
Ubisoft Montreal ist heutzutage vor allem dank der Assassin’s Creed-Reihe eines der Top-Enwicklerteams bei Ubisoft, doch bevor das Studio hinter Prince of Persia und Assassin’s Creed es zu internationalem Ruhm geschafft hat, hat es Michel Ancels Montpellier Studio dabei geholfen, den Weg in das 3D-Zeitalter zu nehmen. Im Tandem mit dem ambitionierten Rayman 2 entstand Tonic Trouble, das auf Charakter- und Szenario-Designs von Rayman-Schöpfer Ancel setzt und einen ersten Probelauf für die Mechaniken von Rayman 2 diente.
Das lila Alien Ed hat ein unangenehmes Leben als Hausmeister und nimmt seinen Job doch eher mäßig ernst. Als Eds Raumschiff die Erde passiert, räumt er gerade wieder einen vollgemüllten Raum im Raumschiff auf und wirft dabei unachtsamer weise auch eine Dose Limonade über Bord, die just auf der Erde landet und dort für allerlei Unheil sorgt. Denn was für Eds Spezies ein harmloses Getränk ist, lässt auf der Erde den Wikinger Grög zu einem größenwahnsinnigen und mächtigen Despoten werden, der mit intelligentem Gemüse kurzerhand ein eigenes Reich aufbaut. Als Verursacher dieses Schlamassels ist es nun wiederum an Ed, auf die Erde zu reisen und dort mit der tatkräftigen Unterstützung des verrückten Wissenschaftlers Doc und seiner Tochter Suzy aufzuräumen.

Tonic Trouble ist ein im Wesentlichen lineares 3D Jump & Run, das allerdings – ähnlich wie sein großer Bruder Rayman 2 – den Spielfortschritt zusätzlich an das Sammeln von in den insgesamt zwölf Levels verteilten Gegenständen koppelt, in diesem Fall rot-gelbe Energiezellen. Neben diesen Energiezellen gibt es in den Levels außerdem Thermometer zu finden, die Eds maximale Lebensenergie erweitern. Eds Steuerung ist nahezu eine Kopie von Raymans in Rayman 2, inklusive der leichten Verzögerung auf der Spitze des Sprungs und dem angenehm hohen Grip beim Laufen. Allerdings kommt Tonic Trouble schlechter mit wechselnden Perspektiven zurecht und die Flug- und Rutschsteuerung sind weniger rund als in Ubisofts Hüpfspiel-Primus.
In Sachen Leveldesign kann Tonic Trouble mit etwas mehr Verzweigungen und kleinen Rätseln aufwarten als Rayman 2, geht aber ansonsten sehr ähnliche Wege. Eine Besonderheit in Tonic Trouble sind Itembasierte Fähigkeiten, insbesondere die des Kraftmeiers Super Ed, die immer nur kurze Zeit verfügbar sind. Diese Fähigkeiten, die oft erst nach dem Lösen kleiner Rätsel in einem Raum verfügbar sind, zusammen mit einigen zirkulär aufgebauten Leveldesigns geben Tonic Trouble ein etwas verzweigteres Spielgefül als Rayman 2. Andererseits geht Tonic Trouble eine der ganz großen Stärken von Rayman 2 nahezu gänzlich ab: Das ungemeine Feingefühl für Spielfluss und –rhythmus. Mal wirkt das Spiel unheimlich gehetzt, an anderen Stellen wird eine an und für sich ganz gute Spielidee überreizt und wird langweilig. In Anbetracht des enorm geringen Umfang des Spiels – gerade einmal etwa sechs Stunden bedarf ein vollständiger Durchgang durch das Spiel – fällt die mangelhafte Feinabstimmung deutlich auf.

Die Oberwelt in Tonic Trouble ist erstaunlich komplex und weist einige gut verborgene Geheimnisse auf. Allerdings kommuniziert das Spiel teilweise etwas mäßig, wie man zum nächsten Hauptlevel gelangt und so kann es schon einmal passieren, dass man minutenlang in der Oberwelt herumirrt. Der skurrile Humor des Spiels und die exzellente musikalische Untermalung – aus der gleichen Feder wie bei Rayman 2 – tröstet darüber jedoch hinweg. Insgesamt wirkt Tonic Trouble wie eine Zusammenstellung von Ideen und Levelkonzepten, die für zu schwach für Rayman 2 befunden wurden. Damit ist Tonic Trouble gewiss immer noch kein schlechtes Spiel, im Gegenteil kann das Spiel durchaus ordentlich unterhalten. Doch wird man das Gefühl nicht los, dass hier bedeutend mehr Potential drin steckt, als tatsächlich realisiert wurde und gerade die etwas langweiligeren Level hätten bei der Menge an Spielinhalt nicht sein sollen. Insgesamt ein ordentliches Spiel aus der zweiten Reihe, das aber zu keinem Zeitpunkt über sich hinaus wachsen kann.

Getestet auf Nintendo 64.