Age of Mythology: Retold (Review)

Artwork von Age of Mythology: Retold

Als vor 22 Jahren das Original Age of Mythology erschien, hatte ich wahrscheinlich meine kurze Ego-Shooter-Phase. Zumindest erschien damals James Bond 007: Nightfire im gleichen Zeitraum und ich erinnere mich, dieses zeitnah zum Release auf meinem brandaktuellen (und durch das Spiel brandheißen) Notebook gespielt zu haben. Age of Mythology hingegen, Spin-off der damals ebenfalls sehr populären Age of Empires-Reihe, habe ich entweder nicht wahrgenommen oder sehr schnell vergessen. Erst das Lob durch meine Frau viele Jahre später hat das Spiel auch nur ansatzweise auf meinen Radar gesetzt. Und da ich eh ein Faible für Mythologie und Antike habe, war es klar, dass ich Age of Mythology: Retold eine Chance einräumen wollte. Doch so richtig genutzt wurde diese leider nicht.

Age of Mythology: Retold ist ein (trojanisches) Steckenpferd

Und dies ist definitiv schade, denn Age of Mythology: Retold bietet mir mit einer antiken Spielwelt beinahe das Optimum an Interessensvorliebe. Alles was mit alten Göttern, Sagen und Mythologien zu tun hatte, habe ich als Kind aufgesogen wie ein Schwamm. Im Studium waren diese Vorlesungen in meinem Religions-Zweitfach die besten Stunden der Semester. Also sollte doch wohl ein Strategiespiel, wo ich diverse Klassen aus alten Zeiten übernehmen und mit deren Gottheiten und Monstrositäten antreten kann, genau mein Beuteschema sein. 

Griechen, Ägypter und Wikinger aus dem Basisspiel sowie das Volk von Atlantis aus einer späteren Erweiterung stehen uns in Age of Mythology: Retold zur Verfügung. Jede Klasse hat ihre eigenen menschlichen Einheiten sowie mystische Wesen, die uns auf dem Schlachtfeld von Nutzen sein sollen. Dazu kommen noch zahlreiche andere Eigenschaften und Fähigkeiten, die sich spielerisch auf die einzelnen Klassen individuell auswirken. Doch bevor wir die Gunst der Götter erlangen (unterschiedlich je nach Klasse), müssen wir unsere zivilisatorischen Stärken nutzen und Siedlungen bauen. Nur eine funktionierende Siedlung gibt uns genug Materialien, um mit den Gefahren des Mittelmeerraumes oder der nordischen See klarzukommen. 

Doch zum Glück sind wir nicht nur auf unsere Baukünste angewiesen, sondern können auf die Götter vertrauen. Jede Klasse verfügt über einige “große” Gottheiten, wie Zeus bei den Griechen oder Odin im hohen Norden. Dazu kommen noch individuelle Nebengötter, welche sich nach Zeitalter eurer Spielrunde sowie verfügbarer Hauptgötter richten. So können wir beispielsweise erst über die Gunst von Osiris verfügen, wenn wir im mythischen Zeitalter bereits die Gunst von Isis und Ra haben. Jeder Gott verfügt neben gewissen Buffs, die das gesamte Spiel anhalten können, auch über einzelne Kräfte. Mit diesen nehmen wir direkten Einfluss auf das Geschehen, um z.B. Meteoriten auf eine übermächtige Armee oder eine zu stark befestigte Stadtmauer regnen zu lassen. Auf der Oberfläche hat mich daher Age of Mythology: Retold sehr begeistert.

Die Gunst der Götter

Doch je tiefer ich in das Spiel vorgedrungen bin, desto ernüchterter wurde ich leider. Als Echtzeit-Strategiespiel ist Age Of Mythology erfreulich tiefgründig in seinen Systemen, aber zugleich auch mit einem sehr langsamen Pacing daher. In der großen Kampagne Der Sturz des Dreizack helfen zwar die Missionen, ein Ziel einzuschätzen, doch die stete Wiederholung hat mich leider kaum angesprochen. Der Siedlung zu Wachstum und Wohlstand zu verhelfen, um die eigene Armee stark genug auszubauen, wiederholt sich immer wieder. Ich scheine da leider nicht der richtige Spielertypus zu sein.

Bereits in anderen Aufbau-Strategietiteln wie beispielsweise der Anno-Reihe oder die weitaus zugänglicheren Two Point-Simulationen hatte ich für eine kurze Weile meinen Spaß am Werkeln. Doch irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo mich der einhergehende Gameplayloop leider sehr kalt lässt. Dabei ist es nicht so, als hätte Age of Mythology: Retold nicht genug Tiefgang. 

Während wir in einer Runde unsere Siedlungen und Kriegslager zur vollen Glorie ausbauen, wandeln wir bei erfolgreichem Fortschritt durch die verschiedenen Zeitalter des Spieles. Nur ein Wechsel in das nächsthöhere Zeitalter ermöglicht uns neue Technologien, mehr Möglichkeiten unsere Ressourcen zu optimieren oder unsere Einheiten aufrüsten. Ganz zu schweigen von den Göttergünsten. Je nach Hauptgottheiten, denen wir huldigen, stehen uns in den verschiedenen Zeitaltern andere Randgottheiten zur Verfügung. Jeder mit seinen eigenen Perks, Buffs und Fähigkeiten. Age of Mythology: Retold ist also beileibe kein Spiel, welches schmal auf der Brust ist und deswegen nicht bei mir zünden kann.

