
Diablo und seine Erweiterungen blicken auf eine lange, erfolgreiche Vergangenheit zurück. Schon der erste Teil, der im Januar 1997 (oder Dezember 1996? Recherchiert selbst, es ist eine absurde Geschichte!) für den PC erschien bekam im November 1997 ein Erweiterungspaket mit dem Namen Hellfire. Dies wurde von Synergistic Software entwickelt und enthielt kurioserweise sogar versteckte Inhalte, die Blizzad explizit nicht im Spiel haben wollte, wie weiterere Charaktere und einen Mehrspielermodus. Im Jahr 2000 erschien mit Diablo 2 die langersehnte Fortsetzung, die bereits 2001 mit der Erweiterung Lord of Destruction gekrönt wurde und sich bis heute auf Platz 2 meiner meistgespielten Spiele hält – geschlagen nur von einem weiteren Blizzard Spiel, das mich wie viele andere in eine krankhafte MMO Sucht getrieben hat. Im Jahr 2012 erschien dann der zunächst enttäuschende dritte Teil der Reihe, der im Jahr 2014 von der hervorragenden Erweiterung Reaper of Souls gerettet wurde, da diese gleichzeitig die bis heute absurde Entscheidung, ein Echtgeldauktionshaus für Diablo Items in das Spiel zu integrieren und das gesamte Loot System darauf auszulegen, beerdigt hat. Bei all dieser Historie sind die Erwartungen an Vessel of Hatred natürlich extrem hoch. Kann Blizzard dem in der heutigen Game-as-a-Service und F2P Online-Gesellschaft überhaupt noch gerecht werden?
Um dies zu beantworten müssen wir uns zunächst das Grundspiel anschauen. Dies kam erst im Juni des vergangenen Jahres raus, ist zum Release der Erweiterung also noch keine 16 Monate jung. Diese Enwicklungszeit ist durchaus im Rahmen der vorherigen Erweiterungen, erscheint in dieser Zeit, in der alles so viel kostspieliger und aufwändiger zu produzieren ist aber dennoch recht schnell. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich anschaut, was sich seit dem Release im Grundspiel schon getan hat. Denn dies hatte anfangs mit einem eher eintönigen Endgame zu kämpfen, das viele Spieler recht schnell dazu gebracht hat das Spiel wieder zu vergessen. Mich eingeschlossen. Doch mit jeder abgelaufenen Season kam es zu so vielen Neuerungen im Spiel, dass ein Besuch sich auch ohne die Erweiterung definitiv wieder gelohnt hätte, wie ich feststellen musste. Doch um den neuen Story- und Endgame-Content zu erleben, werden dennoch 40 Euro fällig, die sich natürlich auch lohnen müssen. Hierfür hat Blizzard sich aber auch einiges überlegt.

Die neue Klasse und das neue Gebiet
Wie so viele Dinge in der Reihe hat es auch Tradition, dass es in jeder Erweiterung eine neue Klasse gibt. Dies ist in diesem Fall der Geistgeborene. Diese aus dem Nahantu-Dschungel stammende Klasse verlässt sich hauptsächlich auf die Mächte der Natur und kämpft im Nahkampf mit Einhandwaffen und Schilden. Die wahre Besonderheit liegt allerdings darin, dass sie Zugriff auf vier Geisterwächter in Form verschiedener Tiere hat, die sich alle sehr unterschiedlich auf die Spielweise auswirken. Ob man sich ganz auf Gorilla, Jaguar, Adler oder Tausenfüßer konzentriert oder die extreme Vielseitigkeit der Klasse nutzt um in jeder Situation Herr der Lage zu sein bleibt natürlich dem Spieler überlassen. Erste Stimmen aus der Community zu dieser neuen Klasse sind fast ausnahmslos positiv, es wird die enorme Vielseitigkeit gelobt und dass die Klasse sich spielt wie keine andere. Es ist Blizzard auf jeden Fall gelungen, hier interessante neue Aspekte in das Spiel einzufügen.
Atmosphärisch kann man dies auch über das neue Gebiet, den Dschungel von Nahantu behaupten. Die extrem liebevoll gestalteten Wälder sorgen für eine dichte und exotische Atmosphäre, die es in dieser Form bisher nicht im Spiel gegeben hat. Auch bei der Anzahl neuer Kreaturen hat Blizzard sich nicht zurückgehalten und alles gegeben, damit wir uns in der stimmigen neuen Umgebung wie in einem neuen Abenteuer fühlen. Spielerisch hat dies leider recht wenig Auswirkungen, dies ist aber in der Reihe nicht ungewöhnlich, immerhin ist die Umgebung schon immer nur ein weiterer Schauplatz des Gemetzels. Und im Zweifel ist mehr von etwas gutem ja auch weiterhin etwas gutes und genau das bekommt man hier. Ein komplett neues Gebiet mit zahlreichen Nebenquests, Festungen, die eingenommen werden wollen, neuen World-Events, neuen Nebendungeons und und und.

