Pyrene (Review)

Keyart zu Pyrene

Es sind wahrlich gute Zeiten für mich ehemaligen Magic-Süchtling. Alleine in diesem Jahr habe ich bereits drei Spiele gespielt, die mehr oder weniger mit Deckbuilding einhergehen. Von Primateria und Dicefolk habe ich euch bereits ausführlich berichtet, der dritte Streich ist derzeit noch ein Opfer meiner ungestümen Faulheit. Ich brauche also Druck, um euch ein drittes Mal in dieses doch recht gefüllte Subgenre zu entführen. Das Testmuster von Pyrene kam da gerade richtig! Doch wie gut sind aller Dinge drei, vor allem wenn es ja eigentlich irgendwie das vierte Spiel des Jahres für mich ist, welches Deckbuilding und Roguelite miteinander verzahnen will?

Pyrene – Ein ungewöhnliches Roguelite…

Wie so oft bei Roguelites fängt alles sehr klein in Pyrene an. Unser Dorf wurde gerade von Monstern vernichtet, denn ein uraltes Grauen scheint auf die Welt zurückgekehrt zu sein. Wir beginnen als Jägerin Atanaia damit, das Dorf wieder aufzubauen und eventuell verschollene Dorfbewohner in den gefährlichen Leveln aufzuspüren. Der Aufbau unseres Dorfes stellt dabei die Art Metaprogression dar, wie wir sie auch beispielsweise aus Hades kennen. Die einzelnen Level, angelehnt an Dungeon Crawler, stellen unseren “Run” dar, welcher typisch für Roguelites ist.

Nicht ganz so typisch ist hingegen, dass beim Erreichen mancher Schlüsselmomente der bisherige Run in der Form zwar wiederholbar, aber für den Fortschritt der funktionalen Abenteuergeschichte unerheblich bleibt. Als kleiner Minispoiler: Mit Atanaia die ersten Level abgrasen, endet nach wenigen Biomen, die sich thematisch und spielerisch unterscheiden. Haben wir den Boss dieses “Kapitels” bezwungen, gibt es einen festen Reset ins Dorf. Ein hypothetischer Sieg im ersten Durchgang, wie in den meisten Rogues, ist somit nicht möglich.

Doch dies ist auch gar nicht wichtig, denn die meisten Durchgänge von mir dauerten in der Regel knapp dreißig Minuten. Plusminus ein paar zerquetschte, wenn sich der Run erfolglos oder erfolgreich gestaltete. Und um lieber erfolgreich zu sein, gilt es recht schnell, das tiefgründige Spielsystem von Pyrene zu verinnerlichen.

Ein Dorf voller Möglichkeiten

Ein Durchgang besteht daraus, dass wir mit unserem Charakter (im Laufe der Spielzeit kommen weitere dazu) hinaus ziehen und die Level erkunden. Ziel ist dabei stets die in der Story anvisierte Mission abzuschließen oder auf dem Weg soviel Holz wie möglich zu sammeln. Holz ist wichtig, damit wir zwischen den Läufen in Pyrene die Gebäude des Dorfes wieder aufbauen können. Das bereits erwähnte Hades operiert da ähnlich. Mit den durch das Holz errichteten Gebäuden können wir mehr Funktionen des Spiels freischalten, um jeden Besuch in den Leveln mit der steigenden Schwierigkeit effektiver zu gestalten.

Screenshot aus Pyrene
Holz, wir brauchen viel Holz!

So können wir beispielsweise neue Relikte und Karten freischalten, die uns im Laufe einer Partie zur Verfügung stehen. Oder das Level-Layout passt sich mit zusätzlichen Item-Locations oder geheimen Räumen mit Boni an. Wundervoll fand ich persönlich das Upgrade der Taverne auf Level 2. Nein, kein besseres Bier, obwohl sich manch einer von euch das wünschen würde. Viel besser: Die Statuswerte der Charaktere lassen sich hier plötzlich frei innerhalb der verfügbaren Punkte anpassen.

Diese sind zu Beginn eines Durchlaufes fest. Wir haben einerseits ein festes Deck von fünf Karten, individueller Art je nach Charakter. So hat Atanaia beispielsweise einen Bogen, welcher mit viel Schaden den stärksten Gegner auf dem Feld bezwingen kann. Dazu hat jeder Charakter Lebenspunkte, Proviant und Ausdauer. Ersteres dürfte selbsterklärend sein: Sinken diese im Laufe des Spiels auf 0, geht es zurück ins Dorf. Ausdauer gibt uns Zugriff auf mehr Karten, denn wir finden in der Regel mehr in den Leveln, als wir wirklich einsetzen können. Und Proviant bezieht sich auf eine Ressource, welche zwischen den einzelnen Spielzügen eines Gefechtes verbraucht wird.

Ein hochgefährlicher Dungeon-Crawler

Das eigentliche Gameplay von Pyrene gestaltet sich wie ein Dungeon-Crawler. Unser Charakter erkundet prozedural generierte Kartenausschnitte, in denen sich hilfreiche Dinge befinden können…oder Gefahrenzonen. In diesen Gefahrenzonen kommt es zum Kampf zwischen uns und den Monstern des jeweiligen Biomes. Je nach Gefahrenzone stehen sich dann zwei Decks gegenüber: Unser Kartendeck sowie ein individuelles Deck der Gegner. Nur wenn wir viele Karten des Gegners ausschalten können, wird eine Altar-Karte ausgespielt, die uns das Duell beenden lässt.

Diese beiden Decks breiten sich zufällig auf der individuellen Spielfeldfläche aus. So besteht eine Arena aus zwei mal vier Feldern aus unserem Charakter (ebenfalls eine Karte), einer Auswahl unseres Deckes sowie einer Auswahl des gegnerischen Decks. Aufgefüllt werden Felder dann durch Ressourcen-Karten wie Holz, Mana oder Gold. Diese nehmen im Laufe eines Duells zu, da unsere Karten oder die der Gegner ausgedünnt werden.

