Nach dem 21. Mai 2013 fühlten sich viele Xbox Fans so, als würden sie mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Sackgasse rasen. Microsoft hatte mit einer fragwürdigen Kommunikation zur Xbox One das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt und riss die Fans von Halo und Co. auf dem Beifahrersitz mit.
Das Kapitel der amerikanischen Videospielkonsole hätte mit dem „All-in-One Entertainment-System“ ein unfreiwillig frühes Ende finden können. Trotz eines guten spielerischen Startangebots hatte Team Xbox vor allem die Lacher auf ihrer Seite, denn die Tausendsassa-Strategie ging nicht auf. Gamer wollen vor allem Spiele – wer hätte es ahnen können?
Andere Firmen hätten an dieser Stelle die Augen geschlossen und dem nahenden Unheil nichts entgegensetzen können. Doch es kam anders: Die reichhaltigen finanziellen Rücklagen des Konzerns federten den Aufprall ab und ein neuer Fahrer namens Phil Spencer begann 2017 als Vizepräsident das Lenkrad herumzureißen und die Xbox-Sparte zu lenken. Seine Zukunftsvision am Horizont zeigt eine Abkehr von fixierten Konsolengenerationen, die Xbox-Plattform als Service auf möglichst vielen Geräten und vor allem: massig neue Spiele.
Um all diese Vorhaben umsetzen zu können, hat Spencer die prall gefüllte grüne Brieftasche geöffnet und neue Talente unter dem Banner der Xbox Game Studios versammelt. Seit 2018 entwickeln Compulsion Games, Double Fine Productions, InXile Entertainment, Ninja Theory, Obsidian Entertainment, Playground Games, Undead Labs und The Initiative exklusiv für Microsoft. Ein Ende der Talentakquise ist Gerüchten zufolge noch nicht in Sicht, denn der beliebte Abodienst Xbox Game Pass soll in Zukunft regelmäßig mit neuer hochwertiger Software gespeist werden.
Am 23. Juli stattfindenden Event wird Microsoft nun hoffentlich endlich konkret zeigen, ob unter Spencers Leitung nicht nur eine Quantitäts-, sondern auch eine Qualitätsoffensive gestartet wurde. Halo Infinite sollte beweisen, dass der Sci-Fi-Shooter mit Recht seinen Status als Aushängeschild der Konsole behalten darf. Turn 10 Studios ungewöhnlich lange Pause wird sich hoffentlich beim neuen Forza bemerkbar machen. Zudem möchte Everwild von Rare den alten Zauber des Traditionsstudios wieder wecken.
Und dann wären da noch all die bereits genannten neuen Studios, die überwiegend an bisher unbekannten Projekten arbeiten, was bei Xbox-Fans endlich wieder spannende Fragen aufwirft: Entpuppt sich Playground Games neues Spiel wirklich als Fable-Reboot und zeigt sich das enorme Talent der Forza Horizon-Entwickler auch in einem gänzlich anderen Genre? Welche Möglichkeiten bieten sich Obsidian Entertainment im RPG-Genre, wenn sie auf die Ressourcen von Microsoft zurückgreifen können? Ergänzt Senua‘s Saga das Portfolio um ein finsteres und hochwertig inszeniertes Singleplayer-Spiel? Was macht eigentlich The Initiative, das die eigene Arbeit bereits selbstbewusst als „Quadruple-A-Titel“, also ein „A“ über dem geläufigen „Triple-A“-Spiel, kategorisiert hat?
Keine Frage, Xbox muss diesmal liefern. Vermutlich wird die technisch potente Xbox Series X vergleichsweise hoch bepreist und setzt dementsprechend eindrucksvolle Kaufanreize voraus. Wie das Scheitern der All-in-One-Taktik bewiesen hat, sind dies hochwertige und zahlreiche Spiele auf einer Konsole, die dafür das technische Fundament bereitstellt. Xbox Series X scheint diesem Ideal nahe zu kommen – nun muss nur noch das Software-Angebot stimmen. Ein Szenario wie 2013 wollen sowohl Microsoft als auch die Fans nicht wiederholen. Es ist also an der Zeit konkret zu werden und zu beweisen, dass die Straße nicht in einer Sackgasse endet, sondern mit fantastischen Videospielen gepflastert und mit überraschenden Abzweigungen gespickt ist.
Ob Xbox dies gelingt, besprechen Christoph und Robert in der neuen Ausgabe des Power On-Podcast, die im Anschluss an das Event am 23. Juli erscheinen wird. Die Xbox-Show selbst könnt ihr ab 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit live auf den gängigen Videoplattformen mitverfolgen.