt. Erkunde ich völlig neue Orte, sieht das allerdings anders aus. Dann können mir die Wirte im Wirtshaus zwar  Gerüchte zu meinem Auftrag erzählen, aber ich kann mir nicht markieren lassen, wo ein Ziel ist, von dem niemand weiß, wo es liegt. Stattdessen orientiere ich mich dann an der Himmelsrichtung, groben Anweisungen und oft an Küstenlinien. 

Tödliche Gefahren

Geht die Reise quer über das Meer, hoffe ich darauf, dass ich rechtzeitig Land und einen Hafen erreiche. Auf See treibender Proviant reicht, um kurze Durststrecken zu überbrücken, nicht aber, um meine Crew durchgehend zu verköstigen. So viel Ladung verlieren untergehende Schiffe und dergleichen schließlich auch nicht.

Glücklicherweise bin ich nicht tot, wenn meine Crew nach und nach immer kleiner wird. Stattdessen lande ich wieder am letzten Hafen und verliere nur etwas Geld (die Crew habe ich schließlich vor meinem Blackout schon verloren).

Bisweilen verliere ich auch ein paar Crewmitglieder durch zufällige Events. Reichen meine Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich nicht aus, dann kann es vorkommen, dass beispielsweise Leute sterben, während sie nach Proviant auf einem Schiffswrack suchen. In anderen Fällen fressen aber auch nur Ratten meine Vorräte an oder Ähnliches. Dafür kann ich in manchen Ortschaften jedoch Katzen kaufen, so dass mir dieses Event dann nicht mehr schadet. Das gilt für andere Ereignisse ebenso. Ohrschützer etwa helfen gegen mysteriöse Gesänge auf dem Meer. Wenn ich mich nicht gegen etwas schützen kann, dann fühlt es sich manchmal leider ein wenig danach an, als bräuchte ich Glück für einen guten Ausgang.

Sterbe ich in einem Kampf, ob per Schiff oder im Zweikampf, dann schickt mich das Spiel zurück zu meinem letzten Speicherstand. Das ist mir zwar nicht besonders häufig geschehen, aber ich bin dennoch dankbar für die regelmäßigen Erinnerungen des Spiels. Denn mit jedem seit dem Speicherpunkt vergangenen Monat meldet sich Fernando, dass die letzte Sicherung eine Weile zurückliegt. Einerseits ist so ein Monat auf See und zwischen Häfen nicht besonders lang. Insbesondere, da es jeweils acht Tage dauert, einen Ort zu betreten oder zu verlassen. Doch manchmal passiert eben doch ein wenig mehr. Außerdem möchte ich ja auch die Schiffsreise nicht unnötig wiederholen.

Alle Sprachen der Welt

Da Sagres mich in viele verschiedene Länder führt, brauche ich dafür natürlich auch Sprachkenntnisse. In der Regel helfen dabei Navigatoren aus, die ich an Standorten der Gilde anheuern kann. Für jede vorhandene Sprache gibt es drei Sterne. Je mehr Sterne ein Navigator in einer bestimmten Sprache besitzt, desto mehr kann ich deshalb von dem verstehen, was Leute in einer fremden Sprache erzählen. Auch wenn meist schon vorher klar ist, welche Sprache ich kennen sollte, muss ich manchmal doch umkehren und weit entfernte Häfen ansteuern, weil ich vergessen habe, einen passenden Navigator einzustellen. Doch je mehr ich erkunde, desto schneller kann ich auch einen möglichst nahe gelegenen Ort finden, an dem jemand die passende Sprache spricht. Dabei sind die Navigatoren zwar eigentlich nur zur Übersetzung da, aber die Charaktere haben dennoch alle eigene Sprites und Namen. Die sind zwar meistens nicht sonderlich authentisch, aber dafür sehr amüsant.

Ein nettes Detail bei den unterschiedlichen Sprachen ist die Darstellung. Fehlen mir die Fähigkeiten, dann kann ich zwar etwas lesen, verstehe aber gar nichts. Wenn jemand die Sprache ein wenig versteht, dann werden einzelne Wortbestandteile auf Englisch angezeigt – manchmal kann ich dadurch also schon die Hinweise auf den Ort entziffern, den ich für einen Auftrag suche. 

