
Findet ihr auch, dass Spiele in einer VR-Version sofort noch viel besser werden? So wie zum Beispiel … äh, Gran Turismo 7? Zugegeben, meine Erfahrungen mit VR-Versionen oder VR-Modi für vorher flache Spiele sind eher beschränkt. Besonders, nachdem mich die Demo zu Resident Evil Village enttäuscht hat. Aber in Trombone Champ: Unflattened habe ich große Hoffnungen gelegt.
Ziel der Flat2VR Studios ist es, bisher flache Spiele in die virtuelle Realität zu übertragen. Mit der Ankündigung von FlatOut VR und Trombone Champ: Unflattened bin ich auf die frühere VR-Modding-Community aufmerksam geworden und habe seitdem auf den Release des Rhythmusspiels als VR-Version gewartet. Ob sich das Warten gelohnt hat?
Auf dem Weg zum Trombone Champ: Steuerungsgrundlagen
Trombone Champ ist ursprünglich ein flaches Spiel, bei dem die Notenlinien horizontal verlaufen wie oft in Theathrhythm Final Fantasy. Mausbewegungen immitieren die Handbewegung beim Festhalten des Posaunenzuges. Dadurch werden die Töne höher oder tiefer, je nachdem, ob sich die Maus vom Körper entfernt oder nähert. Ein Mausklick oder Tastendruck immitiert das Blasen in die Posaune. Hinter den Noten läuft ein Video und eine posaunende Person steht am Bildrand.
In Trombone Champ: Unflattened laufen die Notenlinien auf mich zu. Ähnlich wie in Unplugged: Air Guitar oder Synth Riders, aber so gedreht, dass hohe Töne oben sind und tiefe Töne unten. Standardmäßig befinden sich die Linien abwechselnd zu beiden Seiten, schließlich lässt sich in VR der Raum gut ausnutzen. Die Noten lassen sich aber auch auf eine Seite festsetzen.
Wie in Unplugged, kann ich auch hier eine linkshändische Variante wählen. Doch echte Posaunist:innen halten den Posaunenzug in der rechten Hand, weshalb ich mich herausgefordert gefühlt habe. Schließlich ist das Posaunenspiel eine ernste Angelegenheit.
Also halte ich mit der linken Hand das Mundstück an die richtige Position (oder das geschieht per Standardeinstellung automatisch). Mit der rechten Hand halte ich den Posaunenzug und bewege die Hand von meinem Körper weg oder zu ihm hin. Eigentlich sollte ich die Hand nur horizontal bewegen, aber meist bewege ich sie auch leicht nach oben oder unten. Die Hoch-runter-Bewegung auf dem Bildschirm in eine Vorwärts-Rückwärts-Bewegung umzusetzen, ist erstaunlich schwierig. Aber sehr lustig.
Normalerweise muss ich den Posaunenzug auch festhalten. Doch durch den dauerhaften Druck auf R1 verkrampfen meine Finger schnell. Glücklicherweise gibt es eine Einstellung, um das Festhalten zu Beginn eines Liedes per einfachem Knopfdruck zu aktivieren.
In die Posaune blase ich ebenfalls per Knopfdruck. Dafür habe ich viele verschiedene Knöpfe zur Auswahl. So kann ich besonders in längeren Sessions flexibel zwischen Knöpfen wechseln.

