
Die Tomb Raider-Serie hat in ihren letzten drei Teilen eine ungewöhnliche Entwicklung durchgemacht. Nachdem das 2013er Reboot um eine jüngere Lara Croft sich als vorrangig als Third Person-Shooter mit einigen moderaten Action-Adventure-Elementen gegeben hat, hat Rise of the Tomb Raider die Rätsel- und Platform-Elemente zu etwa gleichwertigen Spielkomponenten ausgearbeitet. Der dritte Teil. Shadow of the Tomb Raider ist schließlich zu einem Action-Adventure mit einer Hand voll Shooter-Einlagen geworden.
Erzählerisch knüpft Shadow of the Tomb Raider unmittelbar an den direkten Vorgänger an. Dieses Mal verschlägt es Lara auf den Spuren ihres Vaters in den peruanischen Dschungel, abermals im Wettstreit mit Trinity. Dabei stößt Lara auf mythische Relikte und mischt sich ungewollt in die lokale Stammespolitik ein. Die Geschichte wird größtenteils über Echtzeitvideosequenzen erzählt, allerdings macht Shadow of the Tomb Raider auch an einigen Stellen von dem meines Erachtens unangenehmen Trend Gebrauch, Teile der Geschichte über Gespräche in gemächlichem Gehtempo zu vermitteln.

Im Mittelpunkt des Spieldesigns von Shadow of the Tomb Raider steht die Kletterei. Die zahlreichen mechanischen Optionen, die in den beiden Vorgängerspielen eingeführt wurden, stehen nun bereits von Beginn an zur Verfügung und sorgen dafür, dass die Kletterei von Beginn an abwechslungsreich ist und auch einen gewissen Anspruch bietet – der allerdings nicht mit den Klassikern der Prince of Persia-Reihe mithalten kann. Nichtsdestotrotz ist Shadow of the Tomb Raider sicherlich die beste Wahl unter den modernen AAA-Spielen für Kletterei, die spielerische Substanz mitbringt. Zwar klettert man die meiste Zeit an eng vorgegebenen weiß markierten Pfaden entlang, das Spiel gibt aber viel Kontrolle über die Art der Kletterei. Situative Reaktionen auf gefährliche Gefahren und die Möglichkeiten, die Laras Enterhaken bieten, sind oftmals an schnelle Reaktionen gebunden und sorgen dafür, dass die Kletterei bis zum Ende unterhaltsam bleibt, anstatt sich wie bei Uncharted oder God of War als interaktive Spielpause zu gerieren.
Der zweite Wesentliche Spielaspekt in Shadow of the Tomb Raider sind Rätsel. Wer das Spiel einfach nur durchspielen möchte, muss derer nur eine Hand voll lösen, da ein großer Teil der Rätsel in den optionalen Gräbern versteckt sind, die man an verschiedenen Punkten in der Spielwelt finden kann. Nichtsdestotrotz macht man auch in der Hauptstory einige Bekanntschaft mit den großen Rätsel-Setpieces, die sich die Entwickler ausgedacht haben. Im Mittelpunkt steht hierbei die Interaktion mit gewaltigen Mechanismen und Schaltern, um beispielsweise eine Maschine wieder in Gang zu setzen oder den Wasserstand in einer Höhle zu regulieren.

Beim Rätseldesign haben die Entwickler sich eine Menge einfallen lassen und sich vor allem Mühe gegeben, die einzelnen Konzepte der Rätsel schrittweise einzuführen, so dass die komplexen Abschlussaufgaben eines Rätselabschnitts auch zuverlässig durch Nachdenken statt Ausprobieren zu lösen sind. Diese Zweiteilung in eine einigermaßen geführte explorative Phase und eine kombinatorische Phase ohne helfende Hand macht eine Menge Spaß und stellt zudem sicherlich einen guten Kompromiss dar, um solches Rätsel-Gameplay auch in einem AAA-Actionspiel anbieten zu können, ohne allzu großen Frust aufkommen zu lassen. Wer keine Lust auf Knobelaufgaben hat, der dürfte mit der Option, die Rätsel über das Schwierigkeitsgrad-Menü jederzeit leichter zu machen, befriedet werden.
Schließlich muss Lara sich außerdem immer wieder mit Trinity oder anderen Gegnern messen. Hierzu stehen ihr zwei verschiedene Vorgehensweisen zur Verfügung: Stealth und offener Kampf. Beim Stealth-Vorgehen schleicht sich Lara ähnlich wie in Assassin’s Creed an ihre Gegner heran und tötet sie aus dem Hinterhalt, während sie gerade unaufmerksam und insbesondere nicht von anderen Gegnern beobachtet sind. Einen großen Teil der Konfrontationen im Spiel kann man auf diese Wiese erledigen und gelegentlich haben die Entwickler durchaus interessante Begebenheiten für ein heimliches Vorgehen gestaltet. An einzelnen Stellen – im nennenswerten Umfang dreien – ist ein heimliches Meucheln aber keine Option und in diesen Situationen wird Shadow of the Tomb Raider zu den Third Person Shooter-Wurzeln zurückgeholt. Wahlweise mit Pfeil und Bogen, Pistole oder Maschinengewehr kann man sich in der seit Resident Evil 4 bekannten Schulterperspektive Feuergefechte leisten. Mechanisch sind die Kämpfe weiterhin gut umgesetzt, allerdings können sie im Hinblick auf die kreative Gestaltung der Kampfschauplätze nicht mit dem 2013er Titel mithalten. In Anbetracht des überschaubaren Anteils, den die Kämpfe am Spiel haben, ist das aber fraglos unproblematisch.

Technisch ist Shadow of the Tomb Raider grundsätzlich sehr ansehnlich und auf Xbox Series X auch mit konstanten 60 Bildern in der Sekunde spielbar. Allerdings hat das Spiel auch heute, viele Jahre nach Erscheinen, noch einen unangenehmen Bug, der dafür sorgt, dass in einzelnen Situationen Licht und Schatten enorm flackern. Hierbei hilft es auch nicht, vom Performance- in den Grafikqualität-Modus zu wechseln. So wie dieser Bug aussieht, gibt es augenscheinlich Situationen, in denen der Culling-Algorithmus Geometrie in hoher Frequenz ein- und ausschaltet, so dass die hierdurch ausgelösten Echtzeitschatten immer wieder ins Bild flackern. Akustisch gibt es hingegen nichts zu meckern, sowohl die Musik als auch die deutsche Sprachausgabe schaffen eine gelungene Atmosphäre, wenngleich die eher wenig durchdachte Geschichte dem Spiel einen etwas comichaften Charakter verleiht. Meine Lieblingssituation in der Hinsicht war, dass ein Gegner im Spiel schreit, ich ihn als Lara Croft erschossen habe und Lara anschließend vor sich her murmelt „Wovor haben sie nur solche Angst?“ – Reflexion scheint nicht Laras Stärke zu sein.
Shadow of the Tomb Raider ist ein sehr umsichtig designtes Action-Adventure, das insbesondere mit seinen Kletteraufgaben und Rätseln überzeugen kann. Shooter-Fans und Spieler, die vor allem für eine spannende Geschichte spielen, dürften nicht auf ihre Kosten kommen, aber wer an Kletterei und Rätseln Spaß hat, sollte Shadow of the Tomb Raider definitiv nicht verpassen.

Getestet auf Xbox Series X.