Daneben gibt es natürlich noch viele weitere Fähigkeiten, die auf der Reise nützlich sein können. Neben kriegerischen Fähigkeiten wie dem Schwertkampf darf auch die Navigation nicht zu kurz kommen oder Führungsqualitäten. Fernandos persönliche Fähigkeiten bestimmt Sagres zu Beginn mit einer kleinen Fragerunde. Doch auch danach kann er noch lernen und besser werden, wenn er bestimmte Aufträge erfüllt. Daneben gleichen aber auch die Navigatoren einige seiner Schwachpunkte aus, wenn sie über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen.

Neue Gefilde erkunden

Die Aufträge selbst sind in der Regel Erkundungen. Schließlich wollen wir in Sagres die Welt entdecken. Und neue Handelsrouten. Kennt ihr eigentlich die Theorie, nach der die Erde rund ist? Dann müsste es doch möglich sein, in eine Richtung zu segeln und am Ende wieder dort zu landen, wo man gestartet ist. Aber natürlich sind die Meere gigantisch. Außerdem weiß das niemand mit Sicherheit. Einmal davon abgesehen, dass Fernando noch nach jemandem sucht und das Priorität hat, solange es Hinweise gibt.

Deshalb geht es erst einmal um Afrika herum auf der Suche nach einem Weg nach Indien. Das allein ist schon ein sehr weiter Weg, bei dem die Häfen an der Küste wichtig sind.

Doch daneben gibt es eine Vielzahl von weiteren Aufträgen, die Fernando verfolgen kann. Meist stehen Gerüchte in den Bibliotheken der Gilde. Wozu wiederum Sprachkenntnisse wichtig sind. Die Gerüchte werden in eine Liste aufgenommen und ich kann sie anschließend verfolgen. Ein Teil meines Lohns wird mir im Voraus ausgezahlt, schließlich brauche ich Geld, um mich auf lange Reisen vorzubereiten. Die andere Hälfte gibt es bei Erfolg. Aufgaben annehmen kann ich in Lissabon, also muss ich jedes Mal wieder dorthin zurück. Die Aufträge sind zeitlich begrenzt, aber meist reicht die Zeit locker aus. Zudem erhalte ich auch Punkte für Erkundung und kann mit der Zeit im Rang aufsteigen. Die Ränge sind teilweise auch wichtig für den Storyfortschritt, aber es ist einfach, ausreichend Punkte zu sammeln.

Minispiele

Habe ich einen Auftrag angenommen, geht es in das nächste Wirtshaus, um gegen einen kleinen Obolus weitere Hinweise zu erfahren. Meistens kenne ich dann den Zielhafen oder einen Ort im Landesinneren, wo ich einen Ort entdecke oder eine Erklärung bekomme, mit der ich zurückkehren kann. Oder ich werde von dort aus weitergeleitet zu einem Ort auf der Weltkarte in der Gegend. Dort ploppt dann ein Fragezeichen auf. Dann finde ich beispielsweise Stonehenge oder eine Pyramide, in der Gefahren lauern. Manchmal gibt es dann ein kleines, simples Minispiel. Sokoban hat mich sehr amüsiert, manchmal grabe ich aber auch verschiedene Schätze aus, für die ich nur eine bestimmte Anzahl an Grabungen zur Verfügung habe. Schwierig sind die Minispiele nicht, aber sie lockern das textlastige Geschehen in Abwechslung mit langen Segelzeiten ein wenig auf, ohne zu stören.

Screenshot: Einfaches Schieberätsel mit zwei Schlössern und Blöcken in Sagres.
Ich bin ja gar keine Katze.

