Yoshi’s Story (Review)

Nach den überschwänglichen Kritiken für Yoshis erstes Hüpfspiel Yoshi’s Island hat Nintendo sich entschieden, den bunten Dinos mit den Knollennasen eine eigene Reihe zu spendieren – und Yoshi’s Island somit ein Stück weit aus der Mario-Hauptreihe auszugliedern. Auf dem Nintendo 64 sind die Yoshis nun sogar komplett ohne Mario unterwegs, haben aber ein weiteres Mal mit dem jungen Bowser Jr. zu kämpfen, der den niedlichen Dinosauriern ihren Happy Baum gestohlen hat. Die frisch geschlüpften Yoshis machen sich umgehend auf, den Baum, der für ihr Glück unerlässlich ist, zurückzuerobern.

Yoshi’s Story hat eine äußerst ungewöhnliche Spielstruktur, denn obgleich das Spiel insgesamt 24 Level bietet, kann man den Abspann erreichen, indem man gerade einmal sechs Level abschließt. Grund dafür ist, dass die Level auf sechs Welten zu je vier Levels aufgeteilt wurden und man in einem Durchlauf durch den Story-Modus je Welt nur ein Level abschließt. Welches, das hängt von zwei Bedingungen ab: Abgesehen von der ersten Welt kann man in jeder Welt das erste Level in jedem Fall auswählen und abhängig davon, wie viele der drei Herzen in dem vorherigen Level man gesammelt hat, stehen auch Level 2 bis 4 zur Verfügung. Das heißt, dass das vierte Level einer jeden Welt nur spielbar ist, wenn man zuvor alle drei Herzen gesammelt hat, wohingegen für das zweite Level bereits ein einzelnes Herz reicht.

Obwohl Yoshi’s Story ein 2D Jump & Run ist, ist es voll auf den Analogstick ausgelegt und kann auch nur mit dem Analogstick gespielt werden. Ein entscheidender Grund hierfür ist, dass Yoshi mit verschiedenen Laufgeschwindigkeiten gesteuert werden kann und stellenweise auch muss. So gibt es beispielsweise Bienenstöcke, die es Yoshi nicht erlauben, in seiner hohen Laufgeschwindigkeit zu passieren, sondern nur wenn er tapst und bei einem wiederkehrenden Kistenstapelminispiel, bei dem man einen Stapel von sieben Kisten über die Ziellinie bringen muss, ist Fingerspitzengefühl mit dem Analogstick, jedenfalls in den späteren Levels, unerlässlich.

Darüber hinaus spielt der Analogstick mit seinen Zwischenrichtungen eine wichtige Rolle beim Zielen mit Eiern und beim Tauchen in Wasserlevels. Wenngleich der umfassende Einsatz des Analogsticks eher ungewöhnlich ist, funktioniert die Steuerung problemlos und der Nachteil im Vergleich zu einem Steuerkreuz, dass man weniger schnell die Richtung komplett ändern kann, spielt bei Yoshi’s Storys Leveldesign keine entscheidende Rolle. Ich habe allerdings die Beobachtung gemacht, dass Yoshi’s Story überdurchschnittlich belastend für die Langlebigkeit des Analogsticks ist, da Richtungswechsel in die entgegengesetzte Richtung im Vergleich zu 3D-Spielen bedeutend häufiger vorkommen.

Das Moveset Yoshis ist eng an Yoshi’s Island angelehnt, das heißt, dass Yoshi springen, in der Luft flattern, fressen, Eier werfen und stampfen kann. Die Handhabung von Eiern ist allerdings etwas vereinfacht worden. Yoshi muss die gefressenen Gegner nicht mehr ausdrücklich verdauen, sondern wandelt jeden gefressenen Gegner automatisch in ein Ei um. Auch werden Eier nicht mehr von Wänden abgestoßen. Das heißt, dass das Spiel mit Reflexionen keine Rolle mehr spielt. Im Gegenzug explodieren geworfene Eier am Zielpunkt, so dass nicht mehr nur die Richtung, sondern auch die Distanz eine Rolle beim Eierwurf spielt. Insgesamt ist die neue Eierwurfmechanik allerdings ein Komplexitätsverlust, der sich auch bemerkbar macht. Dass man nicht mehr gleichzeitig mit Eiern zielen und laufen kann, kann zudem den Spielfluss etwas unterbrechen, allerdings ist Yoshi’s Story natürlich ohnehin ein eher erkundungsorientiertes Spiel.