Die neue Story
Diablo Fans wissen: der wahre Spaß beginnt erst dann, wenn die Story abgeschlossen ist. Auch wenn die Geschichten in der Vergangenheit auch immer liebevoll gestaltet und voller Wendungen war, die einem stets einen neuen Grund gab, sich durch die Monsterhorden zu schlagen, waren sie zumindest für mich nie der eigentliche Grund, warum ich die Reihe so gern mag und es ist mir sowohl aus Diablo 3, als auch dem Hauptspiel in 4 recht wenig daraus in Erinnerung geblieben. Am Ende hatten wir Lilith besiegt und die Welt war gerettet. Oder so.
In Vessel of Hatred sind wir nach einem spektakulären Intro, das für sich allein schon absolut sehenswert ist, auf der Suche nach Neyrelle, die die schwere Bürde trägt, dass sie Mephisto in sich gefangen hält und nach einer Möglichkeit sucht, ihn endgültig einzusperren und sich von ihm zu lösen. Die eigentliche Geschichte ist wie immer interessant und hat die ein oder andere überraschende Wendung parat, ist aber wie immer mehr mittel zum Zweck – in diesem Fall jedoch nicht nur dafür, möglichst viele Gegner zu töten, sondern um einen in einer wilden Jagd durch das neue Gebiet von einem spektakulären Set-Piece zum nächsten zu treiben.
Das erste Mal seit Diablo 2 hatte ich in dieser Erweiterung schon beim abschließen der Kampagne das Gefühl, dass ich schon hier richtig Spaß habe und nicht nur darauf warte, endlich das Endgame zu erreichen. Und gerade dann, wenn sich alles richtig zusptitzt und die Jagd kurz vor ihrem unausweichlichen Höhepunkt steht, hört es einfach auf. Es spricht ja durchaus für das, was ich vorher erlebt habe, wenn ich gestern den Fernseher angeschrieben habe. „DAS IST NICHT EUER ERNST!“ sagte ich, als mir klar wurde, dass das voice over gerade das Ende dieses Abschnitts der Geschichte einleitet. Zum ersten Mal in der Seriengeschichte werden wir also mindestens zwei Story-Erweiterungen erhalten. Das ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig und muss einem nicht gefallen, ist aber im Grunde folgerichtig, wenn man die erstaunlich schnelle Veröffentlichung zur heutigen Zeit berücksichtigt.

Und sonst?
Den richtigen Zeitpunkt für ein Diablo Review zu finden ist etwas schwieriges. Einerseits möchte man die Leser ja möglichst schnell informieren, ob sich ein Kauf generell lohnt, anderseits wird vieles sich aber auch einfach erst in einigen Wochen oder Monaten zeigen. Sind die neuen Endgamedungeons motivierend? Bringt die Rückkehr der Runenwörter spielerisch große Veränderungen? Ist die neue Klasse wirklich so spannend wie sie anfangs wirkt? Und ist das Konzept einen Teil des Endgames auf Gruppenkämpfe auszulegen wirklich das, was die Diablo Community will? Darüber kann zu diesem Zeitpunkt nur spekuliert werden. Sollte das Spiel es schaffen mich langfristig zu binden wird es definitiv ein Folgereview geben, in dem ich auf diese Fragen eingehe. Ein runterrattern aller in den Pressemitteilung stehenden neuen Features möchte ich euch hier ersparen. Ich denke jeder Diablo Fan hat diese schon lange vor Release mehrfach gelesen und weiß, was kommt, die Frage die uns alle beschäftigt ist eher die, ob es sich in dieser schnellebigen Zeit noch lohnt eine 40 Euro Erweiterung zu kaufen. Und dies kann ich ganz eindeutig mit JA beantworten.
Die Geschichte und ihre Schauplätze sind wie oben beschrieben spektakulär und selbst wenn der komplette Endgame Content nicht lang motiviert (und davon gehen wir ja nicht aus) hätte man mit der Kampagne und dem Ausprobieren aller neuen Aktivitäten und Nebenaufgaben definitiv genug für sein Geld bekommen. Das neue Gebiet mag auf der Karte ein wenig klein wirken, doch gerade durch seine Kompaktheit hat mir das neue Abenteuer extrem gut gefallen, da auf unnötige Filler verzichtet wurde und es non stop Unterhaltung gab. Einzig das offene Ende, das mich traurig vor dem Bildschirm sitzen ließ, weil ich nicht direkt weiterspielen kann trübt die Begeisterung des ersten Durchlaufs. Und was kann es schöneres für einen Kunstschaffenden geben als Zuschauer die traurig sind, dass sie nicht noch mehr von der fantastischen Arbeit sehen können.

Vielen Dank an Activision Blizzard für die Bereitstellung des Testmusters. Getestet wurde die Xbox Series X Version.