
Nach dem holprigen Start der Xbox One hat Microsoft sich bemüht, mit einem etwas diverseren Line-Up an exklusiven Spielen den Rückstand zu Sonys PlayStation 4 aufzuholen. Eines dieser Spiele abseits der ausgetretenen Pfade ist Recore, das Elemente von Metroidvania, 3D Jump & Runs und Action-Rollenspielen miteinander verbindet. Entwickelt von ehemaligen Metroid Prime-Entwicklern und nach einem Konzept von Mega Man-Erfinder Keiji Inafune kommen hier sehr unterschiedliche Expertisen zusammen, so dass sich die Frage stellt, ob Recore zu einem kohärenten und spaßigen Gesamterlebnis zusammengeführt werden konnte. Dieses Review basiert auf der Definitive Edition, die auch ein kostenfreies Upgrade des Originalspiels ist und einige erhebliche technische Schwächen des Originals behebt. Auf diese Schwächen geht dieses Review demnach nicht mehr ein, zumal sie für Spieler, die das Spiel heutzutage spielen, komplett unerheblich ist, solange sie nicht die Disc der Original-Veröffentlichung ohne Online-Patches verwenden. Die Disc der Definitive Edition enthält bereits den Großteil der Verbesserungen gegenüber dem Original.
In Recore schlüpfen wir in die Rolle der jungen Ingenieurin Joule, die im Zuge der Kolonialisierung der Welt Neu Eden aus ihrem künstlichen Tiefschlaf erweckt wird und gleich feststellt, dass einiges schiefgelaufen ist. Statt auf eine Welt, die im Aufbau begriffen ist, findet sie sich in einer Wüste wieder, die voller technischer Bauten, aber auch offenkundig menschenleer ist. Nun ist es an ihr, herauszufinden, was schiefgelaufen ist, und die Situation wieder geradezubiegen. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Roboterhund Mack und im Laufe des Spiels noch zwei weiteren Robotern, die ihr mit neuen Fähigkeiten im Kampf und der Erkundung unter die Arme greifen. Die Geschichte wird in Echtzeitvideosequenzen mit deutscher Sprachausgabe erzählt und ist zwar nicht allzu spannend, stört aber im Verlauf des Spiels auch nicht.

Spielerisch ist Recore eine äußert ungewöhnliche Mischung verschiedener Designideen. Strukturell orientiert sich Recore an Metroidvanias und Open World-Spielen. Das heißt, dass die Spielwelt eine große, zusammenhängende Welt mit fünf Teilgebieten ist, die im Wesentlichen frei erkundet werden können. An einigen Stellen in der Welt ist der Fortschritt allerdings durch Fähigkeiten blockiert, die man erst im Laufe des Spiels erlangen muss. In Folge dessen kehrt man im Verlauf des Spiels immer mal wieder in bekannte Gebiete zurück, um mit neuen Fähigkeiten weitere Aufgaben zu erledigen. Leider ist das Spiel im Hinblick auf diese Fähigkeiten-basierte Strukturierung ein wenig holprig umgesetzt. So gibt es einige Male Situationen, in denen man eine Aufgabe fast vollständig abgeschlossen hat, beispielsweise eine schwer zugängliche Stelle erreicht hat und dann nur für die Freischaltung der eigentlichen Belohnung noch eine Fähigkeit benötigt, die man zu dem Zeitpunkt noch nicht hat. Das kann einem schon ziemlich aufs Gemüt schlagen.
Besonders kritisch ist, dass die optionalen Dungeons in der Spielwelt den Zugang erlauben, selbst, wenn einem zwingend notwendige Fähigkeiten noch fehlen. In einem Dungeon habe ich eine ganze Weile zugebracht, bis ich aufgegeben und erst bedeutend später im Spiel festgestellt habe, dass ich jetzt die Fähigkeit habe, die vermeintlich schwierige Stelle im Dungeon zu bewältigen. Da man die Dungeons – abgesehen von den Story-Dungeons – bei erneutem Betreten von vorne absolvieren muss, ist das besonders ärgerlich. Schließlich ist es so, dass die zusätzlichen Fähigkeiten, die man im Spiel freischaltet, an den Begleiterrobtern hängen. Derer gibt es drei, allerdings sind die Roboter modular und neben den drei Kernen gibt es auch noch fünf Rüstungen, in die die Kerne eingesetzt werden können und die die eigentlichen Fähigkeiten mit sich bringen.

