
Worte haben Macht. Sie können Vögeln beim Fliegen helfen, aber auch im Kampfsport Angriffe auslösen. So etwa im animeinspirierten RPG Wander Stars, das in rundenbasierten Kämpfen Aktionen aus verschiedenen Wortkategorien zusammensetzt. In zehn Episoden habe ich die junge Kampfkünstlerin Ringo auf ihrer Suche nach den Teilen der sagenumwobenen Wanderstar-Karte begleitet.
STAR SPELL
Optik und Worldbuilding (bis hin zu Namenskonventionen!) von Wander Stars erwecken viel Nostalgie für Dragon Ball (Z). Die Kampfkunst Kiai, bei der Kampfschreie Angriffe bewirken, ist nicht nur in Ringos Heimat, sondern im ganzen Universum beliebt. Ringos Traum ist ein Turniersieg, aber zuvor hat sie andere Dinge zu erledigen. Nachdem sie einen Hinweis darauf erhält, wie sie vielleicht ihren verschwundenen Bruder finden kann, schließt sie sich Wolfe an, der seine eigenen Gründe hat, nach der Wanderstar-Karte zu suchen. Schon beginnt ein weltraumumspannendes Abenteuer mit Weltraumpiraten, Hexen und vielen wortbasierten Kämpfen.
Die Geschichte spielt in aufeinander aufbauenden Episoden, die alle ihre eigene Identität haben und viel Abwechslung bieten. Je nach Fokus auf den Weg oder Komplettierung aller erreichbaren Felder dauert eine Episode zwischen einer und zwei Stunden.
Nach und nach erweitert sich die Gruppe rund um Ringo. Besonders die Interaktionen zwischen Ringo und Wolfe sind amüsant. Aber schnell war ich auch gespannt darauf, mehr über Wolfes Vergangenheit zu lesen.

VERY SPECIAL FIRE KICK
Die Besonderheit der rundenbasierten Kämpfe in Wander Stars ist das Zusammensetzen der Aktionen aus verschiedenen Worten. Diese werden in Aktionen, Modifikatoren und Elemente eingeteilt. Aktionen bestehen aus Schlägen, Tritten und Klauenangriffen, aber auch aus Verteidigungsaktionen. Modifikatoren sind zumeist Multiplikatoren, die wahlweise den Angriff auf einen Gegner verstärken oder einen Angriff auf mehrere Gegner ausweiten. Elemente verleihen einer Aktion ein Element in unterschiedlicher Intensität.
Aktionen und Elemente können innerhalb eines Wortclusters einmal benutzt werden und werden von gegnerischen Resistenzen, Schwächen und Immunitäten betroffen. Modifikatoren dagegen kann ich so viele einfügen, wie mir gerade zur Verfügung stehen und in meine Slots passen.
Denn der Spirit entscheidet darüber, wie viele Wörter ich in einer Runde maximal aneinanderreihen kann. Durch zufällige Events erhöhe ich Ringos Spirit innerhalb einer Episode, während ich außerhalb dauerhafte Verbesserungen freischalte. Nachdem ich eine Aktion durchgeführt habe, kann ich innerhalb einer Runde so viele weitere Aktionen durchführen, wie es der Spirit erlaubt, sofern ich noch Wörter habe, die gerade nicht im Cooldown sind. Wirkt ein Angriff effektiv auf einen Gegner, erhalte ich einen Spirit-Punkt, der mir bei Einsatz einen Spirit-Slot für diese Runde reaktiviert.
Gemeinsam mit der Anzeige bei Auswahl, was Angriffe bewirken und auf welche zusätzlichen Effekte eine Chance besteht, ist das Kampfsystem sehr einstiegsfreundlich. Wörter reihen sich automatisch aneinander und tauschen sich aus, können sie nicht gemeinsam in einem Angriff genutzt werden. Sogar der voraussichtliche Schaden bei normaler Wirkung, Resistenzen und Schwächen wird angezeigt. Gleichzeitig bietet sich auch viel Tiefe bei Wortverbindungen, die beispielsweise von brennenden Gegnern profitieren.
Hilfreich ist dabei auch, dass Verteidigungsaktionen wie Blocken in den ersten Episoden eine untergeordnete Rolle spielen, auch wenn sie ebenfalls unterschiedlich eingesetzt werden können. So ist es nicht gleich dramatisch, wenn ich alle Slots aufgebraucht habe, ehe mir einfällt, dass ich Ringo noch nicht vor gegnerischen Angriffen schütze.

WIDE CLAW
Kiai ist ein ehrenvoller Sport. Lautet in Kämpfen üblicherweise das Ziel, die gegnerischen Lebenspunkte auf Null zu senken, sieht das in Wander Stars außerhalb der Bosskämpfe idealerweise anders aus. Senke ich die Energie eines Gegners unter eine gewisse Schwelle, lässt sich der Kampf auch auf friedliche Weise beenden. Gleichzeitig darf ich die Gegner aber auch nicht zu sehr schwächen. Die Spanne, innerhalb derer ich einen Kampf friedlich beenden kann, unterscheidet sich dabei von Gegner zu Gegner.
Dadurch erhält das Kampfsystem eine weitere strategische Ebene. Möchte ich die Vorteile nach einer friedlichen Beilegung, geht es nicht mehr darum, möglichst viel Schaden auf einmal zuzufügen. Gleichzeitig fehlen bei Verzicht oder Scheitern zwar die Vorteile, doch teilweise lässt sich das durch Erkundung der Karte ausgleichen.
Nach einem friedlichen Kampfende erhalte ich ein Pep Up, das ich anschließend ausrüsten kann, wobei die Anzahl gleichzeitig ausgewählter Pep Ups beschränkt ist. Diese passiven Verstärkungen decken beispielsweise zu Kampfbeginn Resistenzen oder Schwächen auf, können aber auch neue Wörter freischalten, solange sie ausgewählt sind. Einzelne Pep Ups, die die Anzahl auswählbarer Wörter verändern, hängen ein wenig vom Spielstil ab, da sie eine Wortart erweitern, während Slots für andere Wortarten entfernt werden. Viele jedoch bringen fast nur Vorteile oder haben vernachlässigbare Effekte, wenn ich lediglich das zugehörige Wort einsetzen möchte.
Zudem beeinflusst die Art, auf die ich einen Kampf beende, die Ehre, die ich erhalte. Friedliche Enden oder der Abschluss innerhalb einer einzelnen Runde bringen dabei Bonuspunkte ein. Nach jeder Episode wird die erhaltene Ehre zur Währung, mit der ich Ringos Werte verbessere und weitere Worte kaufe.
Auch die Charaktere, die sich neben Ringo in der Gruppe befinden, beeinflussen die verfügbaren Wörter. Während Wolfe etwa Klauenangriffe ermöglicht, singt die Hexe Canela Gegner mit ihrem Lied in den Schlaf.

