Dragon Age: The Veilguard (Review)

Die Dragon Age Reihe ist seit Jahren sehr kontrovers. Der erste Teil wurde von vielen Spielern begeistert gefeiert. Für andere aber hatte auch das Debut schon zu viele Eingeständnisse an ein breites Publikum. Insbesondere dann, wenn man es mit früheren Bioware-CRPGs wie Baldurs Gate oder Neverwinter Nights vergleicht. Der zweite Teil ging einen experimentellen Weg, in dem es größtenteils in einer Stadt spielte. Für diese Ambitionen kam es vermutlich ein wenig zu schnell, was durch einige recycelte Elemente im Spielverlauf auffällt. Das Spiel gilt als großes Missverständnis.

Drei Jahre später erschien Dragon Age Inquisition und schaffte es mit seinem actionorientierteren Gameplay gleichzeitig einen großen (oder zumindest lauten) Teil der Community zu verärgern und in dem relativ schwachen Jahr 2014 die Game Awards zu gewinnen. Zehn Jahre und zwei kommerzielle Misserfolge später widmet sich Bioware erstmals wieder dem Dragon Age Franchise und wenn es nach dem Internet geht ist das Spiel jetzt zu…woke? Wenn so ein Schwachsinn die schlimmste Kritik ist, die man regelmäßig über ein Spiel ließt, dann muss man doch sonst verdammt viel richtig gemacht haben, oder?

Eine direkte Fortsetzung einer 10 Jahre alten Geschichte (Inquisition Spoiler)

Erinnert ihr euch noch an das Gruppenmitglied Solas, das im Vorgänger ein Verräter wurde, eigentlich eine Gottheit ist und ein dunkles Ritual durchgeführt hat? Nein? Ging mir auch so. Daher hier eine Auffrischung:

Die Geschichte beginnt zehn Jahre nach den Ereignissen von Dragon Age: Inquisition. Der ehemalige Begleiter Solas, nun wieder unter seinem alten Namen Fen’Harel bekannt, der als elfischer Gott des Verrats und der Rebellion gilt, versucht, den Schleier zu zerstören – die metaphysische Grenze zwischen der physischen Welt und dem Nichts, der Welt der Geister und Dämonen. Solas hatte den Schleier einst geschaffen, um die anderen elfischen Götter wegen ihres Machtmissbrauchs zu bannen. Nun jedoch bereut er, die alten Elfen vom Nichts abgeschnitten und so den Niedergang ihrer Gesellschaft verursacht zu haben, und will die Welt der alten Elfen wiederherstellen.

Wie geht es weiter?

Im neuen Teil versucht man zunächst, Solas daran zu hindern, den Schleier zu zerstören. Schon in der Einführung des Spiels findet man ihn im Wald von Arlathan, der Hauptstadt des alten elfischen Reiches. Solas‘ Ritual wird gestört und die Geschichte könnte hiermit enden. Leider führt die Störung zur Zerstörung des Schleiers, wodurch zwei alte elfische Götter, die an den Schleier gebunden sind, freigesetzt werden: Elgar’nan, der Gott der Rache, und Ghilan’nain, die Göttin der Navigation. Diese sind so gefährlich, dass selbst Solas sich vor ihnen fürchtet und den Charakter fortan in Visionen dabei unterstützt, die wahre Gefahr zu bekämpfen.

Im Laufe der Geschichte begegnet man einer Vielzahl bekannter Gesichter. Einige werden zu Gefährten, einige haben nur kurze Gastauftritte. In beiden Fällen habe ich mich stets darüber gefreut, ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen von denen ich nicht mehr wusste, dass ich sie noch habe. Ein wenig mutig ist dieser nostalgiegetriebene Ansatz jedoch schon, denn auch wenn man der Geschichte ohne Vorkenntnisse generell folgen könnte, würden einem doch viele Details verloren gehen und einiges wäre sicherlich schwierig zu verstehen. Ein noch besseres Gedächtnis braucht man bei der Charaktererstellung. Hier kann man optionale Fragen beantworten, wie einige Dinge im Vorgänger abgelaufen sind und somit die Entscheidungen der Vergangenheit mit in den neuen Teil bringen. Alternativ kann man aber auch beim vorgegebenen Canon bleiben.

Die Gefährten

Nach der Einführung beginnt das Spiel damit, dass man ein schlagkräftiges Team aus allen Teilen der Welt zusammenstellen muss. Hierfür reist man in ihre Heimatgebiete und hilft ihnen bei den Problemen vor Ort, um sie von der eigenen Gruppe zu überzeugen. Diese Idee ist nicht unbedingt neu, aber was in Mass Effect 2 so hervorragend funktioniert hat, muss hier ja nichts schlechtes sein, oder? Die Charaktere sind hierbei so facettenreich wie die Qualität der Missionen, sie zu gewinnen. Ein von einem Dämonen besessener Auftragsmörder, der in einem Unterwassergefängnis gefangen gehalten wird klingt doch zum Beispiel ziemlich gut. Die Befreiungsaktion hält ebenfalls was sie verspricht. Leider können nicht alle Level und Charaktere auf diesem Niveau mithalten, insgesamt ist der Cast jedoch unterhaltsam und ihn zu bekommen ohnehin nur der erste Teil des Spiels.