Nicht nur beim Aufbau der Welten, auch bei den Levels selbst geht Yoshi’s Story strukturell neue Wege und versucht auf durchaus interessante Weise, Spielerwahl beim Schwierigkeitsgrad umzusetzen. In jedem Level muss Yoshi 30 Früchte sammeln und fressen. Derer gibt es in den Levels allerdings bei weitem nicht nur 30 und die Früchte sind nicht alle gleichwertig. So hat jeder Yoshi seiner Farbe entsprechende Lieblingsfrüchte und zu Beginn der Spielsession wird immer eine Glücksfrucht festgelegt, die noch einmal mehr Punkte gibt. Mit Abstand am meisten Punkte gibt aber die Honigmelone und hiervon gibt es exakt 30 je Level. Wer Yoshi’s Story also voll auskosten möchte, der kann mit der Jagd nach 30 Honigmelonen je Level den Schwierigkeitsgrad bedeutend erhöhen.

Allerdings muss man dazu sagen, dass das Spiel abseits der Bestenlisten und einem leicht modifizierten Levelende-Bildschirm das Sammeln von Honigmelonen nicht belohnt, so dass der eigene Ehrgeiz der einzige Motivator bleibt. Unglücklich ist dabei, dass die Entwickler einzelne Melonen auf sehr unangenehme Weise versteckt haben, so kann man einige nur durch geeignetes Zusammenschieben von Kisten oder durch Schnuppern erhalten. Letzteres ist einfach mühselig, ersteres ist nicht immer ganz transparent und kann darauf hinauslaufen, dass man mehrere Lösungen ausprobieren – und dafür das Level von neuem beginnen muss.

Die bereits beschriebene Levelwahl je Welt ist zudem ein weiterer Punkt, über den sich der Schwierigkeitsgrad ein wenig modifizieren lässt: Je höher die Levelnummer, desto schwieriger ist das Level tendenziell. Entsprechend ist es vermutlich wenig erstaunlich, dass das einfache Durchspielen von Yoshi’s Story außerordentlich einfach ist. Möchte man einen Durchgang über die jeweils vierten – also schwierigsten – Level des Spiels machen, ist es zwar durchaus plausibel, dass man das eine oder andere Leben verliert, doch kann Yoshi’s Story in Sachen Schwierigkeitsgrad auch dann keineswegs mit dem SNES-Vorgänger mithalten.

Es ist allerdings zweifelsohne anzuerkennen, dass das Leveldesign in Yoshi’s Story sehr abwechslungsreich ist und die meisten Level mit einer individuellen Idee daher kommen, die dafür sorgt, dass man die 24 Level des Spiels sehr zuverlässig auseinanderhalten und die meisten auch mit einem markanten Spielelement verknüpfen kann. Strukturell wird eine weite Palette von Levels geboten, von strikt linearen bis hin zu sehr verworrenen Leveldesigns, in denen man sich eine gute Orientierung erst einmal erarbeiten muss.

Mit sehr viel Liebe wurde offensichtlich die Präsentation des Spiels gestaltet, die die Darstellung der Yoshis bis heute stark prägt. Die frisch geschlüpften Yoshis sind extrem niedlich, was nicht zuletzt durch die hier eingeführte piepsige Stimme der quirligen Saurier unterstrichen wird. Zuckersüße Animationen, sowohl im Gameplay, als auch wenn man den Stick mal für einige Sekunden unangerührt lässt, und sehr deutlich choreografierte Emotionalität geben den Yoshis in Yoshi’s Story eine Menge Charakter. Auch die gesamte Spielwelt, die aus verschiedenen Materialien zusammengearbeitet wirkt, ist zuckersüß und sieht auch heute noch hervorragend aus. Die verspielte, eingängige Musik tut ihr Übriges dazu. Wo Yoshi’s Story spielerisch einiges Potenzial liegen lässt, wird bei der Präsentation aus dem Vollen geschöpft – in einem Maße, dass manchem Spieler die plakativ zur Schau gestellte Niedlichkeit schon etwas zu weit gehen mag.

Yoshi’s Story ist ein interessantes Experiment, das viel Spaß machen kann, aber dafür auch einige Eigeninitiative vom Spieler verlangt. Unzweifelhaft ist die herausragende Präsentation, spielerisch hingegen hat Yoshi’s Story einige eklatante Lücken und unterfordert insbesondere jeden, der zuvor bereits Erfahrung mit der Reihe oder dem Genre gemacht hat. Wer an einem digitalen Insulinüberschuss leidet, der kommt um Yoshi’s Story nicht umhin, aus strikt spielerischer Sicht ist das Spiel, gerade nach seinem exzellenten Vorgänger, aber ernüchternd.

Getestet auf Nintendo 64.