Frustrierend dagegen können die Kämpfe in Sagres sein. Denn dabei handelt es sich um ein Kartenspiel mit Schere-Stein-Papier-Prinzip. Aus einem Kartenpool ziehe ich verschiedene Karten, während mein Gegner drei Karten ablegt. Diese sind teilweise verdeckt, teilweise sehe ich, welche Karte der Gegner nutzt. Manchmal sehe ich auch einzelne Karten auf seiner Hand. Nach einem Getränk im Wirtshaus steigt meine Intuition für kurze Zeit an, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, das Motiv einer Karte zu sehen. Meistens aber sehe ich nicht, was mein Gegner wählt. Manchmal habe ich auch zu wenig Karten auf der Hand, die effektiv sind. 

Schiff gegen Schiff

Deshalb arten die Kämpfe in Sagres zu einem Glücksspiel aus. Meistens geht es dennoch gut aus, aber wenn nicht, dann gibt es häufig nicht viele Stellschrauben, an denen ich etwas ändern kann, um beim nächsten Mal erfolgreich zu sein. Gleich meinen ersten großen Storykampf musste ich mehrfach wiederholen. Umso dankbarer war ich, dass der letzte Hafen direkt neben dem Kampfort lag und ich vorher gespeichert hatte. 

Denn während ich das Schiff zwar umbauen kann, sind meine Möglichkeiten, es aufzubessern, doch beschränkt. Kanonen auszubauen, um mehr Platz für Verpflegung zu schaffen, geht da deutlich besser. Auch wenn es manche Passagen gibt, in denen selbst dann der Weg schwierig ist, hängt der Erfolg dennoch deutlich weniger vom Zufall ab. Stattdessen kann ich noch mehr Proviant besorgen, den Wind besser ausnutzen oder abwägen, ob ich auf dem Meer treibende Lebensmittel oder Schiffbrüchige aufsammle, wenn mich das ein wenig von meiner Ideallinie weglenkt.

In den Kämpfen dagegen kann ich oft nur hoffen, dass die Karten mir gewogen sind. Zwar bekomme ich später eine starke Kampffähigkeit, die etwas ausgleicht (und natürlich aufgeladen werden muss), aber bis dahin muss ich ohne auskommen.

Screenshot: Schere-Stein-Papier-Kämpfe in Sagres.
Das erinnert mich an Paper Mario …
Die ganze Welt?

Ein Highlight sind die vielen verschiedenen Orte, die ich in Sagres entdecken kann. Die Welt ist voller kleiner Wunder. Ich lese gern die Gespräche der kleinen Gruppe rund um Fernando, wenn sie Überlegungen zu Sehenswürdigkeiten anstellen. Die Texte sind oft auch sehr informativ.

Auch verschiedene historische Ereignisse spielen eine Rolle – wie die Suche nach einem Seeweg nach Indien, die ich schon erwähnt habe. Damit sind einzelne Abschnitte der Geschichte bereits zu erahnen, wenn man sich ein wenig mit Geschichte auskennt. Aber das trägt zum Erlebnis bei, schließlich spielt Sagres auf der Erde zu den Zeiten, in denen unter anderem Portugal viele Seefahrten unternommen hat. Zwar spiele ich keine tatsächlichen historischen Persönlichkeiten, aber die Entdeckungen fühlen sich trotzdem an, als würde ich bisher unbekannte Orte entdecken.

Bis zum Abschluss der Story habe ich zehn Stunden gebraucht. Doch auch danach kann ich noch viele weitere Orte erkunden. Bis zum Schluss habe ich immer neue Aufträge gefunden und hatte auch noch einige nicht entdeckt, die zeitweise an der Sprachbarriere hängengeblieben sind.

Screenshot: Wächter am Tor: "He%ing ou# @o explore&"
Das ist mein Plan.
Fazit

Sagres ist ein spannendes historisches Seefahrtsabenteuer. Die Reise ist auf eine angenehme Weise anstrengend, ohne sich dabei in den meisten Fällen zu schwierig anzufühlen. Es gibt viel zu entdecken. Leider sind die Kämpfe stark vom Zufall abhängig, was schnell auch frustrierend werden kann. Doch abseits der Kämpfe bietet Sagres ein schönes Abenteuer und sehr viel zu entdecken.

Herzlichen Dank an Kakehashi Games für die Bereitstellung des Testmusters. Gesegelt auf Nintendo Switch.