Spielerisch kontrolliert man die Gefährten dadurch, dass man ihre Spezialfähigkeiten per Tastenkombination und somit nicht nur hilfreiche Verstärkungen, sondern auch zerstörerische Kombinationen auslösen kann. Zu letzteren später mehr. Etwas ungewöhnlich ist die Entscheidung, dass die Gefährten im Kampf unverwundbar sind. Alle Stärkungen und Heilfähigkeiten betreffen damit auch ausschließlich den Spieler. Außerhalb der Spezialfähigkeiten, die in der Regel einen längeren Cooldown haben kann man das Team nur mit einfachen Befehlen wie „alle mein Ziel angreifen“ kontrollieren. Einen weit größeren Einfluss hat man auf ihre Entwicklung, denn jeder der Gefährten hat einen eigenen Fähigkeitenbaum, in dem man kniffelige Entscheidungen für die Zukunft treffen muss.

Das Gameplay

Mit den Serienanfängen und den CRPG Wurzeln hatte ja schon der Vorgänger nicht mehr viel gemein. Das Kampfsystem wurde action-orientierter und der Ablauf hatte mehr Gemeinsamkeiten mit einem MMO als mit dem ersten Teil. Ersteres wurde noch deutlich verstärkt, letzteres ist zum Glück nicht mehr der Fall.

Das Kampfsystem ist jetzt zu 100% actionorientiert. Angriffe können geblockt und pariert, oder ihnen einfach in Echtzeit ausgewichen werden, wie man es von diversen anderen Actionspielen kennt. Die Besonderheit in Dragon Age the Veilguard ist, dass man wie oben schon beschrieben, in eingeschränkter Form nicht nur einen, sondern sogar drei Charaktere gleichzeitig steuert. Dies ermöglicht spannende Kombinationen und Synergien, wenn zum Beispiel erst ein Gruppenmitglied eine brennende Flüssigkeit auf den Gegner verteilt und man diese anschließend mit einem brennenden Pfeil in Brand setzt.

Magischer Fähigkeitenbaum

Ich habe eine Zauberin gespielt, die in Echtzeit zwischen ihrem Zauberstab und einer Kombination aus einem Dolch und einem Orb hin und her schalten kann. Dies ermöglicht spannende, situative Kämpfe und befähigt auch den magischen Charakter, in den Nahkampf zu gehen. Hiebei hilft auch der Fähigkeitenbaum, der meiner Meinung zu den besseren der letzten Jahre gehört.

Lange ist es mir nicht mehr so schwer gefallen, mich zu entscheiden, weil einfach alle Fähigkeiten so unglaublich sinnvoll klingen. Möchte ich meinen Fokus lieber auf einen nahkampforientierten Kampfmagier legen, der neue Schlagkombinationen freischaltet? Oder möchte ich die Massen einfrieren und somit gar nicht an mich heranlassen? Oder überziehe ich einfach alle mit einer Feuerwand und hoffe, dass sie tot sind, bevor sie mich erreichen? Und dies sind nur die Hauptfähigkeiten, auch vermeintlich kleine Punkte im Baum können spielerisch großen Einfluss auf das Gameplay legen. Dies ist wirklich hervorragend gelungen und gehört für mich zu den Highlights des Spiels.

Der Loop

Wie oben schon erwähnt sind vermeintliche MMO Anleihen mit Fetch Quests und open world Arealen nicht mehr der Fokus des Spiels – meiner Meinung nach eine Verbesserung. In der Vorbereitung auf dieses Review bin ich auf ein Dokument gestoßen, das Tester angeblich unterschreiben mussten. Dieses wirkt wenig authentisch und ist vermutlich quatsch (ich habe so ein Dokument jedenfalls nicht bekommen), bemerkenswert war jedoch die Regel, dass man das Spiel nicht mit dem God of War Reboot Sonys vergleichen darf. Dies klang im ersten Moment völlig skurril, haben die Spiele doch eigentlich sehr wenig gemeinsam. Im Laufe des Spiels musste ich jedoch immer wieder daran denken. Natürlich ist das reine Gameplay noch immer völlig anders, der grundlegende Aufbau hat aber tatsächlich parallelen und dieser Vergleich kann helfen, sich die Neuerungen vorzustellen.

