
Mit strammen Schritten geht Micky Maus auf die 100 zu – in gerade einmal vier Jahren wird der Nager 100 Jahre alt. Die lange Karriere der Maus hat zu unzähligen Videospielumsetzungen geführt, darunte rauch zwei 3D Jump & Runs, die wir in der Top 100 3D Jump & Run-Reihe natürlich nicht außer Acht lassen können. Konzipiert von Warren Spector, der ein besonderes Faible für interaktives Storytelling hat, verbindet Disney Micky Epic die Spielmechanik eines 3D Jump & Runs mit Designansätzen eines Adventure-Spiels.
Micky ist fürwahr kein zuverlässiger Zauberlehrling. Nachdem er bereits in Phantasia mit seiner Tollpatschigkeit für viel Aufsehen gesorgt hat, verschüttet er zu Beginn von Disney Micky Epic Farbe und Verdünner auf ein belebtes Buch des Zaubermeisters – nur um kurz darauf selbst in die Seiten des Buchs gezogen zu werden. Bewaffnet mit einem Pinsel und ein wenig Farbe und Verdünner muss Micky nun sein selbst verursachtes Unheil wieder beheben und nebenbei vergessenen Helden aus der Feder Walt Disneys, wie beispielsweise Oswald dem Hasen, aus der Patsche helfen.

Obwohl Micky Epic im Wesentlichen ein Collectathon ist, ist der Weltenaufbau verhältnismäßig linear gestaltet. Das soll nicht bedeuten, dass man sich durch enge Korridore bewegt, doch statt frei große Areale nach verschiedenen Spielzielen abzusuchen, führt die Hauptstory durch eine weitgehend lineare Sequenz von Hauptmissionen, die die Spielwelt wie einen Erlebnispark durchlaufen. Abgesehen von einzelnen sammelorientierten Missionen steht Erkundung vornehmlich bei den unzähligen Nebenmissionen auf dem Plan, die zwar ebenfalls Sammelcharakter haben, aber vor allem in der Gestaltung frappierend an Spectors vergangene Werke erinnert.
Ein besonderes Anliegen ist Spector ganz offensichtlich der Gegensatz von Gut und Böse, der in Micky Epic gleichsam durch den Widerspruch zwischen Farbe und Verdünner reflektiert wird. Micky kann nämlich per Pointer Farbe und Verdünner verwenden, um Objekte in der Umgebung entweder zu restaurieren oder auszulöschen. Die Nebenmissionen der guten Seite hängen meist mit der Verwendung der Farbe zusammen, wohingegen Nebenmissionen der bösen Seite mit Verdünner assozoiiert sind. Perfektionisten werden bei Micky Epic allerdings ihr blaues Wunder erleben, denn viele Missionen der guten und der schlechten Seite schließen einander aus. So gibt es beispielsweise in einer Gruselstadt die Aufgabe, zwei besonders schreckhaften Bewohnern zu helfen, ihre Angst zu überwinden, indem man den Talisman des einen wiederfindet und zurückbringt und die Laternen in der Stadt wiederherstellt, um sie besser auszuleuchten. Alternativ kann man den ansässigen Geistern helfen, die beiden Angsthasen zu erschrecken. Beide Missionen werden mit einem Anstecker belohnt, so dass bereits klar wird: Wer alles im Spiel sammeln möchte, der wird mehrere Durchläufe benötigen.

Auch wenn Micky Epic bedingt durch diese Form der Missionsgestaltung – sowie durch das exzellente, wenngleich ungewöhnlich dustere visuelle Design – eine äußerst lebhafte Welt gewinnt, ist das Gut / Böse-System wenig motivierend. Das hängt einerseits damit zusammen, dass die einzelnen guten oder bösen Aktivitäten so isoliert sind und nur in den wenigsten Fällen weitergehende Auswirkungen haben, andererseits mit einer gewissen Inkongruenz zwischen Jump & Run-Gameplay und Nebenmissionen. Viele der Nebenmissionen sind gestaltet wie in einem RPG und sind quasi reine Fleißaufgaben, ohne dass das Leveldesign hierbei in interessanter Weise ausgenutzt wird. Farbe und Verdünner werden, wenngleich sie eigentlich viel Potential für interessante Rätsel bieten würden, auf leider ziemlich langweilige Weise eingesetzt und so muss ich sagen, dass die Nebenmissionen mich eher gelangweilt denn begeistert haben.
Besser, aber leider auch nicht ideal schlägt sich das Hauptspiel. Hier sind Leveldesign und Missionsdesign gut aufeinander abgestimmt und es wird eine gute Balance aus Geschicklichkeitsaufgaben, Erkundung und kleinen Rätseln gefunden. Allerdings ist die Kamera, die mit dem Steuerkreuz gedreht werden kann, ziemlich sperrig und zeigt das Geschehen oft aus einem sehr unglücklichen Blickwinkel, ohne eine Drehung der Kamera zu erlauben. Allzu oft kommuniziert das Spiel die aktuelle Hauptmission auch so schlecht mit dem Spieler, dass man sich minutenlang fragt, was man jetzt überhaupt tun soll, während man sich durch die – dank oft relativ starker Gegner ungastlichen – Umgebungen bewegt. Gegen Ende hat die Entwickler augenscheinlich obendrein die Kreativität verlassen und die Missionen werden immer ähnlicher zueinander und nerven mit Wiederholungen. Allerdings kann Micky Epic in guten Momenten, in denen die Kommunikation gut funktioniert und die eindrucksvoll designten Welten strahlen können, mit einer einzigartigen Atmosphäre begeistern und auch spielerisch ein rundes Erlebnis bieten.

Disney Micky Epic ist ein gutes Jump & Run mit ambitioniertem Adventure- / RPG-Einschlag, der aber ganz und gar nicht zünden möchte. Schwierigkeiten in der Spielerführung und langweilige Nebenmissionen stehen einem makellosen Spielerlebnis leider allzu oft im Weg. Wer Micky mag und 3D Jump & Runs gerne spielt, der wird aber mit Micky Epic dennoch eine gute Zeit haben können, wenngleich es seinem Potential zu selten gerecht wird.

Getestet auf Wii.