Die wohl wichtigste Aktion in einem Jump & Run ist, wie der Name verrät, der Sprung. In den meisten Jump & Runs gibt es demnach eine Vielzahl von Sprungvarianten, die man in hoher Frequenz nutzen kann und soll. Ganz anders bei Razed, wo der Sprung eine limitierte Fähigkeit ist und an eine Art Ausdauerleiste gebunden ist. Es ist also Mäßigung angesagt.
In Razed schlüpft man in die Rolle eines unvollendeten Videospielcharakters, der zwei Schuhe mit Charakter trägt: Einen gutmütigen linken Schuh und einen explosionswütigen rechten Schuh, der damit droht, sobald man zu langsam wird, sich in die Luft zu jagen. Zu allem Überfluss hat man es mit dem Entwickler zu tun, der mit seiner Kreation unglücklich ist und daher die Spielwelt löschen möchte. Zum Schutz seines eigenen Lebens muss man also nicht nur die Pläne des Entwicklers durchkreuzen, sondern muss dabei kräftig Gas geben, um zu vermeiden, dass der rechte Schuh einen in den Tod reißt.

Razed ist in sechs Welten zu je zehn Levels zuzüglich einem optionalen Bonuslevel für das Sammeln aller A-Ranks in einer Welt unterteilt. Was nach einem gigantischen Umfang klingt, wird allerdings dadurch relativiert, dass nahezu jedes Level in unter 30 Sekunden abgeschlossen werden kann und in aller Regel auch gar nicht wesentlich langsamer abgeschlossen werden kann, denn sonst explodiert der rechte Schuh, weil man sich irgendwann zwischendurch zu langsam bewegt haben muss. Da der Schwierigkeitsgrad deutlich überdurchschnittlich hoch ist, wird man aber dennoch in vielen Levels einige Minuten zubringen.
Das Steuerungskonzept ist etwas ungewöhnlich und erinnert ein Stück weit an Rennspiele. Denn statt sich mit dem Analogstick fortzubewegen, muss man mit RT Gas geben und kann mit dem linken Analogstick nur lenken. Die Kamera ist fix hinter dem Rücken des Hauptcharakters positioniert, was einerseits ein gewisser Nachteil ist, weil man sich nicht frei umschauen kann, andererseits hätte man auf Grund des Geschwindigkeitsmandats und der geringen Länge der Level auch kaum die Möglichkeit sich umzuschauen. Insofern funktioniert die Kamera meistens recht gut, es gibt aber Stellen im Spiel, an denen der Charakter drastisch automatisch die Richtung ändert und leider dauert es in dem Fall eine Weile, sich neu zu orientieren, was insbesondere bei Levelelementen die gelegentlich den Drehwinkel verbaseln, sehr ärgerlich ist, da man sehr schnell auf die neue Perspektive reagieren muss, um Hindernissen auszuweichen und ggf. einen Fehler bei der Orientierung der Spielfigur zu korrigieren.

Zu Beginn einer jeden Welt erhält man einen neuen Move. Der erste Move ist der Sprung, später spielen noch ein Wallrun, ein Boost und eine Stampfattacke eine wesentliche Rolle. Zwei weitere Moves werden freigeschaltet, sind aber für den Erfolg im Spiel weitgehend egal. Alle diese Moves kosten beim Einsatz Lebensenergie, die sich durch das Sammeln von Edelsteinen oder durch längeres Rennen wieder auffüllen lassen. Verbraucht man all seine Lebensenergie, explodiert der rechte Schuh und man darf das Level von vorn beginnen. Man kann allerdings insgesamt 60 Power Ups im Spiel sammeln – eines je Level – um seine Fähigkeiten zu verstärken, was hier bedeutet, den Energieaufwand zu verringern. Die Power-Ups sind zwar meist nicht allzu kompliziert versteckt, auf Grund der Pflicht, sich dauerhaft zügig durch das Level zu bewegen, sind sie aber dennoch leicht zu verpassen. Meistens ist es zudem so, dass die Power Ups nicht ganz einfach einzusammeln sind. Was mir etwas sauer aufgestoßen ist, ist der Umstand, dass das Spiel einen nicht warnt, wenn man mit zu wenigen Power Ups ein neues Level betritt, so dass man ohne weiteres in (fast) unmögliche Situationen geraten kann, weil die Energie einfach nicht ausreicht, um alle notwendigen Aktionen durchzuführen.
Überhaupt ist das Spiel nicht gerade zimperlich und schreckt nicht davor zurück, den Spieler mit überraschenden und kaum kalkulierbaren Gefahren in die Bredouille zu bringen: Levelabschnitte ändern sich oft dynamisch auf die letzte Sekunde und das auch noch oft begleitet von umfassenden Explosionseffekten, so dass man oft kaum eine Chance hat, im ersten Versuch durch ein Level zu laufen, sondern sich erst einprägen muss, was in dem Level passiert. Das ist in Anbetracht der Tatsache, dass das Spiel eigentlich relativ langsam ist, gerade wenn man die Rennpflicht berücksichtigt, doch etwas ärgerlich. Der extrem große Wendekreis und die bisweilen sehr fummelige Physik tun ihr Übriges dazu, dass Razed eine Menge Frustpotenzial bietet. Der Kürze der Level ist zu verdanken, dass Razed trotzdem eine Menge Spaß machen kann.

Bemerkenswert ist noch der stark schwankende Schwierigkeitsgrad, denn oft wechseln sich Abschnitte von mehreren sehr einfachen Level mit einzelnen echten Brechern ab und die Schwierigkeitskurve ist auch davon abgesehen ab der Mitte des Spiels im Mittel flach, weist aber hohe Spitzen auf. Wer das Spiel nur einmal durchspielen möchte, sollte mit etwa zehn Stunden Spielzeit rechnen. Perfektionisten können aber zusätzlich die teilweise sehr schwierigen S-Ranks und die Sammlung aller Upgrades in Angriff nehmen, um locker das doppelte an Spielzeit herauszuholen.
Razed ist ein interessantes Konzept, das durchaus viel Spaß machen kann, durch gelegentlich demonstrativ zur Schau gestellte Unfairness, signifikante technische Probleme wie zufällig variierende Sprunghöhe und Macken in der Kollisionsabfrage aber deutlich herabgezogen wird. Genrefans können in Anbetracht der ungewöhnlichen Spielidee auf jeden Fall zugreifen, bei anderen Spielern dürfte meist aber der Frust den Spaß überwiegen.

Getestet auf Xbox One X.