Dispatch (Review)

Ich hasse Superhelden. Wirklich. Früher fand ich sie ganz cool, aber das MCU hat sie mir kaputt gemacht. Nette Sommerblockbuster, die nicht nur die Existenz normaler Blockbuster massiv reduziert hat, sondern auch zahlreiche junge, talentierte Schauspielerinnen und Schauspieler damit „verheizt“ hat, dass sie ständig diese von den Fans völlig überhöhten Popocornfilme gemacht haben. Nun scheint dies aber ja langsam ein Ende zu haben, zumindest redet kaum noch jemand über das MCU und soweit ich weiß laufen die Filme, die erscheinen auch nicht mehr wirklich gut. Genug ist halt irgendwann einfach genug und man kann sich auf neue Helden konzentrieren – wie den hervorragenden Cast in Dispatch, dem neuen Spiel des AdHoc Studios, das von ehemaligen Mitarbeitern des besonders durch die Walking Dead Spiele bekannten Studios Telltale Games gegründet wurde. 

Mit eben jenen Walking Dead Spielen bin ich ebenfalls nie richtig warm geworden. Ich habe die erste Episode schon mehrfach beendet, aber aus mir unbekannten Gründen habe ich nie die zweite gestartet. Dabei schwärmen doch alle so von der unfassbar guten Story dieser Spiele. Aber auch das ist eine Aussage, die mit Vorsicht zu genießen ist, denn wenn ich eins über die Jahre gelernt habe, war es, dass sehr viele Videospielfans keine Ahnung davon haben, was eine gute Story ist. Selbst viele Spiele, die angeblich eine hervorragende Geschichte haben, wären im Idealfall ein mittelmäßiges Buch. Die meisten Spiele haben eine derart hirntote Story, dass ich spätestens ab der Mitte mit mir ringe, ob ich die Videos nicht einfach überspringe – zuletzt passiert bei Doom: The Dark Ages, das ich parallel zu Dispatch gespielt habe. Warum erzähle ich euch das alles? Ich möchte, dass ihr wisst, dass ich dies nicht leichtfertig sage: die Story von Dispatch hat mich hervorragend unterhalten! Doch der Reihe nach.

Die Story ist einfach, aber unterhaltsam!

Man startet aus der Perspektive Robert Robertsons, einem Superhelden ohne Kräfte, dafür mit einem extrem starken Mech-Anzug, der von Generation zu Generation in seiner Familie weitergegeben wird. Damit gehört er selbst in der Spielwelt, in der Superkräfte recht verbreitet sind, zu den absoluten Superhelden, die extrem viel mediale Aufmerksamkeit bekommen und extrem gefeiert werden. Das Spiel verschwendet auch keine Zeit und wirft einen direkt in einen Einsatz um den Superschurken zu fangen, der den ehemaligen Mecha-Man, Roberts Vater getötet hat. Hierbei kämpft man aber nicht etwa selbst, sondern trifft nur hin und wieder zeitlich begrenzte Entscheidungen, wie man es aus den Telltale Spielen kennt. Leider geht bei dem Einsatz so ziemlich alles schief und der Anzug explodiert. Da unser Held den Anzug ja nicht selbst entworfen hat, ist er nicht in der Lage dessen Kern zu reparieren und muss zähneknirschend zurücktreten. Kurz darauf trifft er allerdings die noch berühmtere Superheldin Blonde Blazer, die ihm einen neuen Job anbietet. Als Dispatcher soll er künftig ein Team aus Superhelden managen. Das besondere an dem Team: es besteht aus ehemaligen Schurken, die sich ihre Freiheit damit erkaufen wollen, dass sie künftig für die Agentur als Helden arbeiten. Dass es hierbei zu allerhand Problemen und Missverständnissen kommt, ist sicherlich wenig überraschend. 

Das Gameplay ist der Schwachpunkt des Spiels.

