
Mika, Hexe in Ausbildung, packt ihren Rucksack voller Lehrbücher, Farben und Materialien, schwingt sich auf den Besen und macht sich auf den Weg zur Insel Mont Gaun. Sie ist schon aufgeregt, denn auf der hohen Felsspitze des Gaunbergs, der über dem Eiland und seiner einzigen größeren Siedlung Orilla thront, wartet Olagari, ihres Zeichens Hüterin der Insel, Leuchtturmbesitzerin und Ausbilderin von Mika’s Mama. Und, ginge es nach Mika, auch ihre zukünftige Lehrerin.
Mika’s kleiner Lieferservice
Olagari ist jedoch nicht allzu begeistert von Mika’s erstem Auftritt, wirft sie den Berg hinunter, und Mika hat nun dreierlei Probleme: Keinen Ausbildungsplatz, keinen Besen mehr für einen zweiten Versuch – der ging beim Sturz zu Bruch – und ein ebenso angeknackstes Selbstwertgefühl.
Zum Glück findet sie recht schnell den Weg nach Orilla, welches sich als gemütliches, kleines Städtchen entpuppt, und damit auch ihren ersten Ferienjob. Denn ein neuer Besen ist leider nicht umsonst, und der angehenden Zauberin bleibt keine Wahl: Mika wird zur Lieferhexe.

Mika and The Witch’s Mountain ist kein “großes” Spiel. Es hat keine facettenreiche Story, keinen überraschenden Twist und keinen grandiosen Bösewicht. Und genau das macht es so sympathisch. Mika speditioniert kleine und größere Lieferungen über die ganze Insel, die ein wenig wie ein zu groß geratenes Super Mario 64-Level erscheint. Neben Orilla selbst findet sie verfallene, mysteriöse Ruinen, einen kleinen Bauernhof, eine geheimnisvolle Mine und diverse Wäldchen und Wiesen.
Das vorrangige Ziel ist es, bereits erwähnte Lieferungen von Person A zu Person B zu fed-exen – das ist anfangs (und eigentlich auch später) kein großes Problem, und auch lange Laufwege bleiben ihr erspart. Sie erhält glücklicherweise relativ fix einen Ersatzbesen, dessen Bedienung anfangs aber noch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Ein einfacher Aufstieg ist mit dem lahmen Feger unmöglich, und Mika muss die Umgebung und ihre Gegenstände als Rampe nutzen, um höher als ein paar Meter in die Luft zu steigen – oder sie erspringt sich in bester Plattformer-Tradition zu Fuß einen höheren Startplatz, und schwingt sich erst dann von dort aus auf den Besen.
Aber aufgepasst: Wer mit Lieferung in vollem Flug gegen einen Felsen ballert, muss damit rechnen, dass eines der Pakete beschädigt oder gar zerstört wird. Denn diese haben verschiedene Knackpunkte, die es zu beachten gilt. Neben zerbrechlichen Waren wie Vasen oder Fernsehern dürfen andere Mitbringsel wiederum nicht nass werden – und egal was ihr mitschleppt, sollte Mika in schwere Winde geraten, könnte der ganze Stapel einfach vom Besen purzeln.
Mein Nachbar Mika
Die Lieferungen selbst sind dabei nur der erste Aufhänger des Spieles, denn bei diesen lernt ihr vor allem die Einwohner von Mont Gaun und deren Kummer und Sorgen kennen. Diese sind oft für ein so putzig erscheinendes Spiel geradezu erschreckend realistisch, aber niemals überzogen gefühlsduselnd. Maler Andros etwa kämpft vorwiegend mit sich selbst und seiner Selbstkritik an seiner Kunst, die ihn langsam aber sicher in eine ausgemachte Depression zu ziehen droht.
Dann gibt es beispielsweise Seefahrersohn O’Pick und dessen Vater O’Vel, die sich beide wünschen, dass der junge O’Pick auf seinem Boot die Welt entdecken fährt, aber nicht wissen, wie sie es dem jeweils anderen sagen können, ohne ihm das Herz zu brechen.
Oder Wissenschaftlerin Vanny, die alles für einen wirklichen Durchbruch geben würde, aber ihr möchte offenbar nichts so richtig gelingen.

Der Cast aus Charakteren bleibt dabei relativ klein, wie auch die tatsächliche Größe der Insel und die Menge der Lieferungen und Dialogtexte sich in leicht zu navigierenden Grenzen halten, dennoch sind alle Figuren so pointiert und individuell geschrieben, dass sie sich direkt an das Herz des Spielers festklammern und für ein Weilchen nicht mehr loslassen wollen.
Mika’s Reise ins Zauberland
Den wirklichen Reiz an Mika and The Witch’s Mountain zu definieren, ist aber fast noch einfacher: Auf dem Besen herumzudüsen und dabei die Insel zu erforschen macht einfach Spaß, und fühlt sich verdammt gut an. Und zwar ganz ohne Hektik, denn das Spiel schreit mit muckelig-schnuckeliger Atmosphäre geradezu danach, es gemütlich angehen zu lassen. Hinter jeder Ecke könnte sich eine kleine oder große Entdeckung verstecken, und durch den schon erwähnten, fehlenden Auftrieb des Besens ist das Erreichen höherer Plätze ein ganz eigenes Puzzle, welches ihr im Laufe der Zeit lösen werdet.
Entdeckungen? Oh, ja! Neben den Lieferungen gibt’s auf Mont Gaunt noch viel mehr zu finden: Überall verstecken sich insgesamt 100 kleine Statuen, die ihr als Währung für neue Outfits oder kleine Anhänger nutzen könnt, es gibt geheimnisvolle Tarotkarten zum Sammeln, versteckte Bonuslieferungen, die nichts direkt mit der Hauptstory zu tun haben, und auch die Insel selbst versteckt das ein- oder andere Geheimnis.
Glücklicherweise weiß dies auch das Spiel, und ihr könnt nach der wunderhübschen Endsequenz auch so lange weiterspielen, -suchen und -sammeln, wie ihr möchtet.

Das Ganze wird begleitet von wunderhübschen, aber entspannten Musikstücken, und da es weder Gegner noch Spielertode gibt, lädt Mont Gaut definitiv zum chilligen Herumfliegen ein, um auch nach Tagen noch einen kurzen Besuch zu rechtfertigen.
Der Hexenberg ist, in einem Wort, heimelig. Pastell-Celshading, lauschige Musik, niedliche Animationen und ein tolles Inseldesign lassen sich Spieler schnell wie zuhause fühlen, wenn auch nur für eine vergleichsweise kurze Spielzeit, gerade, wenn man es nicht auf 100%-Komplettierung abgesehen hat. Nach ein paar Stündchen an einem freien Nachmittag dürften schnelle Spieler die Story bereits durchgebrannt haben.
Aber dafür überbeansprucht Mika auch nicht die Gastfreundschaft, und auch bei der letzten Lieferung wird das Spiel nie zäh genug, um nervig zu werden. Wer es gern langsam angehen lässt, könnte mit Mika and the Witch’s Mountain mit einem kleinen Indie-Titel eine große Überraschung erleben.

Getestet auf PC.