Shady Knight (Review)

Ritter, Schwerter, verwinkelte Burgen und übernatürliche Gegner – klingt nach einem neuen Souls-like, vielleicht nach einem komplexen Rollenspiel? 

Nein, vollkommen falsch geraten. Shady Knight ist, trotz aller visuellen Gegenbeweise, eher ein extrem schneller Shooter, der – ähnlich wie Neon White oder Ultrakill – absolutes Vertrauen in eure Bewegung, Reaktionszeit und Kontrolle erfordert. Nur eben ohne Sci-Fi-Waffenarsenal. In Shady Knight besucht ihr, verbunden durch kleinere Hubwelten, haufenweise kleine Levels in Form einzelner, relativ komplexer aber dennoch kompakter Burgtürme.
Euer Ziel: Einen Endpunkt an der Spitze dieser Türme erreichen.
Eure Methoden: Eine Enterhakenkette und alles, was ihr im jeweiligen Szenario an Waffen findet. 

Und wenn ich sage “Waffen”, meine ich nicht nur das ein- oder andere herumliegende Schwert, obwohl es diese natürlich ebenfalls gibt. Neben handfestem Schlitzwerkzeug, Bögen und ähnlichem könnt ihr nicht nur Gegner treten oder mit der Kette herumwirbeln, sondern auch eben diese unglücklichen Levelbewohner gegen ihre eigenen Nachbarn schleudern, die dann wiederum ihr ganz eigenes schwerkraftbezogenes Problem haben.

Theoretisch gibt’s also durchaus Situationen, in denen ihr euch einen Gegner per Kettenwurf vor den Fuß legt, diesen quer durch den Raum schleudert, um gezielt durch die Wucht seines Körpers seinen völlig unwissenden Arbeitskollegen in eine Wand voller Stacheln zu befördern. Und das Ganze findet bei ungefähr gefühlten 150 Kilometern pro Stunde statt. Dark Messiah of Might and Magic, aber auf allen bewusstseinsverändernden Drogen, die es irgendwie rezeptfrei zu bekommen gibt.

Zusätzlich nutzt ihr eure Kette, um hoch gelegene Punkte zu erreichen und so entweder den Weg vorwärts oder Geheimnisse zu finden, oder um euch selbst an Gegner heranzuziehen, oder beides kombiniert. Zusammen mit aufhebbaren und werfbaren Schwertern und dem später dazukommenden Bogen schleudert ihr so mit einiger Übung die irrwitzigsten (und ziemlich cool aussehende) Angriffs- und Movementcombos aus dem Handgelenk. Ihr schwingt über Abgründe, nur um auf halbem Weg abspringen, einen Wandvorsprung zu erklimmen, euch in einem spektakulären Kampf einer Handvoll Gegner zu entledigen und mit einem gewagten Mauersprung euren Weg nach oben fortzusetzen – das fetzt, um es mal ganz lapidar zu sagen. 

Da sich das Ganze, wie bereits gesagt, in einer aberwitzigen Geschwindigkeit abspielt, und der Tod eure Spielerfigur mindestens genauso schnell ereilt wie die zahlreichen Gegner, springt ihr nach jedem Tod ohne nennenswerte Ladezeit wieder direkt zurück ins Spiel – manchmal an den Startpunkt des Levels, in anderen Situationen an einen festgelegten Rücksetzpunkt. Um ehrlich zu sein: Welches von beiden der Fall ist, habe ich selbst nicht ganz begriffen, und es scheint manchmal etwas unvorhersehbar zu sein. Dummerweise, und das ist wahrscheinlich hauptsächlich ein Ich-Problem, kommt einem nicht selten auch die etwas überbelegt wirkende Steuerung in den Weg, bei der einige Funktionen gefühlt auf zu vielen Tasten liegen, andere wiederum auf zu wenigen. Schwer zu beschreiben, aber ich bin mir sicher, dass dies ein unüberwindbares Problem darstellt. 

Was etwas schwerwiegender wirkt: Auch das Drumherum ist zwar sehr stylisch, aber auf dauer etwas eintönig – die Burgaufbauten unterscheiden sich kaum, die akustische Untermalung kaum erwähnenswert, die Story quasi nicht vorhanden. Braucht Shady Knight all das? Nein, sicher nicht. Der Fokus liegt ganz klar auf blitzschnellem, reaktiven Gameplay, auf den Sekundenbruchteilen zwischen Gegner 1, Gegner 2 und dem potentiellen, tiefen Fall vom Turm. Shady Knight ist ganz klar ein Speedrun-Spiel, keine epische Geschichte um Gut und Böse. Dennoch, ein wenig mehr Abwechslung wäre nach der ein- oder anderen Dauersession wirklich begrüßenswert gewesen. Wenn man dazu bedenkt, dass das komplette Spiel von einem einzigen Indie-Entwickler, Alexey ‘cptnsigh’, zusammenstricken wurde, erklärt dies aber schon einige Fragen, die man diesbezüglich über Shady Knight stellen könnte. Er selbst sagte, er wolle ein Spiel bauen, in dem man einen mittelalterlichen John Wick spiele, und das ist ihm zweifelsfrei gelungen. 

Shady Knight macht definitiv Laune, insbesondere, wenn man ein Fan pfeilschneller, runtime-basierter Reaktionsspiele ist, bei der Optimierung und Ausführung diktieren, wie spektakulär ein Level letztendlich gespielt werden kann. Denn vergleichsweise langsam geht es zwar auch, macht aber nur einen Bruchteil des Spaßes, den man auf der Jagd nach Bestzeiten haben kann.

Nicht nur für einen Solo-Dev ein absolut beeindruckendes Game, und wenn euch blitzschnelle, stilsichere Reaktionstests und die Optimierung eurer Bestzeiten um ein paar Hunderstel-Sekunden begeistern, wird Shady Knight ganz sicher einen Stammplatz in eurer Sammlung bekommen. Wenn nicht… dann eher nicht. Shady Knight weiß genau, was es will, und wenn ihr etwas anderes wollt, werdet ihr damit nicht glücklich. 

Vielen Dank an Alexey ‚cptnsigh‘ für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet auf PC.