Leider ist genau dieses Dispatch System die größte Schwäche des Spiels. Normalerweise bin ich bei Story orientierten Spielen wie Visual Novells immer dankbar, wenn es ein wenig „echtes“ Gameplay gibt und man nicht ausschließlich einer Geschichte folgt, denn wenn ich dies machen möchte lese ich in der Regel lieber Bücher. Bei Dispatch bin ich mir aber recht sicher, dass das Spiel das Gameplay noch viel besser gewesen wäre. Der Ablauf ist immer gleich: man sitzt am Computer und bekommt Anrufe mit vagen Beschreibungen, wo das Problem beim künftigen Einsatzort liegt. Passend dazu muss man dann erahnen, welche Helden sich am besten hierfür eignen und schickt diese weg. Zu den meisten Aufträgen kann man auch mehrere Helden schicken, allerdings muss man das oft auch nicht und wenn man zu viele schickt, dann hat man für den nächsten Auftrag evtl. schon nicht mehr genug, weil sie nicht nur während des Auftrags, sondern auch in der Zeit danach noch eine Weile nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Kombination, gepaart damit, dass auch regelmäßig etwas schiefgeht, was man anfangs nicht erahnen konnte, sorgt dafür, dass ich es tatsächlich für relativ glücksabhängig halte, ob man alle Ziele erfolgreich absolviert oder nicht. „Glücklicherweise“ ist das aber völlig egal. Ich war wirklich nicht gut in diesem Minispiel, habe aber schon sehr früh den höchsten Rang erreicht und musste nie einen Einsatz wiederholen. Ich weiß ehrlicherweise nicht einmal, ob das passieren kann. Jedenfalls hatte ich nie den Eindruck, in irgendeiner Form bestraft zu werden und habe sogar mehrere Erfolge freigeschaltet, weil ich angeblich so gut bin. Einige Aufträge, gerade zur Anfangszeit, können ohne Vorwissen definitiv nicht zu 100% korrekt abgeschlossen werden, da die frischgebackenen Helden sich gegenseitig sabotieren oder auch einfach mal keine Lust haben. Diese Art der Willkür gefällt mir überhaupt nicht. So ein Spiel darf gerne schwer sein, aber ich will transparent wissen, was von mir verlangt wird und eine faire Chance haben, es zu schaffen. 

Deutlich seltener gibt es noch ein zweites Minispiel, das zwar nicht viel mehr Spaß macht, aber wenigstens transparenter ist: man hackt sich in Sicherheitssysteme und muss dort eine Kugel über ein zweidimensionales Gitter bewegen um kleine Rätsel zu lösen den Weg freizuräumen. Das ist in Ordnung, ich hätte es allerdings auch nicht vermisst. 

Ein Team zum verlieben!

Nach der Schwäche kommen wir jedoch zur, abgesehen von der fantastischen Comic Optik, größten Stärke des Spiels: dem Team. Wie schon beschrieben besteht dies aus ehemaligen Schurken, die nicht wirklich Bock haben, künftig für eine Heldenorganisation zu arbeiten und noch viel weniger, die Befehle eines Helden zu befolgen. Dementsprechend geht gerade am Anfang jede Menge schief und unser Protagonist muss zahlreiche Hürden überwinden, um aus diesem hoffnungslosen Haufen ein wahres Team zu bilden. Dies gelingt hervorragend und man schließt diese fiesen Zeitgenossen sehr schnell ins Herz. ich möchte gar nicht zu genau auf die einzelnen Teammitglieder eingehen, da diese selbst kennenzulernen mir viel Freude bereitet hat. Gleiches gilt für die Geschichte, die zwar nicht besonders komplex oder überraschend ist, aber durchweg gut unterhält. Ein kleiner Hinweis noch: das Spiel ist durchaus vulgär und es sind im Spielverlauf mehrmals Brüste oder Penisse zu sehen. Wer damit ein Problem hat, kann dies zwar per Filter zensieren lassen, man weiß dann aber natürlich noch was gemeint ist und diese Art von Humor ist sicherlich nicht jedermanns Sache. 

Fazit:

Trotz der Mängel im Gameplay hat mich dieses Spiel wirklich ausgezeichnet unterhalten. Die Optik ist toll, die Entscheidungen gaukeln einem zumindest dauernd vor, aktiv an der Geschichte beteiligt zu sein (manchmal ist es man wirklich, manchmal ist es nur eine Illusion) und besonders das Team und wie es zusammenwächst haben dafür gesorgt, dass ich nach etwa 10 Stunden die 8 Episoden beendet hatte und zukünftig vielleicht doch wieder ein etwas besseres Verhältnis zu Superhelden habe. Diesen Test zu schreiben hat übrigens länger gedauert, als ich sonst für ein 10 Stunden Spiel benötigen würde – dies liegt daran, dass ich es nicht mehr ohne meine Frau spielen durfte, die mit Videospielen eigentlich nicht viel am Hut hat, aber auch sie hat sich in die Charaktere und das Spiel verliebt. Zumindest dann, wenn ich mal keine Helden durch die Gegend schicken musste war sie stets Aufmerksam dabei und das ist etwas, das selbst die meisten Filme nicht schaffen. Für mich gehört Dispatch jedenfalls zu den absoluten Überraschungshits des Jahres, auch, oder gerade, weil es keine sonderlich komplexe Geschichte erzählt, sondern eine relativ gewöhnliche auf verdammt unterhaltsame Weise. Und das ist meiner Meinung nach so viel mehr wert, als erzwungene Pseudo-Komplexität. 

Getestet auf Steam. Vielen Dank an das AdHoc Studio für die Bereitstellung des Testmusters.