LIGHT JAB
Pep Ups, Werteverbesserungen und neue Wörter erhalte ich zudem, wenn ich auf der Karte bestimmte Felder betrete. Während ich bei Kampffeldern immer weiß, dass dort ein Kampf stattfindet, sobald ich zustimme, sind andere Felder nicht immer ganz eindeutig. Mal führen sie ebenfalls zu einem Kampf, mal unterscheidet sich ein Ereignis je nach meiner Entscheidung. Vereinzelt sind darunter auch Schwächungen, aber erst spät im Spiel und in Verbindung mit amüsanten Szenen, weshalb ich mich nie darüber geärgert habe, dass das Erkunden einmal schiefgelaufen ist.
Viele der Ereignisse sind reine Dialoge, die zum World- oder Characterbuilding und der aktuellen Situation beitragen. Ich hatte viel Spaß mit den Texten, weshalb ich mich über jede kleine Szene gefreut habe. Manche von ihnen sind sehr deutliche Hinweise auf Möglichkeiten im Kampf, dabei aber auch unterhaltsam. Ganz selten wiederholen sich Szenen kurz nacheinander, aber das ist weitgehend vernachlässigbar.
Die Karten in Wander Stars bestehen zumeist aus mehreren Abschnitten, bei denen häufig Abzweigungen vorhanden sind. Beim Wechsel zwischen Abschnitten erhalte ich unterschiedliche Verstärkungen für Ringo. Die Story spielt sich zumeist zu Beginn eines neuen Kartenabschnitts ab und wird am Ende durch einen Bosskampf mit weiteren Dialogen und vereinzelten Animationen begleitet.
Scheitere ich im Kampf, verliere ich die Hälfte meiner Ehre und starte am Beginn des aktuellen Abschnitts. Starte ich einen Abschnitt aus beliebigen Gründen neu, können dabei Felder und teilweise auch Aufbau des Abschnitts komplett durchgewürfelt werden. Das gleiche gilt für einen Neustart einer Episode.
Je länger ich mich auf der Karte aufhalte, je mehr Kämpfe ich friedlich beende und Stärkungen ich zufällig erhalte, desto mächtiger kann ich am Ende der Episode dem Boss entgegentreten. Mache ich alles, sind die Bosse tendenziell sehr einfach, aber dadurch, dass ich häufig Kämpfen oder Events aus dem Weg gehen kann, kann ich abwägen, ob ich mehr oder weniger Vorbereitung möchte.

ICE BLOCK
Technisch läuft Wander Stars bisher leider noch nicht ganz rund. Bei der Auswahl von Wörtern verschwinden teilweise ausgewählte Wörter oder lassen sich nicht wieder entfernen, bis ich auf eine andere Wortart und wieder zurück wechsle. Häufig bewegen sich auch Cursor und Wortanzeige nicht passen zueinander. Gerade im Kampf ist es dann ein wenig mühselig, Cursor und sichtbare Wörter in Einklang zu bringen.
Außerdem bin ich einmal in einem Softlock gelandet, als ein Gegner immer wieder eine Aktion wiederholt hat, die keinen Schaden zugefügt hat. Glücklicherweise war der aktuelle Kartenabschnitt sehr kurz.
Hin und wieder funktioniert auch der Cooldown einzelner Wörter nicht. Dann kann ich Aktionen direkt erneut einsetzen, auf die ich aufgrund ihrer Stärke eigentlich mehrere Runden warten sollte.
Insgesamt sind die Bugs jedoch eher ärgerlich als schwerwiegend.
ONE PUNCH
Wander Stars verpackt den Charme eines 90er-Jahre-Kampfanimes wunderbar in eine spielbare Form. Abenteuerlust, farbenfrohe Charaktere, Bedrohungen, Geheimnisse und Überraschungen sorgen dafür, dass ich schnell “nur noch eine weitere Episode” spielen wollte. Das Kampfsystem mit seinen verschiedenen Worttypen ist eingängig und bietet viele Möglichkeiten, strategisch zu spielen, ohne dabei zu fordernd zu werden. Kämpfe und Karte bieten zudem viele Möglichkeiten, sich nach eigenem Bedarf auf Bosskämpfe vorzubereiten. Wer immer möglichst alles mitnimmt, was angeboten wird, hat vielleicht eher einfachere Bosskämpfe, allerdings bleibt der Reiz, verschiedene Wörter aneinanderzureihen, um Angriffe zusammenzubauen, auch dann vorhanden.

Herzlichen Dank an Fellow Traveller für die Bereitstellung des Testmusters. Worte gerufen in der Nintendo-Switch-Version auf Nintendo Switch 2.