
Welch wirre Wendungen manche Recherche nimmt… Um einen guten Einstieg in meine Review zu Dicey Dungeons zu finden, stieß ich beim wilden Herumgoogeln auf platonische Körper. Zu diesen gehört auch der Würfel, das alles beherrschende Thema des Spiels, als einer von fünf dreidimensionalen Polyeder mit größtmöglicher Symmetrie. Ich lern halt nie aus, wenn ich mich an eine Review für euch setze!
Eine große Symmetrie meines persönlichen Eindrucks hat sich allerdings während der 45 Stunden in Dicey Dungeons nicht eingestellt. Eher bin ich innerlich zerrissen worden durch die vielen tollen Ideen, die mein Herz aufgehen lassen, auf der einen Seite. Und dem wirklich bescheidenen Glücksfaktor auf der anderen Seite. Um mich langsam wieder zusammenzuflicken, sortiere ich meine Gedanken auf die für mich optimalste Weise. Warum ich euch allerdings jetzt schon Dicey Dungeons unter gewissen Umständen ans Herz legen kann, erfahrt ihr in dieser Review.
Gefangen in der Spielhölle Dicey Dungeons
Legt euch niemals mit der Glücksgöttin Fortuna an! Die rothaarige Maid ist nämlich Moderatorin der Spielshow Dicey Dungeons und mit allen Wassern gewaschen. Um sich ihren größten Herzenswunsch zu erfüllen treten einige todesmutige Teilnehmer:innen bei ihr an. Leider müssen sie dies fortan in der Gestalt eines humanoiden Würfels tun, wenn sie die Episoden heil überstehen wollen. Doch es zeigt sich sehr früh, dass es Fortuna nicht wirklich um Fairness geht und die Würfel für die Ewigkeit in der Spielwelt und ihren neuen (platonischen!) Körpern gefangen sind.

Dicey Dungeons ist eine Genrehybride aus rundenbasiertem Rollenspiel sowie Roguelite und einer gehörigen Portion Glücksspiel. Letzteres ist naturbedingt, denn die Grundlage des gesamten Gameplays bilden normale Würfel, wie wir sie auch von Spielen wie Mensch ärgere dich nicht oder Kniffel kennen. Uns stehen zu Beginn des Spiels fünf verschiedene Charaktere zur Verfügung (später kommt ein Sechster hinzu). Jede Figur besitzt eine individuelle Herangehensweise für die Reise durch die Dungeons. Die Fülle an Ideen, die Designer Terry Cavanaugh im Spiel an den Tag legt, beginnt bereits hier.
Der Krieger und der Dieb besitzen jeweils Ausrüstung, die in ihrer Art ähnlichen Vertretern des Genres entsprechen. Der Krieger setzt zum Beispiel auf wuchtige Angriffe und Schild, während der Dieb mit vielen kleineren Angriffen, Gift oder Debuffs den Gegner zur Strecke bringen will. Im Laufe einer Episode, die stets aus derselben Anzahl an Ebenen eines Dungeons besteht, sammelt sich neue Ausrüstung an. Wir müssen strategisch darüber nachdenken, was wir in die Gefechte mitnehmen wollen, denn Platz für die Ausrüstung haben wir nicht endlos in Dicey Dungeons.
Kreativität innerhalb eines engen, selbstgesteckten Rahmens
Die weiteren Figuren von Dicey Dungeons haben sich von ihrer strategischen Form stark von den ersten beiden ab. Ich will nicht viel ins Detail gehen, aber Kenner von Slay the Spire kennen eine solche Varianz bereits durch den Defekten und die Seherin. Auch Dicey Dungeons bietet hier vielfältige Möglichkeiten, um sein Gameplay von Figur zu Figur, von Episode zu Episode unterschiedlich zu gestalten.
Dies ist auch notwendig, denn der allgemeine Ablauf ist prinzipiell immer gleich. Wir starten eine Episode eines Würfel und folgen dem Punktpfad einer Ebene bis an ihr Ende. Jeder Bereich ist dabei von mehreren Untergebenen Fortunas bevölkert, die uns aufhalten wollen. Betreten wir deren Feld, startet sofort der rundenbasierte Kampf, in dem wir unsere Würfel und Ausrüstung so einsetzen, dass wir schadlos weiterreisen dürfen. Dies sind in der Regel klassische Kämpfe mit Schadensverteilungen, Debuffs und anderen Sondereffekten. Etliche Synergieeffekte zwischen den Ausrüstungen und Fähigkeiten laden zum Erkunden individueller Kampfstrategien ein.
Verlieren wir, ist die Episode beendet und wir müssen die Episode mit neuer Ebenengestaltung von vorne beginnen. Gewinnen wir, geht es weiter und unser Charakter erhält wichtige Erfahrungspunkte, um bessere Ausrüstung oder Würfel freizuschalten.

