
Ich bin ja ein großer Rennspiel-Fan, jedoch mag ich eher das Extravagante. Spiele im klassischen Rennsport mit traditionellen bodenständigen Rennstrecken, wie man sie z.B. eben in der Formel 1 oder auch in Gran Turismo sieht, haben es meist eher schwer bei mir.
Vermutlich versteht man hiermit meine ursprüngliche Skepsis zu Formula Legends von 3DClouds. Zwar deutet der leicht putzige Artstyle einen Fun Racer an, jedoch ist die Nähe zur Formel 1 nicht nur äußerlich.

Eine kleine Zeitreise durch die Renn-Geschichte
Formula Legends nimmt sich sehr deutlich die Formel 1 Renngeschichte als Vorbild. Nicht nur aktuelle oder berühmtere Wagen und Epochen stehen da als Vorbild. Von 1960ern bis zu den 2020ern bekommen mehrere Rennsaisons ihren Spotlight. Dies wird im sogenannten Storymodus schlicht mit kleinen Einführungstexten repräsentiert. Der eigentliche Modus ist an sich ein typischer Cup-Modus, nur eben an die zeitlichen Rennsaisons gerichtet, was Fahrer und Strecken angeht.
Die Cups haben anfangs je 4 Rennen, werden jedoch bis zum Ende immer mehr. In den 2020ern muss man dann 8 Rennen im Cup bewältigen. Hier sei vorgewarnt: die Rennen dauern im Schnitt 10-12 Minuten, da man meist um die 10 Runden fährt + 2 Runden für Qualifikation. Neben den Story-Cups gibt es noch einen benutzerdefinierten Modus, in dem man nach beliebigen Einstellungen Cups und Einzelrennen starten kann, sowie einen Modus für Zeitrennen.
Als Belohnung für Erfolge gibt es zahlreiche Fahrer & Wagen freizuspielen, sowie ein paar Poster. Beides kann man sich in einer Galerie anschauen. Wer selbst die Muse für schöne Bilder hat, kann sich außerdem innerhalb Rennen mit einem ordentlichen Fotomodus austoben.
Im spielerische Umfang kann Formula Legends durchaus was bieten. Zwar bewirbt 3DClouds das Spiel nur mit 14 Strecken, jedoch sind hierbei die Orte gemeint. Fast jeder Ort hat mehrere Streckenvarianten und bei manchen sind die Varianten gänzlich andere Strecken, weshalb ich eher von so 16-18 Strecken sprechen würde (32, wenn man alle Varianten zählt). Wagen/Teams gibt es je Epoche 7 Stück, mit je 2 Fahrern.

Ich bin dazu geneigt Formula Legends eine „Fun Simulation“ zu nennen
Nicht ganz ernst nehmen – Formula Legends ist ziemlich klar ein Arcade Racer. Weder versucht es hoch realistisch zu sein, noch hat es Gimmicks die ich mit einem Fun Racer assoziieren würde. Dennoch ist die Herangehensweise recht ungewöhnlich.
Die Rennen laufen nach traditionellem Formel 1 Prinzip ab (so glaube ich zumindest, als Laie zu Formel 1). Man fährt ein 2-Runden Qualifikations-(Zeit-)Rennen und danach das Rennen mit ca. 10 Runden durch eine bodenständige, von Formel 1 inspirierte, Rennstrecke. Innerhalb der Rennen gibt es Reifenverschleiß, Treibstoff und Karosserieschaden, welche einen irgendwann zum Boxenstopp nötigen. Auch Abkürzungen darf man nicht nehmen, da man nach 3 Verwarnungen je 1 Sekunde als Strafe abgezogen bekommt.
Zum Boxenstopp muss man dann primär wegen den Reifen, entweder da sie sich sicher abnutzen mit der Zeit oder das Wetter zu Regen umschwenkt und man daher Regenreifen aufziehen sollte. Ignoriert man das, wird die Kontrolle schlechter und im Falle von 0% wird das Auto extrem langsam. Der Boxenstopp selbst läuft in Form eines kleinen Quick-Time-Event ab, was ich in dieser Idee sehr lustig finde, da man auch hiermit wertvolle Zeit herausholen kann. Neue Wagen können im Übrigen zwischen vier Reifen wählen, hingegen alte Wagen nur zwischen Normalen und Regen Reifen.

Die Steuerung ist schön direkt, erfordert jedoch klar einen guten Umgang mit Bremsen und Gaspedal. Im Standard kann bei unsachter Nutzung die Lenkung oder Bremse blockieren. In der Kurve aus der Bande rausbrettern, ist anfangs nicht selten. Wer es lieber mehr arcady haben will, kann sich Steuerungshilfen anschalten (das geht überall). Außerhalb der Story kann man sogar nach belieben Dinge wie Reifenverschleiß abschalten und somit pur Richtung Arcade wechseln.
In den Saisons der 2010er und 2020er bekommt man mit BRS und WRS noch zwei zusätzliche Funktionen. Sie sind an reale Funktionen angelehnt, aber gerade ersteres ist simpel gesagt ein Boost der sich im Fahren automatisch auffüllt. Das WRS habe ich nicht komplett verstanden, kann man aber ebenso zur höheren Geschwindigkeit anschalten, jedoch nur an bestimmten Streckenabschnitten und scheinbar nicht, wenn man 1. ist. Übrigens gibt es natürlich auch Windschatten.

