Delta Force Urban Warfare

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Guybrush Threepwood
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Delta Force Urban Warfare

#1

Beitrag von Guybrush Threepwood »

Der Name klingt nach einem lieblosen Grabbeltitel, mit dem man diejenigen über den Tisch ziehen wollte, welche irgendwie auf der PSOne hängen geblieben sind. Denn am 9. August 2002, also mehr als anderthalb Jahre nach Release der PS2 in Deutschland (24. November 2000) hat Rebellion, welche mit Alien Vs. Predator auf dem Jaguar einst für ein ganz klein wenig Aufsehen sorgten und heute die Sniper Elite und Zombie Army-Spiele programmieren, von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet das Perfect Dark für die Playstation herausgebracht.

Damit meine ich, dass man einen technisch ziemlich guten Agentenshooter mit in der Regel mehreren Missionszielen pro Auftrag herausgebracht hat. In der ersten Mission muss man etwa erst einer Wache eine Schlüsselkarte abnehmen, damit an den Stromkasten heran, diesen sprengen, und in der Dunkelheit mit Nachtsichtgerät die Leibwachen des Ziels ausschalten und ihn mit einer Blendgranate überwältigen kann. Oder man bricht in eine Bank ein, sabotiert die Überwachungskameras, hackt einen Computer und schleicht wieder raus, ohne dass in der Mission jemand sterben darf. Man befreit Geiseln, stellt Laborproben sicher und entschärft Bomben. Es gab zwei Missionen, in denen man nur anstürmenden Gegnern lange genug standhalten sollte und eigentlich keine echte Aufgabe hatte.

Ziemlich uninteressant ist die Geschichte mit Ex-Sowjet-Generälen, die eine Atomwaffe in Größe eines Baseballs fertig stellen und natürlich irgendwo zünden wollen.

Das ganze ist nicht so gut wie Perfect Dark, denn so gut die Technik für die PSOne auch ist (es gehen sogar wie in Perfect Dark Lampen aus, wenn sie von einer Kugel getroffen werden, und der betroffene Teil des Raums wird dunkler - und auch von Gegnern abgefeuerte Kugeln können das), die Playstation war kein N64 mit Expansion Pack. Viele Level sind in Segmente aufgeteilt, manchmal durch eine kurze Ladeeinblendung, manchmal durch einen kompletten Ladebildschirm getrennt - da darf man auch zwischenspeichern, aber die Lebensenergie bleibt erhalten. Man kann sich also theoretisch in eine Sackgasse speichern. Die Gegner sind im Gefecht viel dümmer und das ganze Spieldesign ist nicht auf dem Niveau des großen Vorbildes. Außerdem ist die Steuerung mit Doppelbelegungen überladen. Man lädt zum Beispiel nach, in dem man Dreieck gedrückt hält und dann R1 antippt. Wenn man bei gedrückter Kreistaste (zeigt die Karte an) nach links oder rechts zu laufen versucht, stellt man die Feuerrate der Waffe um, was bisher keinen praktischen Nutzen hatte, mich im Gegenteil schon mal einen Raum mit schwachen Einzelschüssen stürmen ließ.

Dafür leiht es sich Eigenheiten von Stealthtiteln aus. Man kann Leichen bewegen, damit sie niemand findet. Man kann Funkgeräte von Toten stehlen und den Funkverkehr der Gegner abhören. Laut Anleitung ändern sie die Frequenz, wenn jemand eine Leiche finden, deren Funkgerät gestohlen wurde. Aber solange man es hat, werden so Bereiche, in denen einen der Feind vermutet, auf der Karte markiert.

Ungeachtet der Macken ist es ein, gemessen an den Möglichkeiten, fein designter Shooter, dessen Existenz ich kurios finde. Rebellion wurde bestimmt angeheuert, Schund für den Grabbelltisch zu produzieren, und dann legen sie sich total ins Zeug und keiner kriegt es mit (wobei es zum Beispiel in der MAN!AC nach meiner Erinnerung sogar über 80% bekam, daher kannte ich das Spiel). Ich stelle mir das so vor, dass das Team hochmotiviert vor sich hin gewerkelt hat, und vermutlich hat es nicht mal mehr den Publisher wirklich interessiert, Hauptsache, die Entwicklung wird nicht zu teuer, weil es zum Nice Price erscheinen sollte. So ist wohl auch eines der Harry Potter-Spiele auf dem Game Boy Color entstanden, welches als eines der besten RPGs für die Konsole gilt. Der GBA war schon draußen, buchstäblich niemand hat sich dafür interessiert, was die Entwickler da machen. Vor Jahren schrieb einer der beteiligten Entwickler im Neogaf, das sei mit die beste Zeit seines Programmiererlebens gewesen. Als EA sie wegen des unerwarteten Erfolges als das Team für die GBA-Version des nächsten Teils auserkor, war der Spaß vorbei und es gab ständig Vorgaben und Milestones. Ich glaube, ungefähr so lief es mit Delta Force Urban Warfare. Eine Auftragsarbeit, an die niemand außer dem Team selbst Erwartungen hatte.

Mir scheint, es ist recht kurz, aber mit Versand habe ich nur vier Euro für gezahlt. Selbst Sammler interessieren sich nicht dafür, obwohl es vermutlich das letzte, wirklich gute Spiel für die Konsole war.
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Guybrush Threepwood
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#2

Beitrag von Guybrush Threepwood »

An zwei der späteren Missionen habe ich ein bisschen geknabbert. Ich habe dann auch viele Kniffe wie Sprengfallen und die verschiedenen Modi meiner Nachsichtbrille zum Einsatz bringen müssen. Für die PSOne ist das schon ein ziemlich komplizierter Shooter gewesen, der aber, gerade im Vergleich zu den N64-Toptiteln, auch hinter dem zurückbleibt, was die Spielmechaniken hergegeben hätten. Jedenfalls glaube ich einfach, dass die Hardware hier eine Bremse war, weil das alles insgesamt doch sehr ausgereift gewirkt hat. Die Gegner-KI ist das, was am plumpsten wirkt, die stürmen zu oft kopflos auf den Spieler zu.

Angesichts des Veröffentlichungszeitraums, weit nach dem die Konsole relevant war, schon ein erstaunliches Spiel.

Es hat aber eine der unsinnigsten Belohnungen fürs Durchspielen aller Zeiten, nämlich einen Schießstand. Jetzt brauche ich das Training bestimmt nicht mehr! Und das ist nicht mit Herausforderungen gekoppelt wie der von Perfect Dark, es werden auch keine Punkte gezählt. Es ist wirklich sinnlos.
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