Quantum Witch (Review)

Hurra, es ist wieder Indie-Plattformer-Zeit. In Quantum Witch übernehmt ihr die Rolle von Ren. In einer Pixelart-2D-Welt springt und lauft ihr durch ihr kleines Dörfchen und dessen unmittelbare Umgebung, sprecht mit Einwohnern und Freunden, findet hier einen Gegenstand und dort eine Notiz. Das übliche. Aber Quantum Witch ist understated. Es gibt vor, ein nettes kleines Jump&Adventure zu sein, und genaugenommen ist es das auch, aber unter der Oberfläche versteckt sich jede Menge Inhalt zum Nachdenken und Amüsieren.

Was jedoch nicht heißt, dass es ein langes Spiel wäre – ganz im Gegenteil. Ein Spieledurchgang braucht eigentlich nicht mehr als ein bis zwei Stunden, die Zeitinvestition eines großen RPGs braucht ihr keinesfalls zu erwarten. Allerdings ist es damit noch nicht vorbei!

Im Grunde ist schon die allererste Aufgabe – ein paar entlaufene Tiere zu finden – ein vorgeschobener Grund für die wahre Storyline des Spieles. Schon nach ein paar Minuten Spielzeit bemerkt ihr, dass diese Welt … ein bisschen merkwürdig ist. Ein Kult (Kein Kult!) huldigt dem großen Lampenschirm, der natürlich völliger Humbug ist. Oder? Ihr findet eine andere Person, die ich nicht spoilern möchte, die eine oder mehrere grausige Erfahrungen gemacht zu haben scheint. Einen Wissenschaftler, der an einem merkwürdigen Portal zu arbeiten scheint.

Achja, und ihr findet heraus, dass ihr offenbar eine Quantum-Hexe seid.

Das hat auch spielerische Auswirkungen, die ein bisschen den Gameplay-„Twist“ des Spieles ausmachen (oder zumindest einen davon), darum möchte ich eigentlich ungern verraten, was genau es damit auf sich hat. Sagen wir einfach, das Spiel hat im späteren Verlauf durchaus etwas mehr zu bieten als das, was es anfangs zeigen mag.

Zurück zum Kultthema: Kulte sind ein großes Thema im Spiel. Autor:in NikkiJay verarbeitete in diesem Werk die eigenen Erfahrungen, aus einem echten Kult ausgebrochen zu sein, und dies auf eine weit humorvollere Art, als man zunächst denken mag. So gut wie jede Gemeinschaft im Spiel ist zumindest ein bisschen kultig. Nur sehr wenige Menschen aus Ren’s Bekanntschaft machen den Eindruck, keine dubiosen Hintergedanken zu haben.

Dabei gibt sich das Spiel jede Mühe, die Unterschiede zwischen diesen Zwangsgemeinschaften zu zeigen – mal mit triefender Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, mal indem eine „Nein“-Antwort einfach nicht akzeptiert wird. Es ist tatsächlich relativ schwer, dies zu beschreiben ohne tatsächlich spätere Teile vom Spiel zu verraten, und das möchte ich eigentlich nicht. Denn besonders lang ist Quantum Witch technisch nicht – in ein paar Stündchen habt ihr das erste Ende gesehen, zumindest wenn ihr ähnliche Wege geht wie ich. Aber das Spiel ist damit noch lang nicht vorbei.

Der Spielablauf verändert sich – mal leicht, mal deutlich – abhängig von euren Entscheidungen. Die Lampenschirme? Entkommt ihrer Todesfalle, und sie werden euch dermaßen ungläubig bewundern, dass ihr ihre Gemeinschaft einfach als neuer Gott übernehmen könnt. Oder ihr sagt ihnen, den Blödsinn bleiben zu lassen. Oder ihr bestätigt aus erster Hand: Ja, der Lampenschirm ist real, und sie sollten sich besser beim Beten anstrengen.

Und solche Entscheidungspunkte gibt’s im Spiel oft – manchmal unauffällig, manchmal sehr offen mit direkten Folgen. Manchmal könnt ihr aktiv entscheiden, andere Male kommt es darauf an, ob ihr zur richtigen Zeit das richtige Item dabeihabt. Das Spiel baut darauf, dass ihr es öfter als nur einmal anfangt, und es macht daraus auch kein Geheimnis: Viele kleine Achievements warten darauf, von euch freigeschaltet zu werden, und je mehr ihr vom Spielablauf entdeckt, um so näher kommt ihr einem „echten“ Ende.

Natürlich, und das scheint im Indiebereich wirklich nie aus der Mode zu kommen, geht es auch in die Meta-Ecke. Es kann durchaus sein dass ihr als Spieler direkt angesprochen werdet. Aber Quantum Witch bleibt (zumindest soweit ich es erforscht habe) immer zurückhaltend und bescheiden. Die aufdringliche Selbstherrlichkeit einiger anderer Indietitel von Einzelentwicklern, die etwas zu sagen haben, fehlt der Hexe komplett. Es möchte dir eine Geschichte erzählen, keine Lektionen erteilen, und das macht es unglaublich sympathisch.

Was ebenfalls sofort positiv auffällt, ist der Humor. Kleine Wortspiele, offensichtliche Anspielungen und Parodien auf andere Games, und ein einfach sehr menschlicher, ehrlicher Humor in vielen Gesprächen, der niemals die wenigen Momente echten Dramas stört, sind teilweise herrlich. Ich hätte nicht erwartet, dass mich dieses Spiel tatsächlich dazu bringt, laut lachen zu müssen – nicht wegen eines übermäßig geskripteten „Humor jetzt!“-Moments, oder durch Reizüberflutung mit Marvel-esquen Dauer-Wortwitz-Stakkatos, sondern immer wieder durch einen einfach witzigen Gesprächsverlauf oder eine sarkastische Anmerkung aus dem Nichts. Alles, was Quantum Witch macht, ist ehrlich, und das macht das Spiel meiner Meinung nach zu etwas sehr besonderem.

Das ist sogar auf die Technik übertragbar. Die anfangs etwas billig aussehende Pixelart-Optik wächst einem sehr viel schneller ans Herz, als man vermuten würde. Einige wunderschöne Effekte und Gebiete überraschen durch ihre Pointiertheit, nicht durch ihren Überfluss, und die Musik bleibt jederzeit angenehm im Hintergrund, bis man wirklich auf sie achtet und plötzlich wertschätzt, wie gut und passend sie eigentlich ist.

Und viel mehr gibt es eigentlich gar nicht mehr zu sagen. Wer Indie-Adventures mag und ein paar Stündchen seiner Zeit erübrigen möchte, um ein bisschen mehr darüber erfahren zu wollen, wie ein Kult es schaffen kann, Leute einzufangen – oder einfach um ein sehr sympatisches, kleines Spielchen um eine Quantumhexe zu spielen und ihre Welt kennenzulernen, macht hier definitiv nichts falsch. Ich bin sicher, ihr werdet es ebenfalls mögen. Es ist kein Kult.

Herzlichen Dank an NikkiJay für die Bereitstellung des Testmusters. Gehext auf PC.