Die Liebe zur Vorlage und zum Detail
Sehr überrascht war ich mit der Zeit über gewisse artistische Aspekte. Bei den ganzen Namen wurde sich viel Mühe gegeben, so dass sie häufiger eine witzige Anspielung auf reale Fahrer, Teams oder Strecken sind. Dabei wurden jedoch nicht faul sehr nah Dinge kopiert, sondern eigene Gestaltungen vorgenommen, die sich wirklich sehen lassen können.

Richtig beeindruckt hat mich die technische Optik. Im normalen Rennverlauf ist es einfach hübsch und leicht cartoony (mit „Chibi“ Rennwagen), also nichts zum Bemängeln, aber auch nichts hart Besonders. Doch wenn der Regen beginnt … dann ist das auf einmal ein ganz anderes Level! Ich habe selten einen so toll gestalteten Regen in einem Spiel gesehen. Das wirkt in dieser cartoony Optik nochmal stärker, weil es so unerwartet kommt.
Auch der Rest ist 1A gestaltet. Die Menüs geben das genau richtige Feeling, die Fahrzeuge sehen in ihrer Chibi-Optik dennoch irgendwie professionell aus und die Strecken geben ihre Umgebung top im Artstyle wieder. Eigentlich kann ich nur über die fehlende Varianz meckern, die sich eben wegen der Vorlage an ein gewisses Korsett hält.
Das Audiodesign ist ebenso toll. Die Fahrzeuge klingen typisch nach Formel 1 Wagen, aber mit Unterschieden entsprechend ihrer zeitlichen Epoche. Auch die Musik weiß mir zu gefallen. Sie passt wirklich gut und wurde mir in 20 Stunden Spielzeit nicht langweilig.

Leider nicht alles perfekt
Abseits davon dass Formula Legends etwas Abwechslung mangelt, da es sich wie gesagt an dem Korsett der Vorlage orientiert, gibt es leider noch zwei erhebliche Mankos.
Kein Mehrspieler-Modus: Es wird mich selbst kaum betreffen, aber ich empfinde es als sehr verschenktes Potential in solch einem Spiel keinen Splitscreen anzubieten. Wie perfekt wäre es denn wenn Formel 1 Fans sich treffen könnten und dann dieses seichtere Spiel (verglichen zu üblichen Formel 1 Videospielen) im Splitscreen zocken könnten? Naja, vielleicht beim nächsten Mal.
Das größte Problem – Schwierigkeit und KI: Formula Legends hat leider eine unglaublich schlecht balancierte KI. Normalerweise würde ich gewisse Renn-Ergebnisse auf fehlende Übung schließen, selbst wenn es Unterschiede zwischen Strecken gibt. Wenn ich aber nach 10 Stunden Spielzeit, in den einen Strecken (im selben Cup!) meine Gegner überrunde, hingen in der nächsten Strecke die Gegner mich überrunden … auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad! … dann stimmt da irgendetwas nicht. Ich habe dennoch meinen Spaß und werde nun nach 20 Stunden immerhin nicht mehr auf Einfach überrundet (gewinnen ist dennoch manchmal schwer!), aber ich verstehe voll und ganz, wenn das ein Dealbreaker für so manchen Interessierten sein könnte.

Fazit – Die beste Formel 1 Erfahrung die ich je hatte, trotz schrecklicher Spielbalance
Formula Legends hat mich wirklich sehr überrascht. Mit meiner anfänglichen Skepsis tat es sich die erste Spielstunde noch schwer, doch je mehr ich es gespielt habe, desto mehr gefiel es mir. Gerade MIR! Jemand dem bodenständige Rennspiele mit simplen Strecken selten zusagen.
Doch die Liebe zum Detail, die Präsentation und das super funktionierende Gameplay haben mich irgendwann in den Bann gezogen. Lediglich die fürchterliche Balance der KI ist ein wirklich großes Problem. Hoffentlich wird dies in der Zukunft noch stark verbessert.
Empfehlen kann ich das Spiel vor allem der Schnittmenge von Formel 1 und Arcade Racer Fans. Eben denen die einen Ansatz von authentischer Formel 1 Erfahrung haben wollen, aber lieber als Arcade Racer – und Fans von Regen! der Regen ist sooo gut!

Mag ich
– Tolle audiovisuelle Präsentation
– Sauberes Arcade Gameplay mit Formel 1 Feeling
– Viel Liebe zum Detail mit witzigen Anspielungen
– Der Regen!!!
Mag ich nicht
– Fürchterliche Balance der KI
– Kein Mehrspieler Modus
Vielen Dank an 3DClouds für die Bereitstellung des Testmusters. Gespielt auf PlayStation 5.