Ähnlich wie in Kratos nordischen Abenteuern begeht man hier kleinere Areale, die immer mal wieder Abzweigungen, Schätze und simple Rätsel bieten. Außerdem wird während ruhigerer Passagen häufig geplaudert und der Fokus liegt ansonsten sehr stark auf Kampf und der cineastischen Inszenierung. Wenn man mal nicht in den Arealen kämpft, hält man sich im Hub auf. Dies ist in Dragon Age kein Baum, sondern ein Leuchtturm. Hier kann mit den Gefährten geplaudert, die eigene Schlafkammer eingerichtet oder die Ausrüstung verbessert werden. Ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich sich genauso aufgedrängt hätte, wenn ich dieses Dokument nicht gelesen hätte. Jetzt ist es aber nunmal passiert und ich werde ihn nicht mehr los.

Das Nebensächliche

Nachdem man die Hauptmission in einem Gebiet abgeschlossen hat, kann man dieses erneut besuchen. Dies lohnt sich auf jeden Fall, denn es erwarten einen nicht nur Nebenmissionen, sondern die Gebiete öffnen sich auch deutlich. Dies lädt zum ausgiebigen erkunden und zur Schatzsuche ein. Ebenfalls bemerkenswert: es gibt verschiedene Passagen, die aus diversen Gründen nur von bestimmten Teammitgliedern geöffnet werden können. Man hat jedoch immer nur zwei Slots und muss zu einem Teleportkristall, um das Team zu wechseln. Was zunächst nach einer wilden Idee aus dem N64 Zeitalter klingt, ist am Ende aber zum Glück nicht so affig wie befürchtet: der Hauptcharakter kann durch die magische Klinge jederzeit auf die Fähigkeiten der Abwesenden Charaktere zugreifen. Dies ist einerseits erleichternd, andererseits macht es die ganze Idee auch ein wenig kaputt.

Die Ausrüstung kann man entweder in Schatztruhen, durch Nebenmissionen oder bei Händlern erwerben. Bei der Rüstung muss stets ein Kompromiss zwischen Schutz und Fähigkeitenschaden eingegangen werden. Jedes Ausrüstungsteil hat zudem zunächst gesperrte Boni, die man durch den Erwerb eines identischen Teils nach und nach freischalten kann. Diese unterscheiden sich sehr stark und können damit perfekt auf den Build angepasst werden.

Die Technik

Definitiv erwähnt werden muss die technische Umsetzung. Diese ist hervorragend. Das Spiel verwendet EAs Frostbite Engine, die von DICE für das Battlefield Franchise entwickelt wurde. Es ist nicht nur erfrischend, mal etwas anderes als die Unreal Engine zu sehen, es zahlt sich auch aus. Das Spiel sieht fantastisch aus und läuft ohne die heutzutage schon fast zum Alltag gewordenen Microruckler.

Man hat die Wahl zwischen sehr konstanten 30 FPS im Fidelity Mode oder, wenn man einen TV/Monitor mit variabler refresh rate besitzt oder mit schwankenden Frames leben kann dem Performance Mode, der versucht 60 Frames zu erreichen. Persönlich habe ich mich mit meiner Magierin für den Fidelity Modus entschieden um in den Genuss des Raytracings zu kommen. Doch auch der andere Modus, den ich bei nahkampforientierteren Klassen empfehlen würde, sieht fantastisch aus. Kurz nachdem das Muster eingetroffen ist kam zudem meine PS5 Pro an, mit der das Spiel noch einmal bombastischer aussieht und auch einige RTX Effekte in den Performance Modus einbaut.

Doch auch musikalisch wird einem einiges geboten, denn die Musik ist hervorragend, was bei einer Interpretenliste, die Lorne Balfe und Hans Zimmer aufweisen natürlich nicht überrascht.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erwartungshaltung, mit der man an das Spiel herangeht einen sehr starken Einfluss darauf haben wird, wie viel Spaß man damit hat. Wenn man sich nach klassischen Rollenspieltugenden, die Bioware groß gemacht haben sehnt, wird man hier enttäuscht. Trotz einiger guter Ansätze bleibt dieser Aspekt zu sehr im Hintergrund. Wer dieses alte Bioware sucht, ist vermutlich bei den Larian Studios, die die legendäre Baldurs Gate Reihe fortgesetzt haben besser aufgehoben. Dies scheint aber kein unbewusstes Scheitern, als viel mehr eine bewusste Entscheidung zu sein.

Bioware geht den Weg des cineastischen Action-RPGs, das zwar linearer, aber dafür umso spektakulärer ausfällt. Aus meiner Sicht ist dies keine gute und keine schlechte Entscheidung. Ob einem der neue Weg der Reihe gefällt liegt individuell an den Spielern. Lässt man sich darauf ein wird man je nach Spielweise für 30-50 Stunden insbesondere durch das sehr facettenreiche Kampfsystem, die fantastische Optik und die bombastische Inszenierung jederzeit gut unterhalten.

Vielen Dank an EA für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet wurde die PS5 Version, größtenteils auf der PS5 Pro.