Zwiespalt in ganz besonderem Gewand

Dies könnte einerseits daran liegen, dass ich eventuell nicht der Typ für dieses Genre bin. Es könnte aber auch sein, dass Age of Mythology: Retold in seiner jetzigen Form ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Nehmen wir Kämpfe als Beispiel: Einerseits gefällt mir eindeutig nicht, dass ich keine direkte Kontrolle über das geschehen habe. Darum bin ich auch kein großer Freund reiner Fußball-Simulation oder von Tower-Defense-Titeln. Andererseits wirken nahezu alle Kämpfe monoton, langsam und visuell sowie akustisch wenig ansprechend. Also irgendwie…beides richtig? So bin ich konstant während meiner Spielsessions im Zwiespalt gewesen, ob “ich” das Problem bin oder Age of Mythology: Retold. Bitte habt dies im Hinterkopf, wenn ihr ans Ende dieses Textes kommt.

Screenshot aus Age of Mythology: Retold
Oh nein, der Hades tut sich auf!

Denn vorher müssen wir selbstverständlich die Frage klären, ob die Neuauflage des mittlerweile 22 Jahre alten Spieles auch Neueinsteigern, Fans des Genres oder Kennern des Originals in der heutigen Zeit zusagen kann. Bereits seit Jahrzehnten fordern viele Spieler:innen einen zweiten Teil. So lässt sich Age of Mythology: Retold sicherlich als erste Chance auf eine wahre Rückkehr verstehen. Zu diesem Zweck haben die Xbox Game Studios fünf (!!) verschiedene Entwicklerstudios damit beauftragt, Age of Mythology wiederzubeleben.

So gibt es neben der großen Kampagne, in der wir historische Ereignisse wie Troja nacherleben dürfen, zwei aus späteren Erweiterungen. Neu ist hingegen das Tutorial von Age of Mythology: Retold. Meiner Ansicht nach in einem so komplexen Genre immer eine gute Entscheidung ist, um nicht allzu Fachkundigen den Einstieg zu erleichtern.

Prinzipiell lassen sich einige Elemente von Age of Mythology: Retold auf die Extended Edition von 2014 zurückführen. Hier waren ebenfalls die Inhalte aus der ersten Erweiterung The Titans (aus dem Jahr 2003) vorhanden. Auch die Integration (kuratierter) Mods  fand damals seinen Weg in das Hauptspiel. Lediglich die 2016 veröffentlichte Erweiterung Tale of the Dragon, welche das chinesische Volk als Klasse ergänzte, ist noch nicht Bestandteil von Age of Mythology: Retold. Diese soll allerdings noch nachgereicht werden. Zum Wohle der Gemüter von Fans hoffe ich allerdings, dass die Retold-Version dieses DLC besser ist. “Größtenteils negativ” auf Steam ist nicht unbedingt der beste Leumund.

Age of Mythology: Retold bringt Glanz in die Antike

Dieser eilt Age of Mythology: Retold aber zum Glück voraus. Obwohl Unsauberkeiten wie fehlende oder krude Übersetzungen sowie die seltsame Diskrepanz zwischen “Du” und “Ihr” bei Vertonung und Untertiteln am Gesamteindruck kratzen. Größtes Plus aus moderner Sicht dürfte der Crossplay-Multiplayer sein. Dieser beschert sicherlich antiken Kriegsherren und – damen auf PC und Xbox gleichermaßen Freude. 

Diese war mir persönlich allerdings versagt. Age of Mythology: Retold ist in meinen Augen ein fantastisches Zeitzeugnis einer gerade bei großen Publishern fast verlorenen Spiele-Gattung, auch wenn das 22 Jahre alte Spiel kleinere Makel vorzuweisen hat. Doch in seinen Bann hat es mich nicht gezogen. Ich fühlte mich beim Spielen der Missionen eher wie Sisyphos, der ständig seinen Felsen neu heraufrollen musste. Oder wie Tantalus, weil all die Mythologie, die Monster, die Götter so verlockend aussahen und mich dennoch nicht genug erfreuen konnten. Dies mag harsch klingen, aber Age of Mythology: Retold und Ich – wir waren keine großen Freunde. Ich sehe die Qualitäten und die tiefgründigen Systeme, aber ich fühle sie nicht. Dies ist auf persönlicher Ebene wahrscheinlich das “schlimmste” Urteil, was ich geben kann. Oder einfach ganz simpel ein Genre-Spiel für einen Liebhaber anderer Genres.

Den Göttern auf dem PC meine Ehrerbietung dargebracht. Ein herzlicher Dank geht an die Xbox Game Studios sowie das Developer-Quintet [World’s Edge, Forgotten Empires, Tantalus Media, CaptureAge, Virtuos Games] für die Bereitstellung eines Mustercodes.