Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück ist mit Sicherheit das belangloseste und herausforderungsfreiste Videospiel, welches ich jemals gespielt habe. Wo ich mir die ganze Zeit nicht sicher war: Ist es deswegen schlecht oder ist es trotzdem noch gut? Man wird nur von A nach B geschickt, von dort zu C oder vielleicht wieder zu A, unterwegs kann man sich bei B 1/2 eine Nebenaufgabe abholen, die einen zu A 1/2 und zurück zu B 1/2 schickt. Dann muss man sich unter drei bis vier Stichworten das offensichtlichste aussuchen, und hat eine Schlussfolgerung.
Man dümpelt halt bis zum Abspann vor sich hin, schmunzelt mal und, na ja, bleibt halt schon dran. Zum Ende hin wurde es sogar etwas spannender.
Na ja, eine Sache der Erwartungshaltung. Ich habe von dem Spiel nichts erwartet, wollte nur noch mal ein sympathisch präsentiertes Spiel ohne Anspruch und ein Ende der Geschichte bekommen - und bin zufriedengestellt, obwohl ich genaugenommen
beides nicht mal bekommen habe. Aber vorher bei Pikmin 4 habe ich ein sehr gutes Spiel erwartet, das mich als Spieler ernst nimmt. Ich bekam definitiv ein (sehr) gutes Spiel, fühlte mich aber als Spieler nicht ernst genommen. Objektiv würde ich Pikmin 4 in einem Test eine gute Wertung geben, Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück eine mittelmäßige Wertung. Aber von Pikmin 4 erwartete ich einen Anwärter auf mein Spiel des Jahres, von dem hier erwartete ich eigentlich kaum was. Also, stellte mich Pikachu subjektiv mehr zufrieden.
Nun gut, also, was mich enttäuscht hat: Die Präsentation des Vorgängers enthielt tolle Zwischensequenzen mit Sprachausgabe voll individueller Animationen und Gesichtsanimationen. Wie ganz am Anfang die Sekretärin der Detektivagentur einem Vogel eine Nachricht abnimmt, anschließend Tim zum Chef reinschickt und Pikachu, der unterdessen von den für die Kunden bereitgestellten Keksen genascht hat, die Ohren langzieht, hat ungefähr mehr Animationen und Gesichtsausdrücke enthalten als 90 % der Zwischensequenzen von Meisterdetektiv Pikachu kehrt zurück zusammen. Oft fallen bei der Neuvorstellung eines Charakters zwei Worte in Sprachausgabe mit ziemlich dilettantischen Standanimationen. Ich habe jahrelang auf diesen Nachfolger gewartet, weil ich auf tolle Zwischensequenzen in viel besserer Grafik gewartet habe. Stattdessen stehen sich steife Figuren gegenüber, die zwischen maximal drei Gesichtsausdrücken wechseln. So bekommt man schon mal Dank von jemanden ausgesprochen, der derweil so guckt, als würde er einen umbringen wollen, weil er nur einen Gesichtsausdruck spendiert bekommen hat, der eher zornig wirkt. Und dann immer dieses kurze Zurückkehren in den Standardausdruck zwischen zwei Samples. Es gibt mehrere Sequenzen, in denen jemand durchgängig traurig ist und auch einen solchen Gesichtsausdruck spendiert bekommen hat, aber zwischen zwei Samples springt das Gesicht für einen kurzen Augenblick in die fröhliche Grundmimik zurück. Und zum Ende der Zwischensequenz grinsen die Figuren kurz vorm Abblenden sowieso wieder.
Also ja, die Präsentation ist enttäuschend. Aber gut, die Meisterdetektiv Pikachu-Franchise hat im Kino und auf dem 3DS die Erwartungen nicht erfüllt, also sollten wir froh sein, dass Nintendo trotzdem erlaubt hat, dass die Geschichte zu Ende erzählt wird, oder? Allein, so wirklich passiert das nicht, beziehungsweise schließen die Spiele nicht wirklich gut aneinander an. Die Detektivagentur Baker kommt im zweiten Teil überhaupt nicht vor. Auch wenn Tim und Pikachu inzwischen alleine ermitteln, ist diese komplette Ignoranz dieser für Tims Vater wichtigen Agentur schon seltsam. Auch in der Rückblende wirkt es plötzlich so, als
sei Harry ein Soloermittler gewesen. Auch die Journalistin kommt nicht mehr vor, obwohl man ständig Nachrichten schaut. Es gibt nur in einem optionalen Dialog eine kurze Anspielung auf die unverantwortliche Fahrweise der Sekretärin. Da ich die Figuren dort lieber hatte als zum Beispiel den wiederkehrenden, arroganten Polizeibeamten, hat mich das schon enttäuscht und es lässt beide Teile auch definitiv komisch unverbunden erscheinen. Als ob des Meisterdetektivs Vergangenheit abgeändert wurde, und man hofft, es merkt niemand.
Am Ende bin ich auch unzufrieden mit
Harrys und Pikachus Rettung gewesen. Da hat man mit Mewtu nun einen Deus Ex Pokémon und anstatt, dass er nach der Explosion des Labors mit Harry und Pikachu auftaucht und sie gerettet hat, was in seiner Macht stehen sollte, werden Harry und Pikachu plötzlich in einer Tube an die Oberfläche geschleudert, völlig ohne Erklärung geheilt. Harry hat geschlafen und Pikachu war kollabiert. Wie soll das passiert sein?
Was ich der Geschichte zugute halte, ist,
dass es die Korruption von Butler im Nachhinein nicht gerechtfertigt hat, à la er sei erpresst worden oder irgendwas in der Art. Nein, er war einfach korrupt. So was ist eher selten in Plots.
Was mir immer noch Freude gemacht hat, war das Grafikdesign. Das Spiel wirkt wie zu spät erschienen, als ob ein gecanceltes Früh-90er-Projekt aus dem Archiv geholt und veröffentlicht worden wäre. Ich mag den Videorekorder in Tims Apartment, die Röhrenmonitore auf den Schreibtischen im Polizeirevier und die kantigen Streifenwagen wie in alten US-Actionfilmen und nicht den kleinsten Hinweis auf Internet oder Handys.
Wenn mit das beste, was mir zu einem Spiel einfällt, ist, dass die Streifenwagen aussehen wie in den alten Terminatorfilmen, sollte man meinen, dies wird ein riesiger Verriss. Und irgendwie ist es auch einer. Den ersten Teil konnte man wegen der, für die Hardware, schönen Grafik und tollen Präsentation trotz mauen Gameplays empfehlen. Der Nachfolger bietet nicht mehr mal das und immer noch maues, vielleicht sogar noch mäßigeres Gameplay. Aber irgendwie habe ich meine Zeit mit dem Spiel nicht bereut. Gefühlt hat mir das Spiel eben trotz der Belanglosigkeit gefallen.