Zudem kann man stets nur zwei Roboter mit sich führen. Die Kerne mit den Rüstungen verknüpfen kann man nur in seinem Raumschiff, die Begleiter auswählen immerhin an jedem Schnellreisepunkt. Allerdings kann man vermutlich bereits ersehen, dass dieses Konzept unnötigerweise zwei Ebenen der Komplikation mit sich bringt und die Entscheidung, den Spieler immer nur zwei der Fähigkeiten mitnehmen zu lassen wird spielerisch im Grunde nie gewinnbringend eingesetzt, so dass der häufig notwendige Wechsel, wenn man feststellt, dass man für eine Aufgabe doch eine andere Fähigkeitenkonstellation benötigt, ein ziemliches Ärgernis. Immerhin machen viele der zusätzlichen Fähigkeiten viel Spaß und ergänzen die Mobilitätsoptionen sinnvoll.
Neben den Fähigkeiten, die die Kern-Roboter mit sich bringen, kann man auch die Kampffähigkeiten seiner Spielfigur und der Begleiter erhöhen. Hierzu sammelt man sowohl für erfolgreich absolvierte Kämpfe, als auch für das Sammeln von Sammelgegenständen Erfahrungspunkte, die dann nach und nach Levelaufstiege zur Folge haben, die wiederum die Angriffs- und Verteidigungswerte erhöhen. Massives Grinding sollte man aber zum Glück nicht erwarten. Wenn man einfach die optionalen Dungeons erledigt, kommt man gegen Ende des Spiels recht nah an das ursprüngliche Maximallevel von 30. Mittlerweile wurde das Maximallevel auf 40 erhöht, aber die Schwierigkeit der Hauptkämpfe wurde nicht entsprechend nach oben gezogen. Schließlich kann man bei seinen Robotern auch noch mit gefundenen Materialien zusätzlich Angriff- Verteidigung und Energie erhöhen oder mit gefundenen Bauplänen Teile verbessern. Die verschiedenen Ebenen, auf die man seine Spielfiguren verbessern kann, wirken ein wenig konfus, sind aber in der Implementation niedrigschwellig genug, dass es den Spielablauf nicht stört.

Neben der Erkundung der Oberwelt spielt auch der Kampf eine große Rolle. Hierbei orientiert man sich wieder ein wenig an Metroid Prime, so dass man seine Gegner anvisieren und dann wahlweise mit kleinen Schüssen – allerdings in viel höherer Frequenz als in Metroid und dankenswerter Weise einfach mit gedrückt gehaltener Schultertaste statt mit wiederholtem Druck – oder mit stärkeren aufladbaren Schüssen seinen Gegnern zusetzen kann. Eine Munitionsleiste limitiert die Angriffsfrequenz ein wenig, allerdings lädt diese sich in Windeseile wieder auf, wenn man kurz nicht schießt, so dass sie eine überschaubare Einschränkung darstellt. Während in der ersten Spielhälfte der schnelle Schuss bedeutend mehr Schaden pro Zeiteinheit verursacht und zu bevorzugen ist, ist in der zweiten Spielhälfte der aufgeladene Schuss die bedeutend bessere Option, weil er eine Zielsucheigenschaft hat, was sehr sinnvoll gegen gepanzerte Gegner ist, einen Explosionsradius aufweist, so dass auch mehrere Gegner auf einmal getroffen werden und, vermutlich das wertvollste, im Zusammenspiel mit den Kernrobotern schwere Angriffe der Gegner blockieren kann. Gerade da spätere Kämpfe ziemlich intensiv werden können, ist es wichtig, dass man dem Umstieg nicht verpasst, sonst kann Frust ins Haus stehen.
Das erstaunlicherweise aber dominante Gameplay-Konzept ist das Platforming. Die Mobilität der Spielfigur ist sehr hoch, so kann man einen Doppelsprung ausführen, in der Luft oder am Boden einen kräftigen Dash nach vorn ausführen – besonders befriedigend die Kombination, vor dem Sprung einen Dash auszuführen um mit hoher Geschwindigkeit über dem Abgrund abzuspringen und dann noch einen Dash in der Luft übrig zu haben – und die Kernroboter erweitern die Mobilitätsoptionen zusätzlich um einen Schienenlauf und Gleiten. Zu Beginn des Spiels wird das Platforming vor allem als Mittel für die Erkundung der Oberwelt und der Dungeons eingesetzt, aber mit zunehmender Spieldauer setzt Recore immer mehr auf knifflige Sprungpassagen, die die hohe Genauigkeit der Steuerung und die große Reichweite der Mobilitätsoptionen gekonnt auf die Probe stellen. Clevere Plattform-Konstellationen, bewegliche Hindernisse und Plattformen, Rotationen und Energiefelder sorgen für ein abwechslungsreiches, anspruchsvolles Hüpfvergnügen. Insbesondere in dem gigantischen letzten Dungeon werden selbst Jump & Run-Freunde hart auf die Probe gestellt.

Damit nicht genug ist es so, dass es eine reihe optionaler Dungeons gibt, die sich vor allem auf Platforming konzentrieren und neben der hohen notwendigen Präzision einen Performance-Aspekt bieten: Wer alle Boni aus dem Dungeon einsacken möchte, muss ihn in einem bisweilen knappen Zeitlimit absolvieren. In Anbetracht der vielen knappen Sprünge und agilen Levelelemente kann das eine ziemlich knifflige Angelegenheit werden.
Recore hat einige etwas eigenwillige oder sperrige Designentscheidungen, die immer mal wieder für Kopfschütteln sorgen können. Zudem gibt es, trotz zahlreicher fundamentaler Verbesserungen im Vergleich zur Ursprungsfassung immernoch einige ziemlich erhebliche Bugs – der schwerwiegendste für mich war, dass der letzte Endgegner einfach mitten im Kampf verschwunden ist und ich das Spiel neu laden musste, um den Kampf abzuschließen. Doch wer über diese Mängel hinwegsehen kann, bekommt ein äußerst ungewöhnliches Spiel mit anspruchsvollen Jump & Run-Aufgaben und einer Kombination weiterer Spielelemente, die man in anderen Spielen so nicht findet. In der Definitive Edition und mit dem FPS- Boost der Xbox Series X, der das Spiel auf stabile 60 Bilder in der Sekunde bringt, ist Recore allemal eine Empfehlung wert.

Getestet auf Xbox Series X.