Herdling (Review)

Der Herbst ist da und lädt an schönen Tagen zu langen Spaziergängen ein. Für die nicht so schönen Tage gibt es Walking Simulationen. Heute ist es zu kalt für die Wanderschuhe, also stelle ich euch stattdessen Herdling vor.

Die Sache mit Herdling ist, dass man gar nicht viel darüber schreiben kann. Es ist eben eine Walking Simulation. Kein Dialog, kein packender Plot und keinerlei Anspruch. Jedenfalls dachte ich das zu Beginn. Zunächst spielt man einen offenbar wohnungslosen jungen Menschen, der allein in einer Art Tunnel haust. Der Herbstwind führt ihn allerdings zügig zu einem Calicorn, welches sich in einer blöden Lage befindet. Nachdem man ihm geholfen hat, lässt es sich zähmen. Hier erhält man auch das einzige Tool, was man im Spiel verwendet: einen hübschen Stock.

Calicorn sind zottelige und auf ihre Art irgendwie doch ganz niedliche Wesen die gewisse Ähnlichkeiten zu Rindern, Schafen und Ziegen haben. Dennoch sind sie eindeutig Phantasiewesen. Und sie streunen einsam durch die Spielwelt. Nach und nach begegnet man mehr von ihnen und schon bald führt man seine zunächst noch kleine Herde aus der Stadt heraus in die weite Welt.

Hierzu stellt man sich grundsätzlich hinter die Calicorn und deutet mit seinem Stab in die jeweilige Richtung, in die es weitergeht. Dazu gibt es vier Befehle: losgehen, anhalten, rennen und schleichen. Klingt simpel, ist es aber nicht. Leider ist die Steuerung recht hakelig und mühselig. Ich hatte große Schwierigkeiten mich an die Steuerung zu gewöhnen. Eine Art funkelnder Strahl zeigt, in welche Richtung man seine Herde führt. Oft sieht man diesen aber gar nicht richtig, wenn die Herde eine gewisse Größe erreicht hat. Zudem sind manche Calicorn auch richtige Riesen. Die Kamera lässt sich nicht weitreichend genug schwenken, um das zu kompensieren.

Was mir aber gefällt ist die unheimlich liebevolle und wunderschön gestaltete Welt außerhalb der Stadt. Man führt seine Herde über endlos scheinende Felder und Wiesen, lässt sie an Klippen entlang schleichen und rast durch die Strömungen kleiner Flüsse, um auf die andere Seite zu gelangen. Auf den Feldern gibt es immer wieder einige Blumenfelder, welche die Calicorn oder auch der Herdenführer selbst abgrasen können, um den Boost den sie zum Rennen benötigen aufzufüllen. Andere Blumenfelder lassen die Herde automatische rennen und wieder andere helfen dabei neue Abschnitte freischalten zu können. Wie das funktioniert möchte ich aber nicht spoilern.

Wenn man einmal nicht weiß, wie oder wo es weitergeht, verrät der Herbstwind die Richtung oder signalisiert mit fliegenden Blättern eine spezifische Stelle die überwunden oder aktiviert werden muss. Oft sind die Calicorn und ihre Kraft ganz entscheidend für das Voranschreitens der Reise. Wenn mal eine Wand aus dem Weg geräumt werden muss, ein Zaun im Weg ist oder Plattformen zusammengeschoben werden müssen, sind sie zur Stelle. Aber es warten auf sie nicht nur eine neue Herde und unendliche Weiten die erkundet werden wollen. Das Leben als Calicorn bringt auch Gefahren mit sich. Sie haben nämlich Fressfeinde.

Eine Schar von gruseligen und überdimensional großen Eulen wartet nur darauf sich eines deiner Calicorn zu krallen. Man trifft immer wieder in kleinen, sehr engen Bereichen auf sie. Sie scheinen relativ blind zu sein, denn es stört sie nicht wenn man sich direkt an ihnen vorbeischleicht. Dafür haben diese Eulen aber ein Warnsystem: kleine Steinhaufen mit Stachelkugeln obendrauf. Wenn man diese anrempelt bekommen das die Eulen mit. Schmeißt man zu viele von ihnen um, muss man schnell sein wenn man nicht seine Herde verlieren will.

Diese Abschnitte sind teilweise durch die schlechte Sicht extrem knifflig und man kommt nur sehr sehr langsam voran. Die Stacheln können außerdem die Calicorn verletzen, was aber durch das Fressen von Früchten die alle Nase lang auftauchen schnell zu beheben ist. Die Pflege der Tiere macht am meisten Spaß. Sie sind wirklich unnormal süß, wenn man sie krault. Und umso trauriger ist es, wenn eines von ihnen von den Eulen gefressen wird.

Unterwegs trifft man ansonsten auf keine andere Person. Man spielt die einzige menschliche Person und selbst als Herdenführer mit großen Wuscheltieren fühlt es sich dennoch schrecklich einsam an. Es ist auf jeden Fall das perfekte Spiel für einen verregneten Herbsttag, aber danach muss ich persönlich etwas fröhliches spielen, um meine Stimmung wieder zu heben. Wer atmosphärische Spiele ohne großen Inhalt mag wird Herdling definitiv lieben.

Ein herzliches Dankeschön an Panic für die Bereitstellung des Mustercodes. Getestet auf Nintendo Switch.