Des Weiteren lassen sich Heiläpfel auf einer Ebene finden, um wieder zu Kräften zu kommen. Shops sowie der Schmied optimieren unser Arsenal auf vielfältige Weise und Schätze stellen uns zufällige Ausrüstungen zur Verfügung. Wir müssen uns nach und nach verbessern, um spätere Gegner sowie den Boss am Ende des Dungeons bezwingen zu können. Nur dann haben wir wieder eine Audienz mit Fortuna und uns wird eventuell unser Herzenswunsch erfüllt. Vorhersehbarer Plottwist: Wird es nicht. Stattdessen warten weitere Episoden auf den jeweiligen Würfel, die mehr Sonderregeln hinzufügen und Gegner verstärken. Insgesamt sechs Episoden gilt es pro Figur durchzustehen, um alle kreativen Ideen von Dicey Dungeons auszureizen.
Alea iacta est
Ein Ausweg für unsere Würfel eröffnet sich allerdings erst, wenn jede Figur jede Episode (bzw. mindestens fünf) überstanden hat. Ein langes, teilweise zähes und frustrierendes Unterfangen. Jeder Charakter hat aufgrund seiner Fähigkeiten und strategischen Elemente eine individuelle Schwierigkeit. Mit stärkeren Gegnern sowie weiteren oder veränderten Regeln in späteren Episoden, wächst diese noch einmal stark an. Und je schwieriger eine Episode wird, desto mehr kommt der Glücksfaktor des fundamentalen Gameplays zum Tragen.
Würfelspiele sind sehr stark von ihrem Zufall abhängig. Fünf Gleiche bei Kniffel zu erhalten, um die maximale Ausbeute an Punkten zu erhalten, kann nicht von uns geplant werden. Und beim strategischen RPG-Gameplay von Dicey Dungeon wird dies hin und wieder zum Stolperstein. Zwar gibt es vereinzelte Ausrüstungen, die Würfel manipulieren können oder uns Optionen einräumen, wirklich immer etwas mit dem zufälligen Wurf anzustellen. Allerdings passiert es genauso gut, dass bereits der allererste Gegner unüberwindbar ist, weil die eigenen Würfel oder die des Gegners “falsch” fallen. Frust ist hier vorprogrammiert und zufällig zugleich.

Ähnliche Probleme hinsichtlich des Zufalls hat meiner Ansicht auch Slay the Spire. Diese treten allerdings in der Regel weitaus seltener und zuweilen später auf, wodurch zumindest eine Chance besteht, die ersten Schritte eines Durchgangs in die richtigen Bahnen zu lenken.Dieses Dilemma steckt tief verwurzelt im Gameplay-Fundament von Dicey Dungeons. Kein Wunder, wenn bewusst Würfel als spielentscheidende Mechanik genutzt werden. Umso bedrückender, dass sich das Spiel abseits dessen keine Blöße gibt. Der Artstyle des Spiels ist toll, die Musik dem energetischen Setting entsprechend und die Dialoge verpassen allen Figuren und Monstern des Spiels eine individuelle Persönlichkeit.
Empfehlung für Dicey Dungeons mit Disclaimer
Meine lange Reise in die Welt der verspielten Würfel begann im vergangenen Sommer. Und über die ganzen Monate hat Dicey Dungeons vor allem eines gezeigt: Wenn die Göttin des Glücks mir hold ist, funktioniert das Spiel wunderbar. Das anspruchsvolle und zugleich abwechslungsreiche Rollenspielgameplay weiß über weite Strecken zu überzeugen. Auch die Rahmenbedingungen runden das Gesamtbild ab und machen Dicey Dungeons trotz seiner hohen Zahl an Episoden zu einem wirklich guten und abwechslungsreichen Spiel.
Unter der Oberfläche lauert aber immer ein immens bissiger Makel, der im falschen Moment hervorspringen und den gesamten Spielspaß zerkauen kann. Solange ich als Spieler das Gefühl besitze, selber schuld zu haben an meiner Niederlage, kann sich ein Spiel nichts vorwerfen lassen. Doch dieses Gefühl ist hier aufgrund des verwurzelten Zufalls stets in Gefahr. Deswegen darf sich jeder, der zufallsbedingte Mechaniken in Videospielen gar nichts abgewinnen kann, die folgende Ampel in einem gelblichen Farbton vorstellen.

Gespielt auf PC.