Dieser Charakter hat ein Wiesel an seiner Seite – ein bissiges!

Wir steuern in einem solchen Duell unseren Charakter. Wir können dabei nur angrenzende Felder betreten, sofern sich hier bereits eine andere Karte befindet. Leere Feldern sind nicht mehr betretbar und müssen durch eine Rast über Nacht wieder aufgefüllt werden. Dies hat allerdings zwei Nachteile: Jede Rast kostet uns Proviant (oder ohne Proviant Lebenspunkte)  und weiterhin auf dem Feld befindliche Gegner werden einen Lebenspunkt stärker. Rasten ist allerdings zwingend notwendig, denn nur der Altar hilft uns aus der Gefahr hinaus. Alle Gegner müsst ihr dafür allerdings nicht erledigen, auch wenn sich das Level des Altars und somit die Belohnung erhöht, wenn wir Monster vernichten und deren Loot mitnehmen, sobald der Altar im Spiel ist.

Diese Belohnungen sind genretypisch zufälliger Natur. Jeder Altar hinterlässt eine Karte mit einer Truhe, die uns ein Relikt oder eine neue Karte für das Deck aus einer Auswahl von drei möglichen Objekten gewährt. Ähnlich wie bei anderen Genrevertretern, zum Beispiel Slay the Spire, ist vor allem die Kenntnis der Möglichkeiten durch die Wiederholung am Zielführendsten. Wenn ich weiß, dass im nächsten Biom Gegner mit Gift auf mich warten, dann ist ein Relikt, welches mir Giftschaden auf 0 setzt, wahrscheinlich sehr lieb.

Komplexe Taktik trifft wiederkehrende Schwachstellen

Denn Kämpfe sind meistens dualer Natur. Wir bewegen in der Gefahrenzone unseren Charakter auf das Feld eines Gegners, anschließend werden die Lebenspunkte gleichwertig miteinander verrechnet. Diese Lebenspunkte sind auch zugleich der Schaden, den wir austeilen, also je mehr wir schutzlos und ohne Heilung kämpfen, desto schwächer werden wir. Und Gift oder andere Statuseffekte zehren gegebenenfalls zusätzlich an uns.

All diese Faktoren zeichnen ein überaus komplexes Gebilde, welches mir in meinen ungefähr 15 Spielstunden viel Spaß gemacht hat. Gefahrenzonen werden zu einer taktischen Herausforderung – vor allem wenn das Leben in späteren Phasen kritischer wird und unser Deck bereits vollständig genutzt wurde. Der Gameplayloop baut sich allerdings auch nach einer Weile ab. Zwar ist jedes Biom einzigartig in seinen Bedingungen – so “fallen” beispielsweise alle Karten in den Bergen nach unten – doch mit der Wiederholung werden auch diese Bedingungen zusehends zur “Normalität”. Es ist vor allem die Meta-Progression durch den Aufbau des Dorfes, das ständig neue Bedingungen schafft.

Zudem plagen Pyrene dieselben Probleme, die häufig im Genre auftauchen. Die zufälligen Belohnungen lassen uns schwer ein Gefühl für die richtige Strategie entwickeln. Gerade in den ersten Stunden ist somit jeder Durchgang entweder zu einfach, weil es zu leicht wird, oder aufgrund schwacher Planung zu schwer bis unmöglich. Ich wage sogar zu behaupten, dass Pyrene hier am unteren Ende des Genres rangiert. Oftmals wurden mir für meinen angedachten Plan komplett sinnlose Relikte oder Karten präsentiert und die Stärke meines Decks stagnierte. Eine solche “Ausweglosigkeit” kenne ich von den meisten Roguelites eher nicht. Vielleicht bin ich aber auch nur (noch) zu blind für die Synergieeffekte.

Probleme mit dem Spiel? Dann mal eben Zusatzrelikte aktivieren.

Pyrene gefällt mir, aber…

Die Probleme sind aber durch den ständigen Fortschritt im Dorf und die kurze Spielzeit zum Glück nur dann auffällig, wenn man sich die Zähne an einer Mission ausbeißt. Und wenn dann doch der Gameplayloop zu sehr stagnieren sollte, ist von Beginn an der Wachturm freigeschaltet. Hier lassen sich einerseits zusätzliche Relikte freischalten für den Run, die diesen vereinfachen oder erschweren sollen. Andererseits aber auch die Barrierefreiheits-Optionen, was ich als “Spielinhalt” ein wenig seltsam finde – gleichgestellt mit Schwierigkeits-Optionen.

Und so bedauere ich irgendwie, dass ich einerseits viel Spaß mit Pyrene hatte, aber zugleich auch eine Blaupause für die üblichen Genre-Dilemmas vor mir liegen hatte. Die Metaprogression von Pyrene eröffnet dem Spiel immer neue Möglichkeiten und Duelle in den Gefahrenzonen können richtig strategisch werden. Zudem kommen die Charaktere und ihre Fähigkeiten, sowie die Biome individuell und mit frischen Ideen daher. Dem steht allerdings gegenüber, dass mir der Zufall durch mangelhaftes Management der Belohnungen und mancher Arena-Rast beinahe unüberwindbare Hürden in den Vordergrund gerückt hat. Durch überschaubare Gegner-, Relikt- und Kartenfülle erscheinen zudem die Wiederholungen selbst für die genreuntypisch kurze Spielzeit schnell monoton. 

Auf PC und Steam Deck durch gewieselt. Ein herzlicher Dank geht an Two Tiny Dice und Indie Asylum für die Bereitstellung eines Mustercodes.