Fantasian Neo Dimension (Review)

Fantasian, das „neueste“ Werk von Mistwalker, ist endlich auf Konsolen erschienen. 2021 hatte es seine Premiere auf iOS-Geräten und war dort tatsächlich drei Jahre in einem Abomodell gefangen. Nun ist es soweit und man kann das Spiel endlich regulär kaufen. Doch hat sich die lange Wartezeit gelohnt und merkt man dem Spiel seine mobile Vergangenheit an? Um es kurz anzuschneiden, das Spiel hätte auch vor sechs Jahren oder noch früher erscheinen können und wäre damals schon veraltet gewesen, was aber nicht unbedingt was negatives sein muss, wenn man an die Renaissance von Retrospielen in der heutigen Zockergemeinde denkt. 

Leo, der Protagonist von Fantasian, leidet unter der typischen Heldenkrankheit in JRPGs. Amnesie scheint wie ein Fluch auf ihm zu liegen, erinnert er sich doch kaum an seine Vergangenheit. Nach einem kurzen Prolog und der Flucht aus unbekanntem Gebiet landet er per Warp in einem kleinen Dorf. Dort wird er erkannt und seine Geschichte beginnt mit der Suche nach der Frau, die ihm in kurzen Sequenzen im Kopf abgespielt wird. Die Story entwickelt sich zu einem wandelnden JRPG-Klischee im Kampf von Gut gegen Böse und natürlich liegt es an Leo und seiner Party, die Welt vor dem Untergang zu retten. Die Geschichte weiß trotzdem zu unterhalten und die Charaktere sind einigermaßen interessant, beides reißt natürlich keine Bäume aus und dient lediglich als Hintergrund für die zahlreichen Kämpfe, die folgen werden. Die Grafik ist ungewöhnlich, der Hintergrund stammt von Dioramen, die Mistwalker eigenhändig hergestellt und dann eingescannt hat. Die Auflösung könnte besser sein und der Grafik merkt man insbesondere die Herkunft an, hier wäre auf einer Konsole wie der PS5 deutlich mehr drin. Die Musik stammt aus der Feder von Nobuo Ueamatsu der wie Sakaguchi, der Kopf hinter Mistwalker, eine Vergangenheit bei Square Enix hat. Leider sind die Stücke nicht so prägnant und pompös wie in seinen früheren Werken, ich könnte auch jetzt nach etlichen Stunden kein Lied aus dem Kopf mitsummen. Zum Glück gibt es jedoch die Möglichkeit, die Kampfmusik zu ändern und Themes aus diversen Final Fantasy Teilen abzuspielen. 

Fantasian ist damals in der Apple Arcade im Abstand von einem halben Jahr in zwei Episoden erschienen, die sich teilweise sehr unterscheiden. Im zweiten Teil gibt es einen neuen Fähigkeitsbaum, die Welt ist viel offener und nicht so streng linear wie in der ersten Episode, zudem bekommt man ab Level 35 nicht mehr so viele Erfahrungspunkte wie vorher. Ansonsten wurde die JRPG-Checkliste fein abgearbeitet. Es gibt rundenbasierte Kämpfe, immer bessere Ausrüstung, viele Verbesserungen per Edelsteinsystem und natürlich Erfahrungspunkte. In der zweiten Episode hat man auch die Möglichkeit, die Party instant im Kampf auszutauschen, was besonders bei den teilweise abartig schweren Bosskämpfen sehr wichtig wird. Leider bietet Fantasian auch Zufallskämpfe wenn man durch die Level läuft, doch hier gibt es zum Glück einen Kniff. Nach kurzer Zeit kann man Gegner, die man bereits ein Mal bekämpft hat, im Dimengeon fangen. Das Dimengeon hat anfangs Platz für 30 Gegner, denen man sich jederzeit stellen kann oder im Falle der Überfüllung stellen muss. Will man also erst mal die Level in Ruhe erkunden und lieber einen langen statt vieler kürzerer Kämpfe ausfechten, macht das Feature Sinn. Im Kampf greift man immer aus der Ferne an, auch mit Schwertern, da jeder Kämpfer und jede Kämpferin eine Angriffslinie hat, mit der man sogar mehrere Gegner auf einmal anvisieren kann. Diese Linie kann man verschieben und gibt dem Spiel einen weiteren taktischen Kniff. Neben den üblichen Elementar-und Heilzaubern gibt es Buffs und Debuffs und Skills. Fantasian bietet zwei Schwierigkeitsgrade, die man auch im späteren Spiel noch ändern kann. Ich empfehle ganz klar den normalen, ist Fantasian in der ersten Episode noch ziemlich leicht, haut es in der zweiten Episode umso härter zu. Hier kommt leider ein sehr negativer Punkt zum Tragen, denn im späteren Verlauf ist man geradezu gezwungen zu grinden. Es könnte natürlich auch an mir liegen, aber bei manchen Endgegnern musste ich sowohl Erfahrungspunkte als auch Gegenstände grinden. Und selbst dann wurde meine Party immer und immer wieder komplett ausgelöscht, weil man teilweise bei der ganzen Heilerei gar nicht dazu kommt den Gegner auch mal anzugreifen. Die Schwierigkeit finde ich leider sehr schade, selten hatte ich solche Probleme in einem JRPG und ich muss auch zugeben, dass ich das Spiel für den Test sehr weit, aber nicht durchgespielt habe, weil ich immer wieder lange Zeit an einem Endgegner gescheitert bin. 

Fantasian lebt sehr von Nostalgie. Es könnte spielerisch glatt als nie erschienenes Final Fantasy X auf der PS1 durchgehen, deswegen fällt es mir sehr schwer hier die passende Ampel zu zücken. Fans der alten Schule werden hier garantiert ihren Spaß haben, Fans von modernen JRPG sollten hier jedoch einen Bogen um das Spiel machen. Zu viel Grinden, zu viele Zufallskämpfe, Endgegner die aus einem JRPG Dark Souls stammen könnten und eine teils hakelige Steuerung und ein sehr hässliches UI sind für moderne Spieler und Spielerinnen wahrscheinlich ein Gamebreaker. Ich hatte vor allem in der ersten Episode meinen Spaß, das Kampfsystem ist super und bei mir wirkt die Nostalgie, deswegen wurde es im Endeffekt die grüne Ampel. Wer aber bei den negativen Punkten eher den Kopf schüttelt sollte es für den Nostalgieflash doch eher das Remake von Dragon Quest III spielen. Zudem gibt es leider keine deutschen Texte, das Spiel ist komplett auf englisch.

Vielen Dank an Square Enix für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PlayStation 5.