
Ein überraschendes Highlight im Xbox Games Studio Line-Up in dieser Generation war mit Sicherheit Ori and the Blind Forest. Das Spiel vom Österreichischen Moon Studio besticht mit einer gelungenen Kombination aus Jump & Run-Gameplay und Metroidvania-artigem Leveldesign und bietet überdies eine dichte Atmosphäre, die durch eine detailverliebte Optik und einen stimmungsvollen Soundtrack unterstützt wird. Nach fünf Jahren in der Entwicklung und zwei substantiellen Verschiebungen ist jetzt endlich der zweite Teil, Ori and the Will of the Wisps im Einzelhandel und auf dem Xbox Store erhältlich.
Ori and the Will of the Wisps knüpft inhaltlich an das Ende des Erstlings an und zeigt, wie Ori sich liebevoll um den Nachwuchs Kuros kümmert, eine kleine Eule namens Ku. Leider hat Ku einen nicht funktionsfähigen Flügel, so dass das Eulenkind nicht fliegen kann. Dank einer Feder-Prothese lernt Ku schließlich doch noch, zu fliegen, nur um dann bei einem ersten Flug mit Ori im Wald Niwen verloren zu gehen. Ori macht sich also auf die Suche nach Ku und löst nebenbei die lokalen Probleme in Niwen.

Spielerisch ist Ori and the Will of the Wisps eng an den ersten Teil angelehnt. Die größte Änderung hat das Kampfsystem erfahren, das nun wesentlich dynamischer ist, mit einer Vielzahl an erweiterbaren Spezialangriffen daherkommt und in Folge dessen natürlich auch einen größeren Rahmen im Spieldesign einnimmt. Im Gegenzug sind die zeitlich eng begrenzten Verfolgungsszenen deutlich weniger prominent im Spiel vertreten. Da die Verfolgungsszenen im Vorgänger ein wenig darunter litten, dass man einige Gefahren nicht sehen konnte, bevor man auf sie hätte reagieren müssen, ist das aber kein allzu herber Verlust. Neue, optionale Rennsequenzen in jedem großen Gebiet des Spiels sorgen zudem dafür, dass man seine Reflexe dennoch angemessen auf die Probe stellen kann.
Im Vergleich zum ersten Teil ist die Spielwelt in Ori and the Will of the Wisps deutlich umfangreicher, doch im Gegensatz zu vielen anderen Spielen, die in einem Nachfolgespiel mit Extrainhalten prahlen, hat bei Ori die Dichte der Spielwelt nicht gelitten. Ganz im Gegenteil steckt die gesamte Spielewelt voller Raffinesse und kleinen Geheimnissen. Knifflige Sprung- und Dashsequenzen, interessante Rätsel und kurzweilige Kämpfe mit abwechslungsreichen Endgegnern sorgen dafür, dass die Spielwelt durchweg Spaß bringt, selbst bei wiederholten Durchläufen, um liegen gebliebene Items zu suchen oder zum nächsten Spielgebiet vorzudringen.

Allerdings muss man leider sagen, dass die Entwickler nicht sehr kreativ bei der Gestaltung der Zusatzfähigkeiten waren, die man im Laufe des Spiels freischaltet. Beinahe jede Fähigkeit, die man im Spiel freischaltet, ist eine Form von Dash, so dass man schon bald beim Betreten eines neuen Gebiets direkt erraten kann, was für eine Dash-Variante man dieses Mal freischalten kann. Allerdings ist das nicht nur negativ, denn das hat natürlich zur Folge, dass man im Laufe des Spiels immer agiler wird und nach hinten heraus wahnwitzige Dash-Kombinationen mit Ori aufs Parkett legen kann, die dem Spiel einen ganz besonderen Rhythmus verleihen.
Das etwas ungewöhnliche Energie-System des Erstlings ist in Ori and the Will of the Wisps übrigens einem deutlich klassischerem Speichersystem zum Opfer gefallen. Statt jederzeit durch Einsatz eines Energiepunkts speichern zu können, speichert man in diesem Spiel an Speicherstellen. Hinzu kommen zahlreiche Autospeicher-Punkte, so dass es nahezu ausgeschlossen ist, dass man im Spiel Fortschritt verliert. Allerdings ist das Autospeicher-System leider auch absolut notwendig, denn das Spiel ist erstaunlich instabil. Nach einiger Spielzeit werden die Ladezeiten erheblich länger, das Spiel fängt an zu ruckeln oder gar zu hängen und hin und wieder stürzt das Spiel schlichtweg komplett ab. Auch wenn das in gewisser Weise mit dem etwas fehlerhaften Speichermanagement der Unity Engine zusammenhängen dürfte, gab es solche Probleme im Erstling nicht.
Nach beinahe fünf Jahren Entwicklungszeit ist ein solch fehlerhafter Zustand des Spiels nur schwer zu verschmerzen. Dass sich zudem auch eine Reihe kleiner Bugs in das Spiel eingeschlichen haben – in meinem Fall beispielsweise, dass ein Item von der Karte und dem Achievement-System als gesammelt angesehen wurde, das ich noch nicht gesammelt habe – verstärkt den Eindruck, dass das Spiel mit der heißen Nadel fertiggestellt wurde. Abgesehen von diesen Problemen glänzt Ori and the Will oft he Wisps mit einer noch einmal deutlich hübscheren Grafik und mit einem ähnlich guten Soundtrack wie Ori and the Blind Forest.
Insgesamt ist Ori and the Will of the Wisps ein hervorragendes Spiel, das mit viel Sorgfalt designt wurde, dessen technische Umsetzung aber leider ernsthafte Mängel aufweist, die sich auch auf die Spielerfahrung niederschlagen. Wer Ori kennt und mag, kommt um den zweiten Teil keineswegs herum und auch sonst sollte jeder, der Spaß an cleverem Leveldesign hat, dem Spiel eine Chance geben, aber leider fehlt zum absoluten Spitzenspiel ein Stück weit die Politur.
