Clawhunter hat geschrieben: ↑4. Okt 2021, 00:01
das ist zwar schön aber eben einfach nicht haltbar, das sage ich als jemand der genug VWL-Kurse besucht hat. Sich dahinter verstecken dass mal vor 50 Jahren ein Milton Friedman "sowas ähnliches" vertreten hat wie die Neoliberalen heute, heißt noch lange nicht dass die Theorie tatsächlich dem Gemeinwohl dient; insbesondere nicht in der propagierten Ausprägung der FDP (oder der US-Republikaner) aka weniger Steuern für Reiche; als ob das dem Geheimwohl dienen würde - "trickle down" my ass.
Neoliberalismus wird aber ja nicht aus Spaß unterrichtet, es gibt durchaus eine Menge Menschen, die glauben, dass diese Theorie ihre Rechtfertigung hat. Dass ich persönlich der Theorie eher abgeneigt bin, sollte aus meinem Wahlverhalten und meinen sonstigen politischen Äußerungen klar sein, aber ich habe auch schon oft mit Leuten diskutiert, die gut gebildet, nicht dumm und durchaus davon überzeugt sind, dass Neoliberalismus, jedenfalls tendenziell (denn auch die FDP vertritt es ja nicht in Reinform), eine schlüssige, real funktionierende Theorie ist. Was den Punkt "weniger Steuern für Reiche" anbelangt - dem ich persönlich massiv widerspreche! - gibt es folgende Argumente, die auch von Leuten geteilt werden, die diese Thesen nicht deswegen vertreten, weil sie ihnen direkt persönlich dienlich wären:
- Reiche werden ihr Geld zu einem großen Teil für Investitionen nutzen
- Reiche sind oft besonders flexibel hinsichtlich ihres Wohnortes und werden zur Vermeidung erhöhter Steuern eher ins Ausland ausweichen
- Investitionen im eigenen Land können zu mehr Jobchancen im eigenen Land, womöglich gar zu einem Überangebot an Stellen führen, was dann wiederum auch zu Lohnerhöhungen für Gering- und Normalverdiener führen kann
Diese These baut natürlich auf einem gewissen Egoismus als Grundannahme auf (wer tatsächlich reich ist, hätte es für sein eigenes Wohl nicht nötig, einer Spitzensteuersatzerhphung um 3% durch einen offiziellen Umzug auszuweichen sondern tut das, in bösen Worten gesprochen, aus Gier), aber diese Annahme des Egoismus ist ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen, sonst gäbe es Probleme wie Cum Ex, Umzüge in Niedrigsteuerländer und Schwarzkonten im Ausland ja nicht.
An dieser Stelle muss ich als selbst linker und Öko auch anmerken, dass dieser Egoismus aber nicht nur Reiche oder Neoliberale betrifft. Ein Arbeitsloser, der nicht arbeiten möchte und dennoch Sozialleistungen beziehen möchte, hat dadurch auch einen erhöhten Drang, eine Partei zu wählen, die (mir politisch nahesteht und) verspricht, Hartz 4 Sanktionen abzuschaffen und Hartz 4 Regelsätze zu erhöhen. Es ist auch gewiss kein Zufall, dass die Ökologie-Bewegung just von Leuten befeuert wird, die annehmen, dass sie
persönlich von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Umgekehrt gab es kürzlich erst eine Umfrage, dass 80% der Älteren nicht bereit wären, Einschränkungen in Kauf zu nehmen, um negative Auswirkungen des Klimawandels für Jüngere zu reduzieren. Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder Wähler (a) egoistisch wählt oder (b) auch versteht, welche Partei den eigenen egoistischen Interessen zuträglich wäre, aber viele tun es und daher ist die Überapproximation dass
alle vorrangig egoistisch handeln aus dem Neoliberalismus auch nicht grundsätzlich unzulässig.
Nein, nein, man braucht sich nur anzugucken was für Leute bei der FDP rumlaufen (rich), mit wem sie verkehren (money people), von wem sie das Geld kriegen (money people) usw.
Sind FDP-Politiker im Allgemeinen so viel reicher als andere? Ich habe aber auch den Eindruck, dass beispielsweise Kubiki durchaus integer ist. Ich stimme in fast nichts mit ihm überein, aber ich halte für glaubwürdig, dass er seine Positionen auch tatsächlich aus Überzeugung vertritt. Dass egoistische / gierige Reiche die FDP finanziell stark unterstützen, ist natürlich korrekt, aber das ist ja nur ein kleiner Teil der FDP-Wählerschaft.
Man erkennt es sogar daran wie herzlich diese Leute lachen. Da ist keine Empathie. Das ist einfach nur Narzissmus.
Ich glaube, dass solche Äußerungen nicht sehr hilfreich sind und den Diskurs hier unnötig verengen. Sieh dir einmal die Umfrage oben an, wir haben hier zwei C*U-Wähler und einen FDP-Wähler, die sich aber sämtlich nicht an der Unterhaltung beteiligt haben. Das ist schade, denn politischer Diskurs lebt ja gerade davon, dass man seine verschiedenen Sichtweisen austauscht. Unsere nächste Regierung (hoffentlich eine Ampel) kann auch nur funktionieren, wenn man einander nicht mit radikaler Ablehnung begegnet. Ich kann, gerade in Anbetracht der ziemlich unfairen Rhetorik gegenüber der Linkspartei, durchaus verstehen, dass man hiervon etwas frustriert ist, aber es wäre ja auch schade, wenn das Village eine Echokammer würde, in der nur Linksgrüne (wie ich selbst!) sich trauen, sich politisch zu äußern. Im Endeffekt ist der Wettstreit der Ideen wichtig, damit unsere Demokratie funktionieren kann.
(wobei sicherlich ein paar FDPler "ganz ok" sind. Bestimmt. Denn: Dass sie nur für die Reichen Politik machen, ist eben nicht für jeden erkennbar, sonst hätten sie nicht 10% der Stimmen bekommen. Und entsprechend werden sogar innerhalb der Partei Leute sein, die nicht ganz verstehen wofür die Partei eigentlich steht.)
Ich glaube wirklich, dass das nicht mehr als bei anderen Parteien ein intellektuelles Problem ist, weswegen viele Leute FDP wählen. In der Tat sind FDP-Wähler im Schnitt recht gut gebildet und daher unterstelle ich, dass ein großer Teil der FDP-Wähler schon in etwa abschätzen kann, welche Ziele sie mit dem Wählen dieser Partei unterstützen.