Songauswahl
Trombone Champ: Unflattened glänzt vor allem mit jahrhundertealten Liedern. Endlich mal etwas, das ich kenne!
Beim Verfolgen der Kampagne war ich tatsächlich überrascht, wie viele der Musikstücke ich kenne. Es ist viel klassische Musik dabei, viele Hymnen, Märsche und Volkslieder, aber auch ein paar neuere elektronische Titel. Ich habe The Star Spangled Banner gespielt, God Save the King, aber auch Old MacDonald Had a Farm und das traditionelle japanische Sakura.
Außerdem habe ich jetzt Ohrwürmer von mindestens zwei Parodiesongs aus der TV-Werbung, die verschiedene Klassiker als Vorlage genommen haben. Fürchterlich. Warum erinnere ich mich noch an sowas?!
Bei jedem Musikstück steht, wann das Lied entstand. Darunter gibt es aber auch eine spannende Infobox. Auch wenn ich den Hinweis zu einem Musikstück, dass es in Parodien verwendet wird, tatsächlich nicht gebraucht hätte. Manchmal bin ich mir nicht ganz sicher, wie realitätsgetreu die Texte wirklich sind, aber sie sind alle amüsant. Nach jedem gespielten Lied gibt es auch einen Fun Fact, der noch viel merkwürdiger klingt. Aber ich glaube ungeprüft alles, was mir das Spiel sagt. Es würde mich doch nicht anlügen, nur weil das lustig ist, oder?
Bei einzelnen Liedern bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich sie kenne. Denn standardmäßig ist die Posaune sehr laut eingestellt und dadurch gehen die anderen Instrumente manchmal ein wenig unter. Wenn ich dann die Melodie der Posaune selbst nicht genau erkenne, dann kann ich mich auch nicht daran allein orientieren. Aber es fühlt sich einfach richtig an, die Posaune so laut zu lassen. Wenn ich schon nicht immer richtig spiele, dann wenigstens immer laut.
Einzelne Musikstücke haben auch Liedtexte, die während des Spielens angezeigt werden. Irgendwo am Rande meines Blickfeldes. Aber mit Posaune sollte ich ohnehin nicht mitsingen, schließlich brauche ich meinen Atem für das Instrument. Es sind aber auch interessante Texte dabei.

Atemlos auf der Bühne
Trombone Champ: Unflattened setzt das Video zu jedem Musikstück weiter nach hinten. Ich selbst sitze auf einer Bühne, weshalb ich ausnahmsweise im Sitzen gespielt habe. Zwischen mir und dem Video befindet sich das Publikum, das teilweise aus sich sehr ähnlich sehenden Personen besteht. im Gegensatz zu Unplugged ist das Publikum hier keine anynome Masse in der Schwärze und der gesamte Raum etwas kleiner. Orchestermusik füllt eben nicht immer gigantische Konterthallen.
Da die Notenlinien fast meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, sehe ich wenig von den Videos. Manchmal erhasche ich kurze Blicke, aber meistens verliere ich mich doch im Posaunenspiel.
Vom Publikum merke ich deutlich mehr, da ich es auch höre. Je besser ich spiele, desto mehr jubeln sie. Spiele ich besonders miserabel, was sehr selten geschieht, aber doch manchmal vorkommt, bemerke ich das auch sofort.
Gutes Spiel wird durch eine Menge Bildeffekte belohnt. Das Spiel ist ein überbordendes Spektakel aus Farben, Musik und Lärm, also sollten empfindliche Personen etwas aufpassen.
Die Bewertungen für einen gespielten Ton geraten in ihrer schlichten Gestaltung dadurch schnell etwas in den Hintergrund. Mir sind sie inzwischen nicht mehr besonders wichtig, aber Missionen in der Kampagne bauen auf Bewertungen auf. Jedes Musikstück hat drei Missionen, bei denen es oft darum geht, eine bestimmte Mindestanzahl an “perfekten” Bewertungen zu erreichen oder eine Kette ausreichend gut getroffener Töne. Daneben gibt es auch Rangbewertungen. Um die Kampagne abzuschließen, wird eine Mindestanzahl an erledigten Missionen benötigt. Doch die Voraussetzungen für Fortschritte sind so gering, dass auch Posaunenneulinge weit kommen können, ohne allzu viele Lieder zu wiederholen.
Zusätzlich gibt es auch ein Atemmeter, das die Maximallänge gespielter Töne einschränkt. Kein Ton ist zu lang, um ihn gut getimt in einem Atemzug zu spielen, aber ich sollte nicht vergessen, zwischen den Tönen kurz den Druck von den Knöpfen zu nehmen.

Die Kampagne
Die Kampagne führt durch die Musikstücke, die im Spiel vorhanden sind. Die Stücke sind in verschiedene Kategorien unterteilt, die ich nicht ganz verstanden habe, aber Musik ist auch nicht mein Steckenpferd. Geschaffte Missionen schalten weitere Abschnitte frei, was bei mir deutlich schneller ging als überhaupt jedes Musikstück nacheinander einmal zu spielen.
Einzig ganz am Ende steckt ein wenig Storycontent hinter allen geschafften Missionen, aber vorher liegt das Mindestziel deutlich niedriger.
Auffällig beim Schwierigkeitsgrad ist allerdings, dass Lieder zwar konsant schwieriger werden, aber dazwischen immer wieder Schwierigkeitsspitzen auftreten. Dabei wird zu jedem Musikstück der Schwierigkeitsgrad angezeigt, der mit meiner Spielerfahrung übereinstimmt.
Ist einmal ein Lied zu schwierig (was eher das Abschließen von Missionen betrifft als das Durchspielen), bieten fast alle Lieder einen einfachen Modus. Bei diesem sinkt auch die angezeigte Schwierigkeit. Häufig werden schnell aufeinanderfolgende Inputs zusammengefasst, um das Musikstück einfacher zu machen. Ein wenig leidet dadurch die Melodie, aber solange ich nicht direkt zwischen Normal und Einfach wechsle, irritiert das kaum. Da sich im einfachen Modus die Anzahl an zu spielenden Tönen verringert, benötigen einzelne Missionen dadurch ein deutlich makelloseres Spiel, aber in der Regel sind die Missionen weiterhin gut zu schaffen.
Manchmal ist es auch Missionsziel, eine bestimmte Champ Time oder den maximalen Punktemultiplikator aufrecht zu erhalten. Beide Zähler füllen sich auf, wenn ich Töne ausreichend gut treffe. Für die Champ Time füllt sich dabei ein Schriftzug zwischen den Notenlinien. Aufeinanderfolgende richtig getroffene Töne bauen den Punktemultiplikator bis maximal 10 auf. Beides sinkt bei zu schlechtem Spiel wieder auf Null.
Mit Beethovens 5. Sinfonie hatte ich auf jedem Schwierigkeitsgrad zu kämpfen. Manche Tonfolgen sind einfach extrem schnell. In den meisten anderen Fällen musste ich Stücke aber nicht lange üben, um alle Missionen abschließen.

Posaunen und Paviane
In Trombone Champ: Unflattened steckt aber auch jede Menge Lore. Die Infoboxen zu den Liedern habe ich bereits erwähnt, aber es gibt auch 50 Sammelkarten mit historisch völlig akkuraten Texten. Erstaunlich, wie eng Musik und Hot Dogs miteinander verbunden sind!
Und die Paviane erst. In diesem Spiel stecken so viele Paviane.
Ich mag den überdrehten, merkwürdigen Humor von Trombone Champ. Die Sammelkarten sind in VR manchmal etwas schwieriger zu lesen durch ihre kleine Schrift, aber für die Texte lohnt sich die Mühe. Außerdem habe ich am Ende der Kampagne sehr gelacht.
Besonders amüsiert habe ich mich aber auch über einige der 20 Posaunen. Einzelne erhalte ich während der Kampagne, während ich andere gegen Sammelkarten eintausche. Die bezahle ich mit Toots, die ich durch das Spielen von Musikstücken erhalte. Wie es bei Sammelkarten üblich ist, sind immer zufällige Karten in einer Tüte. Gedoppelte Karten kann ich aber auch gegen andere eintauschen.
Während viele der Posaunen klingen, wie eine Posaune eben klingt, gibt es auch einige, die andere Töne produzieren. Über mehr davon hätte ich mich besonders gefreut, aber ich habe mich auch über die vorhandenen amüsiert. Aber natürlich spiele ich dieses ernste Musikstück mit dem nötigen Respekt auf einem Gummihuhn.
Reicht das nicht aus, kann ich aber auch in einem weiteren Modus komplett improvisieren und mit meiner Gummihuhnposaune eins werden.

Fazit
Trombone Champ: Unflattened ist nicht nur ein wunderbares Rhythmusspiel, sondern ein wahres Erlebnis. Das Spiel ist sehr humorvoll und völlig absurd, während es zugleich ein gut funktionierendes Rhythmusspiel ist. Der Einstieg ist einfach und die schwierigsten Musikstücke sind eine Herausforderung, weshalb für unterschiedliche Fähigkeitenlevel viel geboten wird. Außerdem ist es manchmal einfach besonders großartig, mit grauenhaft klingenden Soundeffekten völlig schief zu spielen.

Herzlichen Dank an Flat2VR Studios für die Bereitstellung des Testmusters. Musiziert auf PlayStation 5